Donnerstag, 20. Dezember 2012

Ein Morgen wie jeder andere



"Dies ist eine schöne Art zu schreiben; ich glaube, das wird meine neue Handschrift", notierte Namensuchmann oben auf die letzte Seite seines Notizbuches.

"A night filled with space", singt Van Morrison in "Real real gone".

Eine Nacht gefüllt mit so viel Raum, dass er noch halb für den nächsten Tag reicht und mit der genau hierfür abgemessenen Menge Zeit drückte unbarmherzig auf Namensuchmanns Körper wie eine dicke Katze, die sich nachts ins Zimmer schleicht und sich wohlig füßelnd auf ihrem schlafenden Menschen zusammenrollt.
Namensuchmann  wälzte sich auf die Seite, fegte die Nacht von sich herunter und versuchte, sich zu erinnern. Das war nicht leicht, denn die Frau, die neben ihm in den Kissen lag war ihm gänzlich unbekannt. Doch schön war sie, sehr sogar, und duftete nach Salz und Tang. Ihre Haut war so schimmernd glatt und vollkommen, dass Namensuchmann unvermittelt anfing wie von Sinnen zu schreien. Schweiß brach ihm aus allen Poren und wie ein Baby musste er immer wieder inne halten um Luft für den nächsten Schrei zu sammeln. Die ersten Speichelfäden trieften ihm aus den Mundwinkeln, doch das alles spürte er nicht. Was er spürte war das unsägliche Verlangen, sich die Augen aus den Höhlen zu reissen, sie auf seiner Brust auszudrücken und den Inhalt großflächig auf der Haut zu verreiben. 
Die plötzliche Schwärze war absolut, und gleichzeitig schien auch jede Luft aus dem Raum verschwunden zu sein. Weiteres Atem holen unmöglich, und keine Moleküle mehr,  um den Schall zu transportieren. Dafür Schneeflocken auf nackter Haut wie eisige Nadelstiche, pervers kalter Fels zwischen und unter seinen Fingern. Unendlicher Raum verhüllt von unendlicher Schwärze. Nackte Knie auf etwas hartem, kantigem wie Eis weit unter dem Gefrierpunkt. Augen fest zudrücken und an etwas Schönes denken, überlegte sich Namensuchmann mit der Gelassenheit eines Zen-Meisters nach fünf Flaschen Weihnachtsfestbier. Eine milde Frühlingsbrise auf vor Wärme britzelnder Haut schien schließlich ein gutes Zeichen zu sein die Augen oder was von ihnen übrig war wieder zu öffnen.
Licht.
Er konnte sehen. Seine Augäpfel waren noch an Ort und Stelle, da wo sie hingehörten. Rund um Namensuchmann herum einige schneebedeckte Gipfel, in der Sonne glänzend. Drunten Täler, bunte Wälder, es war vermutlich Herbst, dort unten. Eine Aussicht wie von einem Kitschkalender, Namensuchmann begann zu würgen und hätte sich vermutlich übergeben, wenn er in demselben Moment nicht urplötzlich von diesen absurd lauten Trommelschlägen getroffen worden wäre. Lärm gegen Brechreiz, wer hätte das gedacht. Allerdings wusste er nicht, wann er zuletzt etwas gegessen hatte, zum kotzen hätte er also eh nichts im Magen gehabt. Wumm-Wumm-Wumm-bummbumm. 
Immerhin trug er noch seine Shorts, und in der Oberschenkeltasche fand er tatsächlich sein kürzlich neuerworbenes Galaxy. Das GPS meinte, der felsige Zacken, auf dem er sich befand gehörte zum Jungfraujoch. Er rief die Trommelschiff-App auf. Gestern noch kreuzte es vor Portugal, doch laut Anzeige hatte es mittlerweile den Golf von Biscaya fast durchquert in nördlicher Richtung. Glücklicherweise war die App bereits auf ihn konfiguriert. Unter den harten Schallschlägen wäre es schwierig gewesen, Angaben wie Geschlecht, Schuhgröße, Lieblingsfarbe, Blutgruppe, bevorzugte Biersorte oder Lieblingsstern einzugeben. So brauchte er nur auf "Text anzeigen" zu tippen und konnte nachlesen, was das Trommelschiff ihm zu sagen hatte:

"NIEMALS MÜDE GEHEN OHNE ERROR"

Namensuchmann drückte auf "auto aufzeichnen" und hielt sich die Ohren zu.





 

Montag, 26. November 2012

Das Trommelschiff



Es müsste ein großer alter Kahn sein, von ursprünglich schwarzer Farbe, doch nun vom Salzwasser und Rost zerfressen. Ohne die üblichen Aufbauten wie Brücke oder Promenadendeck, allerhöchstens wäre ein großer phallischer Schornstein in der Mitte erlaubt. Um den Schornstein herum vier riesige, viereckige  Blechlautsprecher. So groß, dass sie das optische Erscheinungsbild des Schiffes völlig aus dem Gleichgewicht bringen; monströse Lautsprecher, ebenso rostzerfressen und schrundig wie der Schiffsrumpf selbst. Aus ihrem tiefsten Inneren erschallen teils monotone, teils unregelmäßig stolpernde Trommelschläge, als schlüge ein betrunkener Affe den Angriffstakt um das Meer und die Erde selbst zu rammen. Man würde den unheimlichen Lärm sogar noch hören, wenn das Trommelschiff hundert Meilen von der Küste entfernt vorüberzieht. Würden die Schläge jedoch lauter hätte man wegen der enormen Distanz noch Tage Zeit, ins Landesinnere zu fliehen. Es wäre nicht ratsam, dem Trommelschiff beim Anlegen zuzusehen.


Montag, 5. November 2012

Schreibreiz



Sie hatte sich im Schlaf herumgedreht und lag jetzt halb auf der Seite, ihr nackter Rücken dem gekippten Fenster zugewandt, Taille und Hüfte zu einer samtenen Welle erstarrt. Namensuchmann versuchte die Bettdecke über sie zu ziehen, doch sie war viel zu schwer für ihn.  Also beugte er sich über sie und wob ihr  ein wärmendes Flies aus geflüsterten Worten und sehnsuchtsvollen Gedanken auf ihre Haut. 

Drunten, am Strand, brandete das mondschwangere Meer wie in Zeitlupe gegen die Kaimauern, lautlos. Auf einem Wellenkamm, der es aufgrund der Zeitdilatation vermutlich niemals bis ans Ufer schaffen wird, kippelte eine dicke alte Geschichte, von Seetang und Seepocken überwuchert. Sternenlicht, in den roten Spektralbereich verschoben, schimmerte durch das fadenscheinige Gerüst aus Grammatik, Syntax, Blut und Schweiß. Zwischen den Galaxien und Galaxienhaufen gibt es riesige, vollkommen leere Blasen im Raum, die sogenannten Voids. Sie sind jedoch nicht vollkommen leer, denn dahinein sind die unerzählten, unerinnerten und unerfundenen Geschichten gepackt.





Dienstag, 30. Oktober 2012

Samstag, 22. September 2012

Eine Art Sehnsucht



Ich sehe über Seen, die sich vor meinen Augen wölben und winden. Was wäre, wenn sie jetzt hier wäre? Würde das Wasser in den Himmel strömen und Fische und Wasserleichen sich gegen Sterne und Mond abzeichnen? Worte fetzen mir aus dem Mund, ein Liebeslied, das müsste gehen.

Komm´ doch, Liebeslied, komm´ und töte mich. Quäle mich und fahre mit mir in sieben Höllen, oder in den nächsten Baumarkt an einem Samstagnachmittag.

Bück´ dich, mein Liebeslied und weine nicht. Streck´ dich, mein Liebeslied und öffne dich, quäle mich, reite mich.

Mal mir Blitze auf die Steine und Namen und reite auf meinem Liebeslied zu Obi und Netto. Vorbei an Plastikgartenstühlen und Liegen auf dürrem Rasen und Betonpflaster das immer noch schwingt von deinen Schritten. Verstreut liegen rote Vogelbeeren. Hast du die zertreten vor Jahr und Tag?

