Dienstag, 31. Mai 2011

Wenn´s regnet (XIII)



Die Ruhe war jetzt fast mit Händen zu greifen. Nur das leise Geräusch von Millionen Schneeflocken, die von einem unergründlich schwarzen Himmel herabrieselten war zu hören. Die Wasseroberfläche hatte sich wieder vollkommen beruhigt, nicht der kleinste Wellenschlag war mehr zu hören. Wer oder was auch immer nur ein paar Meter von Namensuchmann entfernt in das tiefe Wasser gefallen war, konnte vermutlich nicht schwimmen. Oder es konnte schwimmen, hatte aber in Panik die falsche Richtung gewählt, weg von der Kante, hinaus ins Nichts.
Nein, das war unwahrscheinlich, dachte sich Namensuchmann, würde er in diesem Falle nicht Rufe hören oder Schreie? Würde derjenige nicht versuchen, auf sich aufmerksam zu machen? Doch Affen schreien nicht um Hilfe. Sie schreien lediglich ihre Todesangst hinaus und gehen unter.

Kein Platschen, kein Tappsen, nur dicke, zähe absolute Dunkelheit. Und das Fallen der Flocken. Namensuchmann spürte sie sogar auf seinem Hinterkopf landen. Auf seinen Händen spürte er sie nicht, denn die hatte er unter seinem Gesicht verborgen, mit dem er nur einen Zentimeter über dem unsichtbaren Wasserspiegel kauerte, die Stirn auf seine Daumen gepresst. Hätte ihn jemand beobachten können in diesem Moment, er hätte vermutlich gedacht einen frommen Muslim vor sich zu haben beim Gebet nach Mekka.

Sein Magen knurrte. Er hatte Hunger. Namensuchmann fragte sich, ob das ein gutes Zeichen war oder ein schlechtes. Hunger bedeutete, in seinem Körper liefen die üblichen Prozesse des Lebens weiter ab, er war also schon mal nicht tot. Das war aber auch schon alles. Nicht tot sein. Immerhin. Aber vielleicht war das nur eine Frage der Zeit. Mit einer Hand fuhr er sich über seinen Hinterkopf und stellte überrascht fest, dass sich dort bereits eine regelrechte Kappe aus Schnee gebildet hatte. Er wollte den Schnee schon abschütteln, als er im letzten Moment daran dachte, dass er nicht nur Hunger, sondern auch Durst hatte. Der Schnee schmeckte köstlich. Die Kälte erfrischte ihn, er erntete den Schnee von seinem Kopf und seinen Schultern, von überall, wo er mit seinen Händen hinkam. Es schien kühler zu werden. Das handbreit hohe Wasser jedoch war immer noch weder kalt noch warm.

"Scheiße"

Namensuchmann erschrak. Seine eigene Stimme schien ein größerer Fremkörper in dieser Welt zu sein als er selbst. Sie hatte sogar die Macht, die Schneeflocken für kurze Zeit zum Schweigen zu bringen. Aus einem völlig irrationalen Gefühl heraus fürchtete er plötzlich, durch seine Stimme, durch ein unbedachtes Geräusch überhaupt den Schneefall zum Erliegen zu bringen. Dann hätte er nichts mehr um seinen Durst zu loeschen und wäre der dann einsetzenden Stille wehrlos ausgesetzt. Absolute Stille in absoluter Dunkelheit. Lieber nicht daran denken.

Der Magen knurrte erneut. Namensuchmann konnte nicht glauben, dass irgendetwas oder irgendwer ihn hierherversetzt hatte um ihn dann schnöde verhungern zu lassen. Andererseits schien es unwahrscheinlich, dass ihm irgendwann Pommes mit Mayo in den Mund fliegen würden, solange er hier auf allen Vieren und mit dem Gesicht nach unten in der Dunkelheit kauerte. Er seufzte. Die Linien. Er versuchte, sich zu orientieren. Eine Linie, die quer unter dem Bentley hindurchlief und einen guten Meter über den Unterwasserabgrund hinausragte. Eine zweite Linie, die er entdeckt hatte, als er sich um den Bentley herumgetastet hatte. Sie traf die erste Linie in einem spitzen Winkel links vom Wagen und verlief schräg nach vorne, die imaginäre Fahrtrichtung kreuzend. Dann die Linie, auf der er sich jetzt befand, eine fast rechtwinklige Abzweigung der ersten Linie. Wenn er ihr folgen würde, müsste er nach ein paar Metern auf die zweite Linie treffen, irgendwo weiter vorne. Wobei vorne in Fahrtrichtung des Bentleys bedeutete, des Nullpunktes in Namensuchmanns neuem Koordinatensystem. Er richtete sich auf, kratzte nochmals etwas Schnee von seinen Schultern, und kroch los.


