Samstag, 22. September 2012

Eine Art Sehnsucht



Ich sehe über Seen, die sich vor meinen Augen wölben und winden. Was wäre, wenn sie jetzt hier wäre? Würde das Wasser in den Himmel strömen und Fische und Wasserleichen sich gegen Sterne und Mond abzeichnen? Worte fetzen mir aus dem Mund, ein Liebeslied, das müsste gehen.

Komm´ doch, Liebeslied, komm´ und töte mich. Quäle mich und fahre mit mir in sieben Höllen, oder in den nächsten Baumarkt an einem Samstagnachmittag.

Bück´ dich, mein Liebeslied und weine nicht. Streck´ dich, mein Liebeslied und öffne dich, quäle mich, reite mich.

Mal mir Blitze auf die Steine und Namen und reite auf meinem Liebeslied zu Obi und Netto. Vorbei an Plastikgartenstühlen und Liegen auf dürrem Rasen und Betonpflaster das immer noch schwingt von deinen Schritten. Verstreut liegen rote Vogelbeeren. Hast du die zertreten vor Jahr und Tag?

Ein Geräusch wie leiser Singsang, der fast unbemerkt, von Sternenlicht getragen, in Namensuchmanns Zimmer drang. So müssen Engel singen. Engel! Er hatte schon eine gewisse Zeitlang nicht mehr an seinen Engel gedacht. Der Gesang kam von draußen, aus sternkalter Nacht. Melodisch, und doch einschläfernd monoton. Trotzdem war er aufgewacht. Was zeigte die Uhr? Der Wecker stand mal wieder auf sein Display gekippt, die grünen Leuchtziffern waren zu hell für Namensuchmanns Nächte. 

"Wird der Friedhof unter uns zu wandern und zu fließen beginnen?", fragte sein Engel und schaute von dem lang im nachtnassen Gras hingestreckten Zombie auf. In seinem Blick lag eine Art Sehnsucht. Anstatt nach einer Antwort zu suchen, die er ohnehin niemals finden würde, begann Namensuchmann sein Liebeslied zu singen. Der kleine Engel wandte sich wieder seinem Zombie zu und sang sein eigenes Lied weiter, während er eine weiße verweste Hand des Untoten in seinen hielt. Das fahle Band der Milchstraße spannte sich quer über den  Nachthimmel, und auch ohne Mond war ein seltsam heller Schein um alle Dinge.




Samstag, 8. September 2012

Weg



Ich bin nicht sonderlich geschickt im Schauen, das mir stets weit gefächert von den Augen strömt. In düsteren Nuancen mich suhlen und den Bierschaum auf der Haut zu einem feuchten Film verreiben, darin bin ich gut!

"Ich trinke eher selten Bier, und noch seltener verirrt sich Bierschaum auf meine Haut!"

Die Schreie der Verirrten sind jetzt nur noch schwach zu hören. Eine bestimmte Richtung ist schon gar nicht mehr auszumachen. Dafür Motorenlärm der Motorboote. Direkt von vorn.

Wellenglucksen zu unseren Füßen, über unseren Köpfen zwirbelt sich Himmelsblau in ferne Höhen.

Kühler Sonnenschatten, fast fröstelnd schon. 

"Weshalb haben wir eigentlich nicht geheiratet?"

"Die Parkplätze waren alle belegt. Oder abgesperrt, mit rotweißem Plastikband, wegen irgendeiner Demo, ich glaube, gegen Schmetterlinge."

Dort in der Ferne, im Dunst, immer noch dieselbe Welt. Ich bin dort gewesen, am anderen Ende, schaute verkehrt herum und fand es klasse. Doch nun lassen die weißen Segel meine Schuhe noch dreckiger erscheinen. Der See mit seinem Wasser könnte sie reinigen und waschen. Er wollte sie schon immer sauber sehen, hat sich stets bemüht, doch seit einiger Zeit ist er nur noch stoischer Beobachter. Er wartet. Seine Geduld fast schon enervierend, und doch so tröstlich. Ich schlage die Stola dieses stummen Trostes um meine nackten, narbenübersäten Schultern und möchte etwas sagen. Doch der See plätschert mir ein leises "pssssst" in die Sinne.