Ein Geräusch wie leiser Singsang, der fast unbemerkt, von Sternenlicht getragen, in Namensuchmanns Zimmer drang. So müssen Engel singen. Engel! Er hatte schon eine gewisse Zeitlang nicht mehr an seinen Engel gedacht. Der Gesang kam von draußen, aus sternkalter Nacht. Melodisch, und doch einschläfernd monoton. Trotzdem war er aufgewacht. Was zeigte die Uhr? Der Wecker stand mal wieder auf sein Display gekippt, die grünen Leuchtziffern waren zu hell für Namensuchmanns Nächte. 

"Wird der Friedhof unter uns zu wandern und zu fließen beginnen?", fragte sein Engel und schaute von dem lang im nachtnassen Gras hingestreckten Zombie auf. In seinem Blick lag eine Art Sehnsucht. Anstatt nach einer Antwort zu suchen, die er ohnehin niemals finden würde, begann Namensuchmann sein Liebeslied zu singen. Der kleine Engel wandte sich wieder seinem Zombie zu und sang sein eigenes Lied weiter, während er eine weiße verweste Hand des Untoten in seinen hielt. Das fahle Band der Milchstraße spannte sich quer über den  Nachthimmel, und auch ohne Mond war ein seltsam heller Schein um alle Dinge.




Samstag, 8. September 2012

Weg



Ich bin nicht sonderlich geschickt im Schauen, das mir stets weit gefächert von den Augen strömt. In düsteren Nuancen mich suhlen und den Bierschaum auf der Haut zu einem feuchten Film verreiben, darin bin ich gut!

"Ich trinke eher selten Bier, und noch seltener verirrt sich Bierschaum auf meine Haut!"

Die Schreie der Verirrten sind jetzt nur noch schwach zu hören. Eine bestimmte Richtung ist schon gar nicht mehr auszumachen. Dafür Motorenlärm der Motorboote. Direkt von vorn.

Wellenglucksen zu unseren Füßen, über unseren Köpfen zwirbelt sich Himmelsblau in ferne Höhen.

Kühler Sonnenschatten, fast fröstelnd schon. 

"Weshalb haben wir eigentlich nicht geheiratet?"

"Die Parkplätze waren alle belegt. Oder abgesperrt, mit rotweißem Plastikband, wegen irgendeiner Demo, ich glaube, gegen Schmetterlinge."

Dort in der Ferne, im Dunst, immer noch dieselbe Welt. Ich bin dort gewesen, am anderen Ende, schaute verkehrt herum und fand es klasse. Doch nun lassen die weißen Segel meine Schuhe noch dreckiger erscheinen. Der See mit seinem Wasser könnte sie reinigen und waschen. Er wollte sie schon immer sauber sehen, hat sich stets bemüht, doch seit einiger Zeit ist er nur noch stoischer Beobachter. Er wartet. Seine Geduld fast schon enervierend, und doch so tröstlich. Ich schlage die Stola dieses stummen Trostes um meine nackten, narbenübersäten Schultern und möchte etwas sagen. Doch der See plätschert mir ein leises "pssssst" in die Sinne.




Donnerstag, 23. August 2012

Salty Time



Ich möchte  mich in Worte kuscheln, an Bildern irre werden und Musik verschlingen bis die Explosionsfetzen davonfliegen wie Galaxien in ein zuckendes Universum. Liegst irgendwo rum, nackt und willig, doch ich weiß nicht, wo. Und wenn ich´s wüßte würde es mir den Verstand durchbrennen wie eine Acetylenflamme die Aluminumfolie meines Gedankenschutzhelms. Ein Wasserfall aus lauter ausserirdischen Körpern, schwarz und multigliedrig, mit beruhigendem Rauschen den Bombenschächten entweichend, grünen Wiesen und gelbem Weizen entgegensinkend. Ich wende das Gesicht ab und lese schreiend mathematische Formeln aus meiner uralten Formelsammlung vor, mein Speichel sprüht und klatscht gegen den schwarzen Grabstein, doch nichts geschieht.

Doch. Jetzt bricht der Grabstein ab und taumelt wie in Zeitlupe in die Tiefe, schnell kleiner werdend. Den Platscher, wenn er in den Ozean aus Zeit knallt werde ich hier oben nicht hören, doch vielleicht sehe ich ihn als kurzes Aufblitzen der Gischt in der Abendsonne. Ich beuge mich vor und schreie ihm noch drei Feldgleichungen hinterher bis der Wind mir einen dünnen Speichelfaden von den Lippen weht. Zum Glück dachte ich an die Kühlbox mit dem Bier. Ich klappe den Deckel zurück und hole mir eine kühle Flasche heraus. Ich haue den Kronkorken an der Kühlboxkante ab, auch er verschwindet taumelnd in der Tiefe, merkwürdig langsam. Am Horizont die schwarzgegliederten Wasserfälle, fast verborgen hinter blauem Dunst. Ich proste dem Himmel zu und leere die erste Flasche.

Zeit im Überfluß, doch wie das Salzwasser im Meer ungenießbar. Milliarden und Billionen Jahre, doch unser ist nur der Regen, winzige Zeitropfen, die wir begierig mit hohler Hand auffangen um unsere Lippen zu benetzen derweil die salzige Zeit brandet und wütet gegen blutige Klippen.

Mittwoch, 8. August 2012

Samstag, 4. August 2012

Lieblingsgetränke der Deutschen, schreiend im Weltall


 Heute: Bier (beim Gedanken, dass der nächstgelegene Bayer 13 Billionen Kilometer entfernt ist)


















Donnerstag, 2. August 2012

Der kleine Asteroid

Die Kilometer jagen unter Namensuchmanns Auto hindurch, doch nur fernes Rauschen und leises Summen zeugen von der Abwesenheit des Stillstands. Die Uhr zeigt 0:32 Uhr. Die Scheinwerfer schneiden gierige weiße Kegel in die samtene Dunkelheit.

"Jetzt ist der Zeitpunkt", überlegt sich Namensuchmann. 

Jede Nacht um 0:32 Uhr springt die alte amerikanische Stereoanlage in seinem Schlafzimmer an, um dann um 2:32 Uhr wieder zu verstummen. Sämtliche Versuche, die Timerfunktion auszuschalten waren fehlgeschlagen, denn eine Gebrauchsanweisung lag nicht bei, als sie in der Umzugskiste aus New York angekommen war.
Natürlich ist es jetzt dunkel in dem Haus, denn Namensuchmann ist unterwegs. Er beugt sich etwas vor, um über das Lenkrad gekrümmt steiler in den Himmel schauen zu können. Dort ist Polaris, der Nordstern, also fährt er nach Norden, zumindest so viel ist klar. Irgendwo hinter ihm, südwärts, leuchtet der Mond hell am Himmel. Zu Hause scheint er jetzt durch das Fenster in das Schlafzimmer, füllt es aus mit seinem Schein, vermischt mit dem Glimmen der grün-gelb-roten Kontrollleuchten der Musikanlage. 
Der Moderator im Autoradio kündigt Mike and the Mechanics an, A Beggar on a Beach of Gold. Es ist derselbe Sender, der auch zu Hause eingestellt ist. "I´m a beggar, I´m sittin´ on a beach of gold", singt jetzt Mike Rutherford in dem stillen, dunklen Haus. Ob sich Gespenster versammeln zu jenen Nachtstunden, fahlgrün und rot angestrahlt von den Kontrollleuchten, um stumm und dumm den Liedern und schrägen Witzen des Moderators zu lauschen? Wie klingen Lieder, wenn niemand sie hört?

Jedes Mal, wenn Namensuchmann darüber nachdenkt, fühlt er sich an das leise Summen des kleinen schwarzen Steins erinnert, der irgendwo draußen zwischen Epsilon Eridanii und Mira durch das Weltall trieb. Schwarz wie das Universum selbst und mit der kleinen Schramme, die entstanden war als Namensuchmann damit seine Bierflasche geöffnet hatte.

"Seltsam", denkt sich Namensuchmann, während er zum überholen eines holländischen Kühllasters ansetzt, "warum habe ich den Stein nicht mitgebracht?"

Mit einer achtlosen Handbewegung hatte er ihn in die dunkle Schwerelosigkeit geschnippt, hatte ihn auf die lange Reise nach Hause geschickt, in Richtung Terra, System Sol. In knapp achthundert Millionen Jahren wird er dort, bzw. hier eintreffen, wenn die Erde ihre letzten heissen Atemzüge keucht und die Sonne breit und feist und heiß am Himmel hängen wird. Namensuchmann wird auf den Stein warten. Lauschend. Sein leises Summen ist schließlich schon zu hören.