Sonntag, 29. Mai 2011

Geißeln der Menschheit, mit Entenscheiße nachgestellt

Heute: Ehec



Morgengespräch


"Ach ja, Hedi, dieses Unkraut, einfach fürchterlich"


Langsam, wie ein großer Öltanker, kam Leni Brönske mit ihrem Rollator zum Stehen. Doch trotz der mittlerweile schon halbjährlichen Gewöhnung an dieses respektgebietende Gefährt hatte sie den Bremsweg falsch eingeschätzt und musste um einige Zentimeter zurückruckeln, ehe sie ohne räumliche Verzerrung direkt auf Hedi Sudermann hinabblicken konnte.

"Ah ja, Leni, ja ja"

Hedi Sudermann kniete auf etwas erhöhter Warte hinter einem kleinen Mäuerchen, das ihren Garten vom Gehweg und der Dorfstraße abgrenzte. Sie trug wie gewöhnlich ihren Gartenstrohhut, eine geblümte Kittelschürze und bequeme dunkelblaue Hosen. Ihre Füße steckten in groben Plastikclogs. Unter ihre Knie hatte sie ein Schaumstoffpolster gelegt, das ihr Enkel ihr vergangenen Winter aus seiner nicht mehr benötigten Schwimmhilfe gebastelt hatte. Es schien, als hätte sie mit ihrem linken Knie soeben den Kopf eines armen blauen Schlumpfes zerquetscht.
Mit einem unheimlichen Krachen extrahierte sie soeben einen fetten Löwenzahnstrunk, der es unvorsichtigerweise gewagt hatte, genau zwischen ihren prächtigsten Blaukissen eine freche gelbe Blüte zu treiben. Im hohen Bogen flogen nun Strunk und Blüte auf einen noch recht bescheidenen Unkrauthaufen. Hedi Sudermanns Unkrauthaufen waren schon immer recht bescheiden gewesen, da sie niemals Gelegenheit bekamen, über die Maßen anzuwachsen, die Hedi noch auf einmal auf ihre Gartengabel spießen konnte. Alles andere wäre unschicklich gewesen direkt so an der Straße wo die Leute vorbei gingen.

"Wenn man mal nicht dazu kommt, schon wird alles überwuchert. Der Helmut musste gestern erstmal die Brennnesseln rausreissen. Erst wollte er sie ja nur abmähen, aber ich sagte, die müssen mit den Wurzeln raus, sonst nützt alles nix", meinte Leni, während sie die lange Reihe von Hedis Blaukissen musterte, die prächtig von dem Mäuerchen fast bis zum Gehweg hinunterhingen.

"Ja ja, am besten macht mans selber. Wenn mein Otto im Garten werkelte, musste ich immer aufpassen, sonst war hinterher alles verkehrt. Aber er hatte es immer so wichtig. Ich war froh, wenn er überhaupt mal rausgegangen ist an die frische Luft." Hedi sprach, ohne aufzusehen. Stattdessen flog eine zusammengeknüllte Klebkrautranke auf den Haufen der Unglückseligen.

Die Blaukissen waren wirklich prachtvoll, dachte sich Leni insgeheim, doch sie konnte sich nicht dazu durchringen, es auch zu sagen. Stattdessen meinte sie, wie nebenbei "wir hatten ja auch mal diese Blaukissen, aber die wucherten so sehr auf unsere Treppe, zur Garage runter, und der Helmut hat gesagt, er will da nicht drüberstolpern und hat sie radikal zurückgeschnitten. Da sind sie eingegangen."

