Montag, 30. November 2009

Mottenkiste (1995)



O.T. 2

Unsichtbare Narben
Unsichtbare Nebel
Unsichtbare Schönheit

Lautlose Klagen
stumme Kriege
ohne Laut feuern die Kanonen

Zeit Zeit Zeit
unter dünnem Eis
ein Strom fremder Momente

Das Ich im morgen
Das Ich im gestern
von Angesicht zu Angesicht
die Wahrheit vergessend

Gesteinsbrocken
Fensterhöhlen
rote Horizonte


Still und leise



Still und leise hat im Laufe des vergangenen Novembers die Venus ihr Gastspiel als Morgenstern beendet. Am 1. Nov. ging sie um 5:29 Uhr auf; das reichte noch knapp, um eine einigermaßen beobachtbare Höhe über dem Osthorizont zu erreichen, ehe dann um 7:10 Uhr auch die Sonne aufging. Mittlerweile hat sich der Winkelabstand der beiden Gestirne aber so weit verringert, dass Venus am 1. Dez. erst um 7:02 Uhr aufgeht; die Sonne folgt um 7:57 Uhr. Diese 55 Minuten Vorsprung sind zwar gut für eine theoretische Sichtbarkeit in der Morgendämmerung, aber nur unter den idealen Voraussetzungen eines absolut freien Horizonts und wenig Dunst.


Ein Beobachter auf der Erde (blau) sah am 1. 11. 09 die Venus „rechts“ von der Sonne, und zwar unter einem Winkelabstand alpha (ca. 18°). Schaut man am Tage zur Sonne hinauf und stellt sich rechts, also westlich von ihr die Venus vor (18° entsprechen etwa 36 Sonnendurchmessern), dann wird sofort klar, dass die Venus der Sonne am Firmament vorauseilt, also vor der Sonne untergeht und damit bei Einbruch der Nacht natürlich nicht zu sehen ist. Am Morgen am Osthorizont ist es umgekehrt. Die vorauseilende Venus geht vor der Sonne auf und ist daher Morgenstern.

(Bitte den aufdringlichen, brünftigen Alien nicht weiter beachten, dadurch wird er nur noch übermütiger und dreister)

Am 1. 12. 09 ist der Winkel (beta) noch kleiner geworden, d.h. der Vorsprung der Venus vor der Sonne am Himmel ist so knapp, dass nur noch eine theoretische Morgensichtbarkeit besteht.

Am 11. 01. 2010 dann steht die Sonne direkt zwischen Venus und Erde. Der Fachmann nennt eine solche Konstellation Obere Konjunktion, im Gegensatz zur Unteren Konjunktion, wenn Venus zwischen Erde und Sonne steht (ebenfalls unbeobachtbar).

Bald jedoch kommt, von der Erde aus betrachtet, die Venus wieder hinter der Sonne hervor, nur diesmal „links“ vom Zentralgestirn. Auf den irdischen Himmel übertragen bedeutet das, die Venus folgt der Sonne auf ihrer täglichen Wanderung nach und geht daher erst nach der Sonne unter. Sie ist fortan Abendstern, und zwar bis in den September 2010 hinein.



Sonntag, 29. November 2009

Notizbuchfragment



Es ist September, ein Tag in blau und grün. Ein Sonntag mit Sonntagsgeräuschen. Fernes Fliegerbrummen am Himmel, ab und zu ein Auto. Ich gehe barfuß über die Wiese, ich spüre Gras und Menschen, nur leicht gedämpft durch die massige Kugel.

PS: Der Herbst braust heran und beschnüffelt gierig die Bäume!

Samstag, 28. November 2009

Der Mann, der einen Namen braucht



Der Mann braucht einen Namen. Er fuhr stundenlang auf der Autobahn, alleine in seinem neuen Auto. Seinem ersten neuen Auto, doch das spielte keine Rolle. Nun nahm er die Ausfahrt, die Stadt öffnet sich ihm in einer weiten Schneise. Es ist fast Nacht, doch der Himmel hinter und über den Straßenlaternen ist noch nicht ganz schwarz, erst dunkelgrau, schmutziggrau. Der Mann fädelt sich in den Strom roter Rücklichter ein, der Blinker verrichtet monoton seinen Dienst. Im gelben Licht der Peitschenlampen schimmern die hohen Fassaden warm, fast fleischig. Die Ampeln verrichten stumm ihren Dienst, sie kennen den Mann nicht, rufen ihm nichts zu, wechseln die Farbe. Er kennt den Weg. Er müsste sich bald links einordnen, den Blinker setzen, links abbiegen, die lange Kurve am Park vorbei. Es war lange her, seit er diesen Weg zuletzt fuhr. War er nun ein anderer, oder immer noch derselbe? Wie war sein Name damals? Er kennt sich immer noch aus. Er biegt rechts ab, folgt der Hauptstraße, bald wird ein großer Kreisverkehr auftauchen. Es ist Nacht, doch noch immer braust der Berufsverkehr, denn es ist Winter. Der Mann braucht einen Namen.