Donnerstag, 19. Juli 2012

Prominente der Zeitgeschichte, schreiend im Weltall

Heute: Angela Merkel 
(beim Versuch, das Universum auf ihr Schamdreieck aufmerksam zu machen)

















Montag, 9. Juli 2012

Der kluge Hausmann weiß Rat



Namensuchmann: Kluger Hausmann, seit einiger Zeit bin ich gar seltsamen Empfindungen ausgesetzt, die ich nicht so recht einordnen kann. Mal herrscht in meinem Kopf ein Gefühl feuchter Erdigkeit oder manchmal auch heißer Steinigkeit vor, dann wieder das genaue Gegenteil: luftige Schwerelosigkeit, blauschwarze Leere, Weite. Woher kommt das?

Kluger Hausmann:  Hm...sind diese Empfindungen an bestimmte Tageszeiten gebunden?

Namensuchmann (nach reiflicher und angestrengter Überlegung): Tatsächlich, jetzt wo Sie es sagen, fällt es mir erst auf: die erdigen Empfindungen habe ich meistens morgens, die schwebenden eher nachmittags und abends.

Kluger Hausmann: Bitte versuchen Sie, sich genau zu erinnern: die Wechsel dieser diametralen Empfindungen, finden die möglicherweise stets um den Mittag herum und um Mitternacht statt?

Namensuchmann (wieder nach konzentrierter Überlegung): Hol mich der Teufel, ja! Ich könnte quasi eine Uhr danach stellen. Die Wechsel finden stets um zwölf Uhr mittags und um Mitternacht statt. Im Sommer allerdings eine Stunde später. Was hat das zu bedeuten? Nun sagen Sie´s schon!

Kluger Hausmann: Eine Kleinigkeit noch, ehe ich zu einer abschließenden Beurteilung ihrer Frage kommen kann: Wie lange spüren Sie diese Empfindungen denn schon?

Namensuchmann: Ich bin mir nicht sicher, aber ich denke, ein paar Jahre könnten es schon sein. Genau kann ich es nicht sagen, ich erlebe zuweilen seltsame Geschichten, die ihre eigenen Zeitabläufe besitzen. Dadurch leidet dann mein Gefühl für die ortsübliche Zeit, die man gemeinhin in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aufteilt und die normalerweise ja als ziemlich stet und verlässlich gilt.

Kluger Hausmann: Und als diese Empfindungen vor, sagen wir einfach mal ein paar Jahren, einsetzten, kamen da gleichzeitig auch andere starke Gefühle über Sie? Ich denke z.B. an Liebe, Hass, große Sehnsucht oder Wut?

Namensuchmann (kratzt sich erst an der Schläfe und reibt sich dann ein Auge): Hm, tatsächlich, stimmt, allerdings ohne Hass und ohne Wut.

Kluger Hausmann: Dann ist der Fall klar. Sie sind ein Opfer der Psychotisch Astralen Kognitionsvelocität. Daher habe ich eine gute und eine schlechte Nachricht für Sie. Welche wollen Sie zuerst hören?

Namensuchmann: Die schlechte!

Kluger Hausmann: Die PAK ist unheilbar.

Namensuchmann (schluckt): Und die gute Nachricht?

Kluger Hausmann: Die PAK ist nicht tödlich, ja sie ist genaugenommen noch nicht einmal eine Krankheit. Sie ist eher eine Manifestation gewisser physikalischer Gegebenheiten beziehungsweise Wechselwirkungen. Es gibt allerdings Maßnahmen mit welchen man die Symptome abschwächen oder sogar ganz unterdrücken kann. Aber der Reihe nach:
Wenn Ihr Gehirn arbeitet, und das tut es praktisch immer, auch im Schlaf, dann bilden die elektrischen Ströme und Entladungen Ihrer Synapsen ein für Ihre Persönlichkeit spezifisches Muster in der Raumzeit, an das sich freie Fäden unserer kognitiven Wirklichkeit anlagern, ganz ähnlich nächtlichem Tau der an den Maschen aufgehängter Fischernetze kondensiert. Das ist ein durchaus erwünschter Effekt und kein Grund zur Beunruhigung. Denn diese Taufäden bilden wiederum ein neues Gerüst, an dem sich weitere quasidenkfähige Manifestationen unseres Universums anlagern. So entsteht eine Art Persönlichkeitswolke, welche die Größe unserer Köpfe leicht übertreffen kann, für gewöhnliche optische Rezeptoren aber unsichtbar ist. In diese Wolke können sogar aktive Denkprozesse bzw. Empfindungsreaktionen ausgelagert werden, die vom denkenden Subjekt aber ohne jeden Zweifel als im Gehirn selbst stattfindend eingestuft würden. Tatsächlich  handelt es sich aber um Cloud-Thinking.
Im Normalfall ist diese Persönlichkeitswolke kaum größer als Ihr Kopf. Doch sie kann auf die hundert- oder gar tausendfache Größe anschwellen, je nach dem, wie stark Ihre wie auch immer gearteten Empfindungen sind.

(Es tritt eine kleine Pause ein, in welcher nicht gesprochen wird)

Namensuchmann: Und weiter?

Kluger Hausmann: Achso, ja.  Sie wissen vielleicht, dass sich die Erde in 24 Stunden um sich selbst dreht und dabei mit fast 30 Kilometern pro Sekunde um die Sonne wandert?

Namensuchmann: Ja, natürlich.

Kluger Hausmann: Ach wirklich? Nun, 30 Kilometer pro Sekunde sind ganz schön schnell. Noch ehe Sie einmal Kluger Hausmann sagen können ist der Ort, an dem sich eben noch ihr Kopf befunden hat, bereits 30 Kilometer entfernt. Je größer nun Ihre Persönlichkeitswolke ist, desto stärker wird sie durch die Geschwindigkeit der Erde in die Länge gezogen, ähnlich dem Schweif eines Kometen. Zwischen Mitternacht und zwölf Uhr Mittags befinden Sie sich auf der Seite der Erde, die in Flugrichtung liegt. Ihr Persönlichkeitsschweif erstreckt sich dann also direkt in die Erde hinein, in Mergel, Tuff und Schiefer; daher die erdigen Empfindungen. Um zwölf Uhr mittags hingegen wandern Sie infolge der Erddrehung auf die Seite der Erde, die der Flugrichtung abgewandt ist, Ihr Schweif weist dann also in den Weltraum hinaus, daher die leichten, schwebenden Eindrücke von Leere und Weite.

Namensuchmann: Und was kann ich nun dagegen tun?

Kluger Hausmann: Tragen Sie einen Helm aus Alufolie. Das Metall hindert die Wolke an ihrer Ausbreitung. Allerdings entledigen Sie sich damit selbst vieler charakteristischer Komponenten Ihres Selbst. Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf: lassen Sie´s. Genießen Sie die Weite des Alls und den warmen erdigen Hauch der Erde.

Namensuchmann: Das ist ja eine hochinteressante Geschichte, darauf muss ich erst mal was trinken und ausgiebig nachdenken. Aber eine Frage noch: hat dieses Mergelgestein irgendetwas zu tun mit dem Adjektiv "ausgemergelt"?

Kluger Hausmann: Mergel besteht zum einen aus Kalk, zum anderen aus Silikaten. Will man nun einen Sumpf oder ein Moor für die Landwirtschaft nutzbar machen, bringt man große Mengen Mergel in den Boden ein. Dadurch wird er einerseits stabilisiert für die maschinelle Bearbeitung, andererseits sorgt der Kalkanteil des Mergels für eine Reduzierung des pH-Wertes, denn Moorböden sind von natur aus sehr sauer. Da der Mergel aber keinerlei Nährstoffe beinhaltet, sind die Böden ohne zusätzliche klassische Düngung bald ausgelaugt. Eben "ausgemergelt".

Namensuchmann: Vielen Dank, Kluger Hausmann!