"Oh ja, die muss man am besten in Ruhe lassen, die sind eigentlich so dankbar", meinte Hedi, die nun doch eine kleine Pause machte, indem sie sich mit ihrem Hinterteil auf ihre Fersen niederließ, ihre Hände auf ihre Oberschenkel legte und ihren Blick über ihre blauüberwucherte Gartenmauer wandern ließ. Dann blickte sie zu Leni auf und wollte sich eben nach ihrem Bruder Karl erkundigen, als ein ungewöhnlicher Lärm die Hauptstraße hinaufschallte.

"ES HERBSCHTELT! ES HERBSCHTELT! ES HERBSCHTELT..."

"Oh jeh, der lange Hans, was hat er denn jetzt schon wieder?", fragte sich Leni laut und schaute in die Richtung, aus der die Rufe kamen. Um ihren Wahrnehmungsradius etwas zu erweitern, musste sie ihren Rollator etwas von der Gartenmauer weg und mehr in Richtung Straße drehen. Es sah aus wie die Bewegung eines Geschützturms auf einem Panzer.

"ES HERBSCHTELT! ES HERBSCHTELT!...."

Der lange Hans kam breitbeinig rennend die Straße herauf . In einem früheren Leben war er einmal Knecht auf dem Hildi-Hof gewesen, doch als der alte Bauer gestorben war und sein Sohn Haus und Hof an den Golfclub verkauft hatte, blieb für den langen Hans nur der Umzug ins Haus Obergwann, einer entsprechenden Einrichtung auf halbem Wege zur Stadt. Es war praktizierte Politik des Hauses, die Bewohner keinesfalls wegzusperren, und so kam es immer mal wieder vor, dass der lange Hans einem seiner inneren Impulse folgte und die Aussenwelt von immens wichtigen Dingen in Kenntnis setzen musste.

"Ha so ein Depp. Im Frühling!" meinte Leni missbilligend.

"Die Paula, die ist schon arg ´gschlage," sagte Hedi, während sie den näherkommenden langen Hans beobachtete, "mit so was in der Familie wär´s mir net wohl." Wobei sie offen ließ, ob sie nur Hans den verrückten Bruder Paulas meinte oder die Gene der ganzen Familie. Paula, die jüngere Schwester, hatte nie Kinder bekommen.

"Ha ja, die müssten den halt mal wegsperren. Man weiß ja nie, was so einem noch einfällt", raunte Leni bedeutungsschwer und rückte nun doch etwas näher an die Gartenmauer, die Hände fest an den Griffen des Rollators.
An diesem Dienstagmorgen waren nur sehr wenige Leute unterwegs im Dorf, und so musste der lange Hans sich sein Publikum mühsam zusammensuchen. Kreuz und quer rannte er schreiend durch die Straße und kam letztendlich direkt auf die beiden alten Damen zu. Seine Hose war ohne Gürtel und noch nicht einmal zugeknöpft, der lange Hans musste sie beständig mit einer Hand am Hinunterrutschen hindern. Er tat dies aber mitnichten aus Schamhaftigkeit oder Pietät, sondern einzig und allein, damit er nicht über seine Hose stolperte. Dies war offensichtlich bereits mehrfach geschehen, denn seine Knie und Ellbogen waren bereits grün und braun verschmutzt. Selbst auf seiner Stirn war ein Striemen brauner Erde zu sehen. Er trug keine Jacke sondern nur ein weißes Hemd, das hinten immerhin noch mit einem Zipfel in der Hose steckte. Diese war jedoch so weit derangiert, dass man die geblähte Windel darunter sehen konnte.
Kurz vor den Damen kam der lange Hans abrupt zum Stehen, doch um zu verschnaufen hatte er keine Zeit. Vermutlich waren sie längst hinter ihm her.

"ES HERBSCHTELT! ES HERBSCHTELT! ES HERBSCHTELT!" Seine Aussprache war alles andere als trocken, die beiden Damen wichen unwillkürlich zurück.

"Ja ja, isch ja gut, Hans", sagte Hedi von ihrer relativ sicheren Warte hinter dem Gartenmäuerchen aus, "es herbschtelt. Jetzt wissen wir´s. Wie geht´s der Paula?"

Der lange Hans schien einen Augenblick lang verwirrt, mit seiner freien Hand fuhr er sich über seinen feuchten Mund. Sein Blick wanderte kurz von Leni zu Hedi, ehe er wieder in unbekannte Fernen irgendwo die Straße hinunterschweifte. Sofort rannte er weiter.

"ES HERBSCHTELT! ES HERBSCHTELT! ES HERBSCHTELT!"

"Jesus Christus", keuchte Leni nun atemlos, "man ist seines Lebens nicht mehr sicher heutzutage", wobei sie sich theatralisch an ihren großen Busen fasste, hinter dem sich irgendwo mit aller Wahrscheinlichkeit ein Herz befinden musste.

"Ach, das ist ein armer Mann", beschwichtigte Hedi. "Wenn ich dran denk´, was sonst noch los ist in der Welt, dann wird mir erst richtig bang".

"Oh jeh, da sagst du was", seufzte Leni. "Wo soll das bloß noch hinführen mit diesen Ausserirdischen? Gestern sagten sie in der Tagesschau, sogar in Deutschland sind schon welche abgesetzt worden. Im Bayerischen irgendwo, ich hab´s nicht recht verstanden, der Helmut hat doch mein gutes Hörgerät zum König gebracht."

"Ich glaube, es ist bei Regensburg, beim Schwager von dem Hubert in der Nähe. Der hats der Michaela am Telefon g´sagt. Man kommt da ja gar nicht hin, ist ja alles abg´schperrt."

"Wenn die bloß nicht so hässlich wäret, dann würd man ja nix sagen", gruselte sich Leni vielsagend. "Allein scho dieses komische Ding, das die da zwische ihren Beinen hängen haben...Weltraumanzüge wie unsere Astronauten haben die ja keine. Dass das erlaubt ist..."

"Die Michaela hat g´sagt, das wäre denen ihr Rüssel, die hätten ihr G´sicht ganz woanders", sagte Hedi und machte sich daran, aufzustehen. "Aber es nützt ja alles nix. Die Arbeit muss trotzdem gemacht werden. Sie griff nach ihrer Forke und benutzte sie als Aufstehhilfe. Endlich oben griff sie sich mit beiden Händen ins Kreuz und dehnte sich ein wenig.
"Ach jeh, man wird halt nicht jünger"
Sie spießte das Unkraut auf und machte sich daran, nach hinten zum Komposthaufen zu gehen.

"Kommst du heute auch zur Abendandacht?" fragte sie im Weggehen.

"Nur, wenn der Helmut mich fährt, ich trau´ mich nicht mehr den ganzen Weg alleine" klagte Leni.

"Oh jeh"

"Früher hätt´s sowas nicht gegeben!" schimpfte Leni und schob ihren Rollator in Startposition.


Donnerstag, 26. Mai 2011

Sonntag, 22. Mai 2011

Der Tag an dem die Zombies kamen



Blöd ist´s, wenn man am Tag der Zombieinvasion das allererste Opfer der Hirnfresser ist. Man wüsste gar nicht, und wird nie erfahren, welch großer, geopolitisch exorbitanter Umwälzung man zum Opfer gefallen ist. Man ist vielleicht einen kurzen Augenblick erstaunt, wie das sein kann, dass in dieser mit viel Liebe zur Akribie durchregulierten Welt plötzlich eine Respektsperson wie etwa ein Richter im Talar oder ein Streifenpolizist mit fahlgrüner Haut, heraushängendem Auge und nach Leiche müffelnd auf einen zutorkelt und an einem zu nagen beginnt.


"Schatz, woran denkst du?"

Der blaue Morgenhimmel schiebt sich ins Bewusstsein, die Strahlen der aufgehenden Sonne scheinen fast waagrecht in die Bäume hinein, was sie wie von innen heraus leuchten lässt. Dazu Vogelgezwitscher und das Zirpen eines übriggebliebenen Grillenmännchens. Es waren wohl zu wenige Grillendamen letzte Nacht, oder die Wege zu weit und zu beschwerlich.

"Ist dieses Wetter nicht herrlich? Es wird ein wundervoller Tag werden!"