Freitag, 27. November 2009

Und nochmal

Ich habe es nicht für möglich gehalten, aber gestern konnte ich tatsächlich eine weitere Novembermoosung vornehmen. Diesmal sogar mit Mond!

Da ich beim Laufen keinen Fotoapparat mit mir herumtrage und auch keine Zeichenutensilien, muss nachfolgendes Panorama genügen, um meine Eindrücke wiederzugeben.


Dienstag, 24. November 2009

Mottenkiste (1991, Fragmente)



14:41

Seelentränen im Nachtozean
Gitterfehler im Kirstall des Universums
Eine zufällige Ausstülpung
zwischen Geburt und Tod
Eine temporäre Kontamination eines
frigiden Universums
Menzel sagt er muss aufs Klo
Menzel existiert nicht
Ich existiere
also muss ich mich bewegen
denken handeln s e h e n
Draußen herrscht
der hellichte Tag



Wunder der Nacht

Leben um zu gehen
über lange Straßen
an der Hand der großen Gestalt
Licht das flutet
leise über Land
den Moment des Todes
nicht zu verfehlen
Ich sah dich nie kommen
und nachts blühen die Kanonen





Samstag, 21. November 2009

Westerwelle ist neidisch



Mondung und Wimpernnebelung



Gestern lief ich im Nebel. Abends, Sichtweite keine 50 Meter.
Die Dämmerung hatte schon eingesetzt. Die Nebelsuppe
schien nicht besonders hoch, über mir war stellenweise, löcher-
weise, blauer Himmel zu sehen. Immer noch blau. Es war noch
kein Abendgrau. Als der Wald zurückwich, langsam seinen
schwarzen Mantel einzog, fiel mein schweifender Blick zum
Südwesthorizont, darüber eine kleine blaue Nebellücke. In
der Nebellücke leuchtete blass die schmale Sichel des zu-
nehmenden Mondes auf mich herab. Ich wankte kurz in meinem
Rhythmus, denn diese Mondung kam doch einigermaßen über-
raschend. Wer denkt denn an sowas, inmitten dicken, grauen
Nebels?
Ich lief also weiter, und bald war ich über und über mit winzigen
weißen Nebeltröpfchen bedeckt wie mehlbetaut und beschimmelt.
Auch meine Wimpern blieben nicht verschont, im spärlichen Gegenlicht schimmerten kleine weiße Kreise vor meinen Augen.
Wieder zu Hause fuhr ich mit den Fingern über meine Augen, die
Wimpernnebelung hinterließ einen kalten nassen Strich.


Donnerstag, 19. November 2009

Novembermoos



Ich laufe am liebsten bei Sonnenuntergang.
Oder kurz danach.
Schaue ich zu Hause aus dem Fenster, ist die Sonne
gerade hinter Bäumen und dem Wald verschwunden.
Ich laufe los. Trap Trap Trap
Draußen, auf freiem Feld, ist sie plötzlich wieder da,
glutend und rot. Blauer Himmel, Dunstschwaden über
den Wiesen. Vereinzelt noch braunes oder blassgelbes
Laub in den Bäumen. Es ist mild für die Jahreszeit. Ein
Novembertag. Trap Trap Trap
Rein in den Wald, durch den Wald, aus dem Wald. Ich
biege von meiner gewohnten Strecke ab, laufe ein Stück
zu einer kleinen Anhöhe. Darin hineingebaut ein kleines
Wasserpumphäuschen, an drei Seiten zusätzlich mit Erde
angeschüttet. Ein kleiner Hügel auf einem Hügel. Die
Seite nach Südwest ist abendsonnenbeschienen, das Moos
sogar noch warm. Das Laub, Blätter von dem Bergahorn, der
hier steht, ist knisterig. Ich bin nur leicht angezogen, wie
immer beim Laufen. Es ist ideal, wenn ich anfangs leicht
fröstele. Nach zwei Kilometern ist mir nicht mehr kalt,
und bald dampfe ich vor Wärme. Schön ist es, bei Schnee-
fall zu laufen, bei Schneetreiben, man braucht dann eine
Schildmütze, damit die Flocken nicht in die Augen wehen.
Es ist anders, als wenn man dick eingemummelt spazieren
geht. Beim Laufen ist man dünn angezogen, der Schweiß
muss verdunsten können. Bliebe man stehen, würde man
bald frösteln, dann frieren. Der Körper heizt, er arbeitet,
er trotzt der Kälte. Trap Trap Trap
Heute ist es mild und abend. Novemberruhig. Unter dem
kahlen Bergahorn. Ich lege mich auf das warme Moos, auf
das knisternde Laub, strecke alle Viere von mir. Ich schaue
durch die Äste in einen blaublassen, wolkenlosen Abend-
himmel. Kein Laut dringt an mein Ohr. Durch die Anstrengung
sind die Atemwege weit und frei, nicht mal der eigene Atem
ist zu hören. Der Herzschlag schon wieder ruhig, ich fühle
das Moos und die Blätter. Es ist abend und mild.
Fern am Horizont geht die Sonne unter, rot.