Dienstag, 3. Juli 2012

Stars der Filmgeschichte, schreiend im Weltall




Heute: Boris Karloff  (1887 - 1969)

















Notiz an mich: Ägyptische Antikenverwaltung kontaktieren wegen Überlassung einer Mumie. Am besten Tut-ench-Amun oder Ramses II. Dann NASA oder ESA anfragen wegen Transport der Mumie in eine niedrige Erdumlaufbahn. Dort Freisetzung der Mumie und kontrollierter Wiedereintritt in Erdumlaufbahn, sodass sie nachts am Himmel über Luxor verglüht. Mittels Wackelkamera dokumentieren und auf Youtube laden. Alternativ Ötzi hochschießen und verglühen lassen.

Dienstag, 19. Juni 2012

Die 25 Winde



Der junge Sprachforscher ist entzückt, die Insulaner kennen 25 verschiedene Wörter für Wind.

"Da muss ich hin", denkt sich Namensuchmann, klappt das Nachrichtenmagazin für einen Augenblick zu und beschließt vor Begeisterung einen Extraherzschlag einzulegen, vielleicht in der nächsten Stunde oder der übernächsten. Vielleicht auch erst morgen früh, noch vor dem ersten Licht, wenn man bangend im Bett liegt und weiß, jeden Moment fängt der erste Vogel an zu singen, gleich geht´s los, noch ist es friedvoll und ruhig, todesruhig, schlafruhig. Hat noch ein Extraherzschlag platz? Reicht es noch? Sag an, Herz, wollen wir es wagen? Einen Schlag, so zwischendurch, ausser der Reihe, nur einen, damit es nicht zuviele werden am Ende und eine vorwitzige Meise dazwischenträllert. Bum-Bummm. Ja, so ist es gut, ein schöner Herzschlag, der Aufregung würdig, Namensuchmann fühlt sich erlöst, hat den Absonderlichkeiten dieser Welt und den 25 Winden der Südsee seinen Tribut entrichtet an diesem dunklen Montagmorgen, als weit entfernt der erste Vogelruf ertönt und wie eine Axt eindringt in die Gegenwart und die Nacht zu einem Floß macht das unaufhaltsam in die Strömung driftet. Gut ist es, wenn da niemand steht auf diesem Floß und winkt. Es muss leer sein und öde.

Ein Dialekt auf Vanikoro, einer kleinen Insel des Salomonen-Archipels, wird nur noch von einem einzigen alten Mann gesprochen. Der Sprachforscher zeichnet seine Erzählungen auf, genauso wie er die Erzählungen der Mutter des Alten vor einigen Jahren aufgezeichnet hat. Sie ist im Alter von 104 Jahren gestorben, auf dieser Insel, wo die Palmen sich über weisse Sandstrände beugen und die Wellen draußen über die Riffe branden unter einem stahlblauen Himmel der einem die Seele aus dem Rückgrat zu ziehen droht wenn man zu lange verweilt an ein und derselben Stelle.

"Aber vielleicht", denkt sich Namensuchmann, "vielleicht bilde ich mir das alles nur ein und man kann dort unter diesem Himmel stehen für Stunden oder sogar Tage, ohne dass einem die Seele aus dem Körper gesogen wird. Vielleicht dringen die blauen Wirbel nur oberflächlich in den Körper ein sodass es vollauf genügt, sich nur ein Ohr abzuschneiden."

"Wie kommt es, dass Ihr für dieselben Dinge andere Wörter habt als die Menschen im Nachbardorf?", will der junge Sprachforscher von dem alten Mann wissen. 

"Manchmal ist es gut, wenn die nicht verstehen, was man spricht", meint der alte Mann. 

"Na toll." Ein tiefer Seufzer der Enttäuschung entringt sich Namensuchmanns Kehle. "25 Wörter für Wind, aber Heimlichtuerei, Misstrauen und Kirchtumbräsigkeit. Ein Paradies in der Südsee, aber Sprache als Instrument der Ausgrenzung und Intrige."

Namensuchmann übergibt sich in den schwarzen Baueimer, der für solche Gelegenheiten neben dem Bett steht. Es ist eine Meise, die draußen den Morgen herbeiträllert. Und mittlerweile hat auch eine Amsel mit eingestimmt. Das Floß ist fast schon ausser Sicht, von Helligkeit verdeckt. Etwas bewegt sich darauf, wars ein Winken, oder nur der Wind?


Montag, 18. Juni 2012

Die gute Tat


Meine gute Tat heute war die Rettung eines Silberfischchens aus der Dusche. Niemandem sollte zugemutet werden, von tosenden Wassermassen in einen gurgelnden dunklen Schlund gespült zu werden. Und was du nicht willst das man dir antut, das tue keinem anderen an. Ich ließ es also in eine leere Klopapierpapprolle klettern und legte diese dann auf den Aussensims des Badezimmerfensters.
Dafür dann beim Joggen im Wald eine Stechmücke totgeschlagen. Nicht reflexhaft, nein, geplant und wohlüberlegt. Ich sah das Vieh auf meinem Unterarm, wie es gerade dabei war, seinen Rüssel in meine Haut zu stechen. Ich hob den Arm etwas an, um einen besseren Schlagwinkel zu bekommen und schlug mit der anderen Hand gemessen und wohlgezielt zu. Aber nicht allzu fest. Denn wenn der Rüssel erst einmal in der Haut steckt können diese Plagegeister nicht mehr so schnell durchstarten. Das Ding muss ja erstmal wieder herausgezogen werden, ähnlich wie beim Sex. Da läuft man ja auch ständig Gefahr, totgeschlagen zu werden weil man nicht rechtzeitig zur Seite springen oder Verteidigungshaltung einnehmen kann. Nach dem Schlag wischte ich mit der Hand ein wenig zur Seite, um die Stechmücke zu Matsch zu zerreiben, falls sie den Schlag überlebt haben sollte. Übrig blieb ein schwarzer Schmierklumpen. Es fühlte sich gut an. Eine wohlige Erfahrung. Und völlig ohne schlechtes Gewissen; was ja schon mal ein guter Anfang ist auf dem Weg zur Buddhawerdung. Nur mit dem dicken Bauch werde ich noch meine Schwierigkeiten haben, dafür klettere ich einfach zu gerne auf Bäume und renne zu oft durch Wälder und apokalyptische Traumlandschaften, die fast schon wieder arkadisch anmuten in ihrem pittoresken Verfall.



Dienstag, 12. Juni 2012

Astronomische Ereignisse, die es nicht in die Medien schaffen



Heute: Solarer Arschtransit


















Der nächste von Mitteleuropa aus zu beobachtende Arschtransit findet leider erst wieder in siebzehn Quadrillionen Jahren statt. Ein lunarer Arschtransit ist allerdings schon nächsten Monat zu beobachten, d.h. Arsch wird dann zwischen Erde und Mond hindurchwandern. Die Sichtbarkeit beschränkt sich allerdings auf die Kurilen, Ozeanien und die Westküste Südamerikas.





Dienstag, 5. Juni 2012

Schockstarre



Manchmal liest oder hört man etwas und ist anschließend dann tagelang, wochenlang, gelähmt, geschockt, desillusioniert, euphorisiert oder einfach total irre. An schreiben oder zeichnen ist nicht zu denken. Wozu auch, wenn es solche Wunder schon gibt?

William Butler Yeats

 „Hätt ich des Himmels bestickte Kleider,
Durchwirkt mit goldnem und silbernem Licht,
Die blauen, matten und dunklen Kleider,
Der Nacht, des Tages und des halben Lichts,
Ich legte sie zu deinen Füßen aus:
Doch ich bin arm, hab nur meine Träume,
Die lege ich zu deinen Füßen aus,
Tritt sanft, du trittst auf meine Träume.“

Dabei wurde ich völlig unvorbereitet getroffen, aus heiterem Himmel sozusagen, ohne Vorwarnung. Ich schaute im TV den Film "Equilibrium", als das Gedicht zitiert wurde, allerdings leicht abgewandelt, aber nicht weniger mächtig:

„Doch weil ich arm bin,
habe ich nur meine Träume.
Die Träume breite ich aus vor deinen Füßen.
Tritt leicht darauf,
Du trittst auf meine Träume.“

Queequeg warf seine Knöchelchen und erstarrte. 




Donnerstag, 24. Mai 2012

Prominente der Zeitgeschichte, schreiend im Weltall

Heute: Norbert Röttgen beim Versuch, das Universum von seinen Aufgaben zu entbinden (und dabei hinter zwei marodierende Leukoplaststreifen geratend)


















Donnerstag, 10. Mai 2012

Der kluge Hausmann weiß Rat




Frage: Kluger Hausmann, mein Problem mag Dir im Vergleich mit dem ganzen Unrecht auf der Welt vielleicht etwas albern und bedeutungslos erscheinen, aber ich weiß mir wirklich nicht mehr zu helfen.

Kluger Hausmann: Nur wenn wir unsere Probleme im Kleinen lösen, können wir auch die Probleme der Welt angehen. Wo drückt denn der Schuh?

...: Ach, seit mein kleiner Engel mit diesem riesigen Zombie angekommen ist halte ich es in meinem Haus kaum noch aus. Anfangs ging es ja noch recht gut, doch der Zombie stinkt bestialisch, und es wird immer schlimmer. Ich möchte ihn aber nur ungern entsorgen müssen oder fortjagen, der Engel hängt so sehr an ihm! Was soll ich nur tun?

Kluger Hausmann: Au weia, das ist ganz bestimmt arg gewöhnungsbedürftig, so ein Gestank. Um was für eine Art Zombie handelt es sich denn?

...: Hm?

Kluger Hausmann: Wenn ich einen brauchbaren Rat geben soll, muss ich natürlich wissen, um was für eine Art von Zombie es sich handelt. Ist es ein I-Zombie, ein L-Zombie oder ein S-Zombie?

...: Ich fürchte, ich kenne mich da nicht so gut aus. Wo ist denn der Unterschied?

Kluger Hausmann: Nun, es gibt die sogenannten Infektions-Zombies, die Lethal-Zombies und zu guter letzt auch noch die Simulanten-Zombies. Ein Infektions-Zombie ist im Grunde nichts anderes als ein kranker Mensch, der durch bakteriologische bzw. physiologische Zerfallsprozesse zu einem willen- und geistlosen Monstrum geworden ist. Bei einem solchen Zombie rührt der Gestank einzig und allein von mangelnder Körperhygiene her, denn seine Säfte und sein Gewebe sind noch am Leben. Ein Bad oder eine Dusche ab und zu, und das Problem dürfte gelöst sein.
Schwieriger  wird es allerdings, wenn Ihr Zombie ein sogenannter Lethal-Zombie ist. Denn das würde bedeuten, dass wir es im wahrsten Sinne des Wortes mit einer Leiche zu tun haben, die natürlich allen nur denkbaren Verwesungsprozessen unterworfen ist. Verliert Ihr Zombie denn Fleisch- oder Gewebestücke? Oder sind Ihnen schwerwiegende Verletzungen oder unverheilte Stümpfe von Gliedmaßen aufgefallen?

...: Nun, sein linkes Auge baumelt nur noch am Sehnerv neben seiner Nase und aus der leeren Höhle läuft ununterbrochen eine braungelbe stinkende Flüssigkeit. Und neulich, als ich auf der Leiter stand und er an mir vorüberging mit meinem Engel auf seinem Kopf, da konnte ich für einen kurzen Augenblick durch seinen Kopf hindurchgucken. Ich meine, ich konnte in das eine Ohr rein und zum anderen Ohr hinausschauen, als wäre gar nichts dazwischen. Das ist doch nicht normal, oder?

Kluger Hausmann: Hm, ist Ihnen sonst noch etwas aufgefallen?

...: Ja, die Kopfhaut des Zombies ist mit etlichen Klammern an seinem Schädel festgetackert, allerdings mit einigem Faltenwurf, daher ist es mir überhaupt erst aufgefallen. Was hat das zu bedeuten?

Kluger Hausmann: Nun, das bedeutet vermutlich, dass der Zombie durch eine Kopfverletzung sein Gehirn verloren hat. Um ihn weiter benutzen zu können und um einer unauffälligen Ästhetik willen wurde der Schaden notdürftig mit einem Tacker wieder geflickt. Das kommt gar nicht so selten vor. Doch was Ihre Frage betrifft dürfte der Fall klar sein: Sie besitzen einen Lethal-Zombie. Wie Sie sich jetzt sicher schon denken können ist sein Gestank immanent, das heißt ein fundamentaler Aspekt seines Zombieseins, und dem ist leider nicht so leicht beizukommen. Falls Sie Ihrem Zombie weiterhin Zugang in Ihr Haus gewähren wollen werden Sie nicht umhin kommen, ihn luftdicht zu verpacken. Fürs erste können Sie es natürlich mit mehreren Lagen Frischhaltefolie versuchen. Diese muss aber sehr eng und fest gewickelt werden; ein Vorgang, der einige Zeit in Anspruch nimmt und auf den mancher Zombie zuweilen etwas unwirsch reagiert. Ich empfehle  daher einen Gang zum Fachhändler für Zombiebedarf. Dort gibt es luftdichte Zombiehüllen aus reissfestem Kevlargewebe in allen Variationen was Größe, Form und Färbung betrifft; neuerdings sogar mit Fruchtaroma.

...: Aber wie ernährt er sich dann, wenn er luftdicht verpackt ist? Und ist das überhaupt human?

Kluger Hausmann: Wir sollten nicht allzu viele unserer Vorstellungen auf Zombies übertragen. Empfindungen wie Platzangst oder Beklemmung infolge der Verpackung sind ihnen fremd. Schauen Sie sich nur Ihren eigenen Zombie an, er hat ja nicht mal mehr ein Gehirn. 

...: Ja, das stimmt natürlich. Aber irgendwie muss er doch seine Bewegungen koordinieren? Schließlich ist er recht gut zu Fuß, manchmal begleitet er mich sogar beim Joggen.

Kluger Hausmann: Das trifft sich ja hervorragend. Jede Zombiehülle verfügt nämlich über ein Ventil, über welches von Zeit zu Zeit der entstehende Überdruck durch die Verwesungsgase abgelassen werden muss. Das können Sie ja dann draußen in freier Natur erledigen.

...: Aber die Ernährung?

Kluger Hausmann: Zombies brauchen viel weniger Nahrung als gemeinhin angenommen wird. Tatsächlich benötigen sie praktisch überhaupt keine Zufuhr von Nährstoffen. Ihre sprichwörtliche Gier nach Gehirnen und frischem menschlichen Gewebe ist lediglich ein Reflex, hervorgerufen durch eine Art Hintergrundrauschen ihrer Verbindung in eine parallele Raumzeit, wo sich stets ein spiegelbildlich an Demenz erkranktes Alien befindet.

(Der Fragesteller beginnt sich nun unwohl auf seinem Stuhl zu winden und schaut demonstrativ auf seine Armbanduhr)

...: Äh...ja, vielen Dank! Ich würde das wirklich noch gerne vertiefen, aber ich habe leider gleich noch einen Termin am anderen Ende der Stadt. Sie haben mir sehr geholfen, Kluger Hausmann.

(geht ab)

Kluger Hausmann: Gerne! (die Stimme erhebend und dem Besucher nachrufend): Und nächstes Mal erkläre ich Ihnen noch, was es mit den Simulantenzombies auf sich hat!





Montag, 7. Mai 2012

Prominente der Zeitgeschichte, schreiend im Weltall



Heute: Angela Merkel
(beim Versuch, einen Rettungsschirm aufzuspannen über Epsilon Eridani)



















Freitag, 4. Mai 2012

Die Untersuchung



"So so, Schmerzen im Oberbauch, seit wann denn?"

Der Arzt ordnete drei Blatt sehr sparsam beschrifteter DIN A 4 Bogen in immer neuen Reihenfolgen, doch so sehr er sich auch bemühte, er konnte keine weiteren Informationen über Namensuchmann finden ausser drei langen Reihen neins auf den Fragebögen nach Medikamentenabhänigkeiten, chronischen Erkrankungen und diversen Allergien.

"Eigentlich keine Schmerzen, nur so ein seltsames Gefühl, als würde sich da etwas tun", meinte Namensuchmann vorsichtig, während er an dem runden Gesicht des Arztes vorbeischaute und den Blick durch das dahinterliegende Fenster nach draußen wandern ließ. Es war ein sehr sauberes Fenster mit sehr weißen Gardinen.

"Aha", murmelte der Arzt und rückte sich seine randlose Brille zurecht ohne dabei den Blick von den Papieren zu erheben. Mit seiner rechten Hand tastete er unter dem Schreibtisch nach dem roten Knopf und drückte ihn. Namensuchmanns Stuhl kippte nach hinten und schräg hinein in ein großes quadratisches Loch, das sich unmittelbar zuvor lautlos geöffnet hatte. Er rutschte durch eine lange, dunkle, aber angenehm glatte Röhre von etwa einem Meter Durchmesser geschätzte zwanzig Meter in die Tiefe. Unten machte die Röhre eine Biegung und sorgte somit für eine schmerzfreie Verzögerung des am Anfang freien Falls. Mit nun eher mäßiger Geschwindigkeit durchlief Namensuchmann eine Station mit rotierenden Metallarmen, die ihn vollständig in Frischhaltefolie einwickelten. Sofort spürte er eine angenehme Verringerung jeden Alterungsprozesses. Dann folgte der gierige, kreisrunde Rachen eines Computertomographen, den er mehrmals durchflitzte wie das Schiffchen einen Webstuhl. Jedes Mal, wenn er den Tomographen am anderen Ende kurz verließ konnte er einen flüchtigen Blick erhaschen auf die große Glasscheibe, die den Untersuchungsraum vom dahinterliegenden Kontrollraum trennte. Zuerst sah er nur die beiden Handflächen, die von der anderen Seite parallel und in Kopfhöhe dagegengepresst wurden. Wie magisch zogen diese Handflächen seinen Blick auf sich, doch nach den ersten Durchläufen durch diese seltsame Maschine zwang sich Namensuchmann, auch auf die anderen Dinge dahinter zu achten. Er erkannte die Silhouette einer offensichtlich nackten Frau, die ein weißes Schwesternhäubchen über ihren kastanienbraunen, zu einem Dutt geflochtenen Haaren trug. Sie schien völlig bewegungslos mit ihren Händen an der Scheibe zu kleben.
Da die Frischaltefolie Namensuchmann auch über das Gesicht reichte begann er Überlegungen anzustellen, wann er wohl das Bedürfnis zu atmen verspüren würde. Vor diesem Moment begann er sich nun zu gruseln, als ein beunruhigendes Vibrieren, fast schon ein Rütteln, den Tomographen erfasste. Namensuchmanns lineare Pendelbewegung kam genau dann zum Stillstand, als er sich ausserhalb der Röhre und mit Blick auf die Glasscheibe befand. Das Vibrieren dauerte jedoch weiter an, nun auch noch angereichert mit dumpfen Schlägen, als ob irgendwo in der Tiefe ein Stahlträger gegen ein ausser Kontrolle geratenes Zahnrad schlagen würde.
Wegen der Folie war Namensuchmann völlig hilflos und konnte daher nichts anderes tun als sich der Beobachtung der nackten Schwester hinter der Glasscheibe zu widmen, glücklicherweise war sein Kopf zufällig in die richtige Richtung gedreht.
Nun, da er die Szenerie ohne Unterbrechung beobachten konnte, sah er, dass sie keineswegs so statisch war wie er anfangs gedacht hatte. Die Abdrücke der Handflächen wurden abwechselnd heller und breiter, dann wieder dunkler und schmaler. Heller und breiter, dunkler und schmaler. In demselben Rhythmus klatschten auch die Brüste der Medizinisch Technischen Angestellten von hinten gegen die Scheibe. Das war Namensuchmann zuvor gar nicht aufgefallen, da er sich zum Zeitpunkt der Busenklatscher stets schon wieder auf dem Rückweg in die Röhre befunden hatte. Hinter der Frau, stehend und ganz in weiß gekleidet, konnte Namensuchmann eine größere Gestalt erkennen, offensichtlich ein männliches Exemplar der Gattung Mensch, mit dunklen Haaren und einer großen Brille, in der sich die bunten Lichter des Kontrollpultes spiegelten.
Während ihre Brüste weiterhin rhythmisch gegen die Scheibe klatschten ließ die nackte Frau eine ihrer Hände nach unten wandern, wo sie offensichtlich nach etwas tastete, das sich unterhalb der Glasscheibe befinden musste. Die Hand kam wieder hoch und umklammerte ein dickes altmodisches Mikrophon. Die Frau versuchte, hineinzusprechen, aber das erwies sich als gar nicht so einfach, das Mikrophon schlug mehrfach heftig gegen die Scheibe.

"Kein Grund.... klatsch klatsch ...völlig normal unter diesen... klatsch peng....die Untersuchung wird sofort.... peng klatsch ....fortgeführt. Bitte bewahren Sie...klatsch klatsch...."

Mit dem Geräusch des letzten Klatschers im Kopf und dem Bild kreisrunder Brüste die gegen eine Scheibe gepresst werden wurde Namensuchmann wieder in die Röhre gesogen. Doch anstatt die altvertraute Pendelbewegung wieder aufzunehmen schoß er durch den Tomographen hindurch und wurde wieder nach oben gesaugt in das Sprechzimmer. Unterwegs wurde ihm von den metallenen Roboterarmen die Frischaltefolie vom Körper gerissen und seine zusammengepresste Kleidung zurechtgezupft. Binnen weniger Sekundenbruchteile stellte sich das unbehagliche Gefühl des Alterns wieder ein.
Der Stuhl ruckelte noch ein wenig, bis Namensuchmanns Gewicht wieder perfekt auf der Sitzfläche verteilt war. Auch die Rückenlehne drückte und zog noch etwas, bis auch Namenschuchmanns Haltung den neuesten orthopädischen Standards entsprach.

Der Arzt blickte noch immer nicht von seinen Papieren auf. Stattdessen drehte er sich zur Seite und besah sich ein seltsam buntes Foto auf einem ultradünnen Flachbildschirm.

"Hm...", sagte er. "Hm...."

 Namensuchmann nutzte die Pause, um sich auf seinem Stuhl umzudrehen und den Fußboden hinter sich zu betrachten. Die Fugen der Falltüre waren eindeutig zu sehen. Sogar die Aussparungen der Scharniere ließen sich erkennen. Er hatte also weder eine Halluzination noch einen Wachtraum gehabt.

"Hm...", sagte der Arzt nochmals. "Das ist wirklich erstaunlich. Wenn die Aufnahmen des CT stimmen, und davon gehe ich aus, denn das Gerät wurde vorige Woche erst gewartet, dann kollidieren in Ihrer Brust gerade zwei Galaxien. Eine Spiralgalaxie und eine Balkengalaxie, um genau zu sein. Der Durchdringungsgradient hat gerade sein Maximum erreicht, und ein besonders langes Gezeitenfilament erstreckt sich bis in Ihre linke Herzkammer. Ich nehme an, dieses Filament ist es, das in Ihnen das Gefühl hervorruft, dass sich `etwas tut´ in Ihrer Brust."

"Und nun?", fragte Namensuchmann.

"Um Himmels willen, ich bin doch kein Astronom", patzte der Arzt etwas zu laut für Namensuchmanns Geschmack. "Ich überweise Sie an die astronomische Fakultät der hiesigen Universität, dort wird man Ihnen sicher weiterhelfen. Ich bin Internist, kein Physiker!"

"Darf ich mir die Bilder mal ansehen?", fragte Namensuchmann und beugte sich etwas vor, um den Bildschirm etwas zu sich heranzudrehen.

"Sieht das nicht aus wie ein Buchstabe?", fragte er. "Dieses Filament hier, das in meine linke Herzkammer reicht. Es ist doch arg sonderbar geschwungen."

Der Arzt hob sich seine Brille über die Augen und  blinzelte auf den Monitor. 

"Na jaaa...kann schon sein. Ja....man könnte es durchaus für ein kleines d halten, finden Sie nicht auch?"

"Ja", sagte Namensuchmann, "Ein kleines d! Eindeutig."





Dienstag, 1. Mai 2012

Frühlingsmorgen



Es ist ein sonniger Morgen, bis zum Anschlag durchfüllt mit dieser klaren Frühlingsluft, welche die weit entfernten Baumwipfel vor optischer Schärfe leise klirren und flirren lässt. Die Tasse mit dem Matetee steht neben mir auf der Bank, auf meinem Schoß liegt das Magazin, das eben vom Postmann gebracht wurde. Auf dem Titel, wie nicht anders zu erwarten, der Aufhänger schlechthin in diesen Tagen: die Zombiepandemie. Skandinavien verloren, die ersten Untoten in Dänemark und Litauen gesichtet. Ich nehme einen großen Schluck aus meiner Lieblingsteetasse und blättere die ungewöhnlich dünne Ausgabe rasch nach hinten durch bis zum Kulturteil. Er ist kaum vorhanden und besteht lediglich aus der kurzen Filmkritik eines, achtung Ironie des Weltgeistes, Zombiefilms namens "Juan of the Dead". Der allerdings spielt auf Kuba und soll sehr witzig sein. Zombies und real existierender Sozialismus. Eigentlich wollte ich mir den schon längst ansehen, aber er läuft hier nicht. Weder hier noch in der weiteren Umgebung. Keine sehr gute Zeit für Zombiefilme, wenn die Realität sie einholt. Etwas kitzelt auf meinem Unterarm, ich vermute eines dieser winzigen Löwenzahnschirmchen, die um diese Jahreszeit überall herumfliegen. Ich schaue genauer hin und erkenne einen winzigen menschlichen Leichnam, seltsam durchsichtig und porös, daher leicht wie eine Schneeflocke. Er bewegt sich ruckartig und zuckend auf meiner Haut, daher das Kitzeln. Ich reibe mit meiner Hand darüber, zurück bleibt ein graugelber, pudriger Fleck, ähnlich dem Staub den ein Schmettlerlingsflügel hinterlässt bei Berührung. Ich schaue nach oben und beschatte meine Augen; die leichte Brise, die in der Höhe nur zu erahnen ist, trägt weitere winzige Gestalten vor der Sonne vorüber, wie die Saat einer neuen Zeit.

 

Dienstag, 24. April 2012

Was gezeichnet werden muss



Arsch im Weltall

Montag, 23. April 2012

Betrachtungen



Ich halte meine Hand in den Strom der Wirklichkeit. Danach glitzert und funkelt sie in allen Farben des Regenbogens. Winzige Funken sprühen vom Handrücken weg wie Miniaturseenotraketen und zerplatzen lautlos nach wenigen Zentimetern Flugstrecke. Ich hole meine dicke Lupe und schaue mir genauer an, wer denn eigentlich diese Raketen abfeuert. Doch ich sehe weder Eisberge noch rauchende Minischornsteine und schon gar keine Ertrinkenden, die in meiner irisierenden und halb durchsichtigen Haut schwimmen. Stattdessen kann ich fast durch meine wirklichkeitsgetränkte Hand hindurchschauen, aber nur fast. Irrlichternde Fünkchen und winzige, sich psychedelisch verdrehende Regenbogen mäandern an den schwach zu erkennenden Knochen entlang. Wie Galaxien im All.
Ich lege die Lupe wieder weg und balle die Hand zu einer Faust. Ich öffne sie wieder und lasse meine Finger eine wellenförmige Bewegung vollführen. Alles in Ordnung, weder Schmerzen noch irgendwelche motorischen Störungen. Da mir der Ingwer für meinen morgendlichen Matetee ausgegangen ist ziehe ich mir einen alten ledernen Handschuh an und schwinge mich auf mein Fahrrad.


Sonntag, 15. April 2012

Ausflug



Frohlockendes Geseufze, blöde Jeans.

"Ich verliere es"

"Nein, du musst es am unteren Ende festhalten, nicht oben"

Derweil schwingen die Stahlträger vorüber auf ihrem Weg in die Freiheit.
Die Aussicht ist grandios, der Blick fällt in eine Art Landschaftskuhle. Ein perfekt konkav geschwungenes Tal, frühlingsgrün und nicht abartig weit. Ich möchte wie Edgar Allen Poes Pendel des Todes über die Wiese schwingen, mit diesem leisen Hauch von Wucht und Geschwindigkeit in den Ohren, dabei Hummeln und Zitronenfaltern ausweichen um sie nicht übermäßig zu stören. Vielleicht könnte ich mein Pendelgeräusch auch eintauschen gegen ein sonores Hummelbrummen. Ich sehe den gegenüberliegenden Abhang des Tales, grasbewachsen, mit kaum wahrnehmbarer Riffelung durch die Kuhtritte. Der Blick strudelt sich zu einem Wirbel zusammen, kuschelt sich wohlig gurgelnd zu einem flirrenden Nest das sich perfekt in das Tal einschmiegt, nur unwesentlich kleiner.

Ich sehe meine Hände. Ich erahne meine Füße, die in meinen Schuhen stecken. Ich spüre den Wind, der um meinen Kopf weht. Das Blau des wolkenlosen Himmels und das satte Grün des Tales wollen sich nicht vermischen, an der Nahtstelle kommt es zu schwebenden Vibrationen, zu resonanzartigem, geradezu verbissenem Aneinanderschlagen das immer schneller wird und das ganze Panorama mit flirrenden, durchsichtigen Schlieren bedeckt. Und über allem das Gesumm einer Art örtlichen Vertretung dieser Perfektion, die mir jeden Tag ihre Fühler und Tentakel durch die Augen in das Gehirn und das Rückgrat hinab treibt.

"Gehen wir weiter?"

"Einen Moment noch, bitte"

Sie ist nicht hier. Sie ist woanders.




Sonntag, 8. April 2012

Dräuung




Ich lasse Brotkrumen fallen auf meinem Weg, doch sie sind so winzig, dass durch Quanteneffekte ihre Konturen im Rauschen der Umgebungsatome verschwimmen. A propos Rauschen:
In das Rauschen der Ausfallstraße eingewirkt die Gedanken der Autofahrer, wie Buchstaben einer fremden Sprache über den Lärmteppich hüpfend, dabei winzige Gischt produzierend. Muss man den Kosmos mit Informationen beschweren, wäre es nicht besser diesen Ballast einfach abzuwerfen? Droben dräuen die Informationswolken, unheilschwanger grau und zum Bersten prall, speckig glänzend. Doch ich vergaß, in meinem Erdloch einen Abfluss einzubauen. Fieberhaft und fast panisch grabe ich meine schrundigen und blutigen Finger in den Morast, schiebe den Auswurf nach draußen, wo Zombie und Engel ihn mir abnehmen und weitertransportieren. Wohin, weiß ich nicht, darüber haben wir nicht geredet. Im Grunde habe ich die beiden nicht mal angewiesen, mir beim Bau des Abflusses zu helfen, aber sie scheinen gemerkt zu haben, dass es mir irgendwie wichtig ist und prompt kamen sie angetorkelt als sie sahen wie ich den klumpigen Matsch aus meinem Loch hervorschob mit immer größerer Mühe. Denn der Haufen wurde immer größer und der Dreck rutschte fast genau so schnell wieder zu mir ins Loch wie ich ihn rausschob. Die Nagezähne schon sehr stattlich, die Vermullung bald abgeschlossen.




Mittwoch, 28. März 2012

Tee mit Brise



Über mir hoch im Baum weilt

Gottheit, starr und von Ästen durchdrungen.
My Goddess of Branches.
Wie leise ist dein Wimmern
ein Wehen nur, ein Flirren
Sehnsucht nach Poesie und sowas wie Frieden
wärmende Sonne auf blasser Winterhaut
kalter Morgenwind, Gedanken die taumeln
und stolpern über Zeitungsgeflatter und
Gänsehaut. Über mir hockt die Zeit, weit
zurückgelehnt und schwitzend.
Bist du Freund oder Feind?

"Ich bin wie du"

Sonntag, 18. März 2012

Brehms Tierleben, mit Entenscheisse nachgestellt

Heute: Flughörnchen (Pteromyini)




(die Darstellung eines Riesengleitbeutlers folgt baldmöglichst)

Donnerstag, 15. März 2012

Feierabend



Der Tag landete mit einem doppelten Rittberger vor meinen Füßen. Bevor er sich wieder aufrappeln konnte war ich schon über ihm und drückte ihm mein Knie ins Kreuz.

"Gibst du auf?" brüllte ich vornübergebeugt in sein Ohr.

"Nein, niemals!", keuchte er zurück. "Es sei denn du erzählst mir jetzt eine Story übers Brötchen holen in dieser seltsamen Backstube die du als deine Lieblingsbäckerei bezeichnest. Aber ohne zwischendurch zu jodeln"

"Was..." wollte ich gerade fragen und löste vor Verblüffung über das ungewöhnliche Begehr des unter mir wimmernden Tages ein wenig meinen Klammergriff. Das genügte dem Tag jedoch schon um sich herauszuwinden, aufzuspringen und in einer Wolke aus Staub und Asche davonzurennen. Ich hustete und fluchte und vollführte ohne zu Zögern eine Reihe von dreifachen Toeloops, doch von dem Tag war nichts mehr zu sehen. Der Staub und Dreck, den er bei seiner Flucht aufgewirbelt hatte, begann schon wieder in kräuselnden Spiralen dem Erdboden entgegenzusinken. Ein schönes Bild, dachte ich mir im Fluge und beschloss, es noch eine Weile auf mich wirken zu lassen.



Dienstag, 13. März 2012

Nach oben schauen


Heute kommen sich Jupiter und Venus am Abendhimmel am nächsten. Wer in den letzten Abenden bei klarem Himmel draußen war, kann die beiden Planeten am Westhimmel nicht übersehen haben. Der hellere der beiden ist Venus, der Abendstern. Ein Schwesterplanet der Erde, fast so groß, aber mit einer Atmosphäre aus Kohlendioxid und Schwefelsäure gesegnet die schwerer ist als alle irdischen Ozeane zusammen. Dazu eine Oberflächentemperatur von fast 500° Celsius. Eine Höllenwelt, strahlend weiß gleissend am Abendhimmel. Daneben Jupiter, viel größer als Venus, ein Monsterplanet, aber viel weiter weg, daher nicht ganz so hell strahlend. Ab morgen wird der Abstand zwischen den beiden am irdischen Abendhimmel wieder zunehmen, was schön zu beobachten sein wird.


Knapp darunter balkenförmige Gedankenstrukturen, an denen sich die Glücksmomente abseilen wie Frühlingsspinnen von der Wäscheleine. Oder wie Eliteeinheiten von ihren einschwebenden Helikoptern. Zwischen den verschwommenen Balken sowas wie blauer Himmel, oder Sehnsucht, oder Vakuum, völlig unbeeindruckt von den grobstolligen Sohlen und dem Kampfgebrüll.

Ich fand´s krautig in deinem Bett.

Hä? Was soll denn das bedeuten? Hatte doch extra die Bettwäsche gewechselt.

Asche. Sand. Vulkanismus und Feuer. Alles vereint zu infernalischen Mustern auf einem nackten Körper. Mondlicht, und das nicht zu knapp. Schlingpflanzen haben unter der Bettdecke nichts verloren.

Ich drehe und wickle mich. Ist dir das nicht recht?

Meine Hand berührt eine seufzende Stelle, mit Getöse bersten Balken und Gestein. Wie alles wegstrebt vom Hier ist schon äusserst seltsam. Wie ein Schlag mit einem verdorrten Ast ein Blick in die Zukunft. Doch zu weit geschaut, ein Elementarteilchen pro Kubiklichtjahr kann nicht mehr viel erzählen.

Freitag, 9. März 2012

Alternative Szenen der Weltliteratur, mit Entenscheisse nachgestellt

Heute: Besuch einer neugierigen Giraffe beim Kleinen Prinzen auf seinem Asteroiden. (Rechts im Hintergrund die kleine Magellansche Wolke, die in Wirklichkeit allerdings nicht aussieht wie ein Wurm mit Brille)


Dienstag, 6. März 2012

Abspann



Erbarmungslos, Unforgiven, ist ein Western von und mit Clint Eastwood. Er hat den Film 1992 nicht nur produziert, sondern führte auch Regie und spielte die Hauptrolle. In den Kategorien Bester Film, beste Regie und beste männliche Nebenrolle gab es sogar Oscars. Natürlich wird in dem Film tüchtig geballert und gestorben, aber was ihn so ganz aussergewöhnlich macht sind nicht die Oscars oder die gebrochene Ironie des Westerngenres, sondern ein Moment absoluter Schönheit, ein Moment von
Satori.

Man sitzt und schaut, und plötzlich zieht sich alles glatt, die Gegenwart ist nicht länger eine faltige Verwerfung zwischen gestern und morgen. Die Enge unseres eindimensionalen Zeitstrahls weitet sich auf zu einer Ebene ohne besondere Richtung. Man kann sich hinlegen, egal wie, auch quer zu Zukunft oder Vergangenheit, man kann nach oben blicken oder unten, man kann an Abendrot denken und Wind und den Nachhall von etwas das heilig ist und duftend.
Dieser Moment der Schönheit findet sich allerdings erst im Abspann des Films. Im Kino dürften ihn die wenigsten bemerkt haben, und selbst ein gestandener Abspannsitzenbleiber wird ihn leicht verpassen inmitten der Mantelanzieher und Sitzreihendrängler. In mich kam dieser Moment erst nur langsam eingeschlichen, anfangs unbemerkt, und doch ahnte ich sofort, dass irgendetwas passiert sein musste, dass irgendetwas anders geworden war. Ein Gefühl unverstellter, reiner Leere, bar jeden Ballastes, bar jeder Störung, unendlich Platz bietend ohne Zwang zur Befüllung.

Zu sehen ist ein weiter Horizont unter einem wolkig-blauen Abendhimmel. Das letzte Licht des Tages hat sich zurückgezogen zu einem schmalen rötlichen Streifen über dem Horizont. Aus dem dunklen Vordergrund ragt scherenschnittartig ein altes, windschiefes Farmhaus in die Höhe, kaum mehr als ein Schuppen. Rechts dahinter, direkt dem Horizont entwachsend, ein kahler Baum und drei Grabsteine, vor denen eine aufrechte Gestalt steht. Es ist William Munny, ein gealterter und ehemals berüchtigter Revolverheld, der vor dem Grab seiner Frau steht.
Das Bild wäre völlig statisch, wäre da nicht die Wäsche, die an einer gespannten Leine hängend im Abendwind flattert. Abendwind! Die herrlichste Manifestation bewegter Luft. Normalerweise erlahmt die Kraft des Windes wenn die Sonne untergeht und ihre Wärmestrahlen keine Thermiken und Turbulenzen mehr erzeugen. Weht der Wind aber trotzdem weiter oder frischt sogar noch auf, dann weiß man, dass etwas ganz Besonderes im Gange sein muss. Dann heißt es hinausgehen und lauschen und etwas berühren das wichtig ist.

Musikalisch untermalt wird die Szene von einer einzigen Gitarre (Ukulele?), die nur ein paar wenige Griffe zu einer melancholischen Melodie arrangiert.

Dann plötzlich ist die Gestalt unter dem Baum verschwunden und mit ihr die Wäsche samt Wäscheleine. Es ist zu vermuten, dass William Munny nun unter der Erde liegt bei seiner Frau, und mit ihm ist jede Dynamik aus der Welt gewichen. Sie ist zu einem Stillleben geworden, einem Gemälde gefrorener Zeit. Da sich nichts menschliches mehr bewegt in dem Bild, weiß man nicht, wieviel Zeit bis zu diesem Stillstand vergangen ist. Es könnten Jahre sein, Jahrzehnte, doch das spielt keine Rolle. Das Jetzt wurde glattgestrichen, die Grenze zwischen gestern und morgen ist nicht mehr wichtig. Die Wäsche flatterte auf und ab wie die Kurve eines EEGs auf einem medizinischen Monitor. Dann bewegt sich nichts mehr, selbst das Licht des Abendrots scheint stehengeblieben zu sein. Einzig die vorsichtig angeschlagenen Saiten der Gitarre scheinen davon unberührt, sie nehmen keinerlei Notiz von der Veränderung. Aber das ist ja schon lange klar; Musik die trägt über alle Zeiten.

Ein paar Takte sind hier zu hören:


Der Ausschnitt ist leider arg kurz, dafür flattert die Wäsche schön im Wind.

Hier kann man etwas länger zuhören, allerdings nur bei Standbild:


(Bitte bei 0:30 abbrechen, da es danach in einem unerträglichen Maße künstlich aufgepeppt und verschmalzt wird)