Versuch, sich mit dem Grillenmann zu identifizieren. Man zirpt sich die ganze Nacht die Hinterbeine wund, und letztendlich, schon im Morgengrauen, schiebt sich eine Grillenzombiedame aus dem Grasgehalme, mit heraushängendem Facettenauge und innen schon ganz hohl. Vom Nachbargrillerich während ihrer Durchreise schnell verzombt. Schnell einpacken und Luken dicht. Schwitzen im Erdbau, dunkel und humid.

"Ich geh´ schon mal duschen"

Nackte Menschenfrau, wunderschön und durchscheinend, daneben, drei Synapsen weiter, Horden zerlumpter Zombies, orientierungslos über breite Industriestraßen in sonnenbefluteten Gewerbegebieten ziehend. In einem Western eine äsende Büffelherde war unterlegt mit einem wohligen Grummeln und Grunzen. Vermutlich würde sich eine Zombieherde ähnlich anhören. Vielleicht etwas unzufriedener in der Grundschwingung und etwas aggressiver im Abgang. Selber schuld, wer sich Sonntagmorgens in ein Gewerbegebiet verirrt. Die armen Zombies.


Freitag, 13. Mai 2011

Schnappschuss


Die Toten rannten wie ein Haufen aufgescheuchter Hühner die Hauptstraße hinunter. Ab und zu knallte einer gegen eine Straßenlaterne oder fiel über einen Reklameaufsteller, aber keiner blieb zurück. Wie ein organischer Tsunami wurden Pflanzkübel und falschgeparkte Autos umströmt. Das Geräusch, wenn einer der mürben Schädel einen Laternenmast traf, war, gelinde gesagt, gewöhnungsbedürftig. Ansonsten war nur diffuses Geschlurfe und eine Art Schaben zu hören, dazu ein seltsam angestrengt wirkendes, aber sehr leises Schnaufen. Als wollten die Toten sich die Anstrengung nicht anmerken lassen, aber das war natürlich reine Spekulation.

Die meisten Passanten hatten sich längst in Geschäfte geflüchtet, andere hingegen drückten sich in Hauseingänge oder auf die Lee-Seite von großen Autos. Die Toten kümmerten sich nicht um die Lebenden.

Einige der Toten verirrten sich nun in eine Seitenstraße, doch der Haupthaufen mäanderte unbeirrt weiter in Richtung Hauptbahnhof, wurde dann aber merklich langsamer. Immer mehr Tote bogen nun in die Seitenstraße ein, unsicher erst, dann immer forscher und schneller. Die Toten, die zu weit in Richtung des Bahnhofs vorangestürmt waren, kehrten nun um folgten den anderen in die Seitenstraße. Die war schmaler als die Hauptstraße, sodass einige der Toten an den Hauswänden entlanggeschabt wurden und die dortige Graffity fast unleserlich machten. Bald war der letzte Tote um die Ecke gebogen und die Straße lag wieder so ruhig und sauber da wie zuvor. Erste Passanten wagten sich wieder nach draußen und gingen wieder ihren Geschäften und Zielen entgegen, Ladenbesitzer stellten ihre Reklametafeln wieder auf.

Namensuchmann ließ die Videokamera sinken. Vom Fenster seiner Wohnung im dritten Stock hatte er den perfekten Überblick über den Totenhaufen, doch nun war keiner mehr zu sehen, die Seitenstraße lag nicht in seinem Blickfeld. Es war bereits die dritte Totenstampede, die er nun aufzeichnen und archivieren konnte. Vielleicht sollte er sie auf Youtube hochladen, dachte er. Doch dort wimmelte es bereits von entsprechendem Material. Es gab sogar schon Filme zu sehen, wie die Toten aus den Gräbern krochen. Ein solcher Coup war Namensuchmann noch nicht gelungen. Er fragte sich, was die Toten so plötzlich aus der Erde treiben mochte.


Frau Schubert macht einen Frühlingspaziergang

Dienstag, 10. Mai 2011

Szenen aus dem Alten Testament, mit Entenscheiße nachgestellt

Heute: Jonas wird vom Walfisch ausgespuckt!




(Er befindet sich gerade noch in der Flugphase, kurz bevor er auf einer ominösen Insel in Form eines menschlichen Fußes aufschlägt)

Montag, 9. Mai 2011

Neulich in der P.Bar

Holla


Droben schieres Glück brausend und brüllend
in welligem Strudel gurgelnd und wirbelnd,
ökokonforme Nahrung heischend.
Mich zerreissen und stückweise nach oben fallend
bemerke ich die Unterwelt seltsam gerade
und unverschnörkelt, Zacken Fehlanzeige.
Auf, zu den Strudelexistenzen!



Donnerstag, 5. Mai 2011

Balkondünen

Am besten wirken die Blütenstaubdünen, wenn man in Trance verfällt und dann einen ganzen Tag lang einfach nur so dasitzt ohne sich zu bewegen, die offenen Augen auf den Betonboden des Balkons gerichtet. Eine wahre Stunde schrumpft dann zu wenigen Sekunden Subjektivzeit zusammen, und die kleinen Babydünen tanzen und torkeln wie Wellengeglitzer auf einem Sommersee bei steifem Nordost. Bis sie sich plötzlich vereinen und als Kaventsmann gegen die Balkontür anflappen.



"Das gibt Punktabzug wegen postens eines belanglosen Photos!"

Ein Zombie torkelt von links auf die Bühne, wirft vor Unachtsamkeit ein kleines Biedermeiertischchen um. Auf dem Tischchen stand ein kleiner, vergoldeter Bilderrahmen und eine gläserne Vase mit einem Strauß Gerbera mit Schleierkraut. Alles fällt scheppernd und klirrend zu Boden. Der Zombie bleibt verwirrt stehen und wackelt mit dem Kopf.
Rechts springt eine Elfe hinter einem Baum hervor, sie trägt einen hautengen grünen Latexanzug. Mit einigen eleganten Ballettsprüngen erreicht sie die Bühnenmitte.


Elfe: Ach Zombie lieber Zombie mein, warst ein gar schöner Prinz. Doch nun musst du mir zu Diensten sein, die Welt sie ist so gemein.

Zombie (unbeholfen um sich schlagend): hrrrrmmmbl! Grrrrompf!

Elfe (plötzlich nachdenklich innehaltend): Aber ein Punktabzug ist durch nichts gerechtfertigt. Wozu könnte das gut sein? Und wer hat das gesagt?

Zombie (sinkt unvermittelt auf die Knie und beginnt in schönem Bariton zu singen): Ach Elfe, schöne Elfe mein, ein Punkt, ein Punkt, unendlich klein, wer wollte darüber traurig sein? Ein Prinz, der war ich gewiss, doch nun ists vorbei, als Untoter dräut mir ewige Pein. Ach Elfe, schöne Elfe mein, wars mein Begehren, wars mein Sehnen, das dich antrieb in Raserei und dir raubte jedes Benehmen?

Elfe (nachdenklich in Ballettmanier um den Zombie herumwatschelnd, dabei rhythmisch mit einer Weidenrute auf seinen Kopf einklopfend): Punkten gebricht es sowohl an Länge als auch an Breite, von Höhe gar nicht zu reden. Doch sag, mein Zombieprinz: wie hältst du es mit der Mathematik?

Zombie: Die Zeit, die Zeit, ich fühle die Uhr sie tickt nicht mehr, ewig vergangen, die Unendlichkeit, sie ist da.

Elfe: Du redest wirr, mein geiler Prinz, wohin soll das führen?

Die Elfe fängt wieder an über die Bühne zu tanzen, dabei stolpert sie in einen Eimer mit Innerein.

Elfe: Oh Graus, oh gräßlich Schicksal mein, ist dieser Eimer aus deinem Besitz? Grüngräuliches Geschlinge, ich fühls, es raubt mir meine Elfenkraft. Ist das die Rache für einen kleinen Elfenwitz?

Zombie (mit ekelhafter Beflissenheit zu dem umgestürzten Eimer kriechend): Ja, ich tat´s! Und nun wird getafelt. Darmumschlungener Elfenleib, mein Leibgericht! (beginnt zu schmatzen)

Elfe: So höre meinen letzten Atem: Nie sollst du ruhen von jetzt für immer (zerfällt zu grauem Schleim)

Zombie: Guuuut. Meeeeeehr. Grmpf. Schlurmpf.

In der ersten