Dienstag, 10. November 2009

Mottenkiste (1991)



Nacht Leben

spätabends im Dunkeln
kam ich aus dem Café
eine Menge Leute unterwegs
schaute ich nach oben
in sternenlose Düsternis
sah diese riesigen Gewichte
hängend über der Stadt
groß wie Hochhäuser
schwarz wie Grabsteine
sanft wiegend in
unsichtbarer Dünung
nur schemenhaft beleuchtet
von Irrlichtern der Straße
machte mich auf und davon
im Rücken diese
dicken
fetten
Plumpser




Freitag, 6. November 2009

Jupiter



Wer in diesen Tagen in der fortgeschrittenen Abenddämmerung nach Süden schaut, der wird einen einsamen, sehr hellen Stern bemerken. Einsam deshalb, weil er so hell ist, dass er lange Zeit vor den anderen, schwächeren Sternen erscheint. Dabei ist es gar kein richtiger Stern, kein glutender Gasball in den Weiten des Alls, sondern ein Planet unseres eigenen Sonnensystems: der Riesenplanet Jupiter. Er ist doppelt so massereich wie alle anderen Planeten zusammen, sein Durchmesser beträgt etwa das Zehnfache des Erddurchmessers, und er ist ungefähr fünf Mal so weit von der Sonne entfernt wie die Erde. Dadurch braucht er natürlich viel länger für einen Umlauf um die Sonne als die Erde, nämlich fast 12 Erdenjahre. Aber das hat seinen Grund nicht nur in seiner viel längeren Bahn, sondern zusätzlich ist er auch noch langsamer unterwegs als die Erde, sodass er von dieser immerzu innen überholt wird, wie beispielsweise am 14. August diesen Jahres. An diesem Datum stand die Erde genau zwischen Jupiter und Sonne. Oder, anders ausgedrückt, Jupiter stand der Sonne gegenüber. Ging unser Zentralgestirn abends im Westen unter, ging Jupiter im Osten auf, und umgekehrt.

Inzwischen ist die Erde aber ein ganzes Stück weitergewandert. Auf unten angefügtem Bildchen ist zu erkennen, dass Sonne-Erde-Jupiter am 10. November einen Winkel von alpha=90° bilden. Wenn die Sonne untergeht, steigt Jupiter also nicht erst über den Osthorizont, sondern steht schon hoch im Süden am Himmel. Jupiter, der Beobachter und die untergegangene Sonne bilden einen rechten Winkel.

Die Erde steht jedoch nicht still, sie wandert weiter auf ihrer Bahn, und zwar viel schneller als Jupiter, wodurch sich der Winkel Jupiter-Erde-Sonne stetig verringert. Am 31.01.2010 beträgt er nur noch 28° (beta auf dem Bild). Von der Erde aus gesehen wird der scheinbare Abstand Jupiter - Sonne also immer kleiner. Wenn man regelmäßig abends um dieselbe Uhrzeit den Südhimmel beobachtet, wird man bemerken, wie Jupiter immer weiter nach Westen wandert und langsam die Sonne einholt. (Diese Eigenbewegung ist jedoch nicht zu verwechseln mit der täglichen Bewegung des gesamten Firmaments aufgrund der Erdrotation.)

Irgendwann wird er hinter der Sonne verschwunden sein und eine zeitlang unbeobachtbar bleiben, ehe er rechts der Sonne, also westlich von ihr, wieder zum Vorschein kommt. Er wird ihr dann am Firmament vorauseilen, d.h. vor ihr aufgehen und daher am Morgenhimmel zu beobachten sein.









Mittwoch, 4. November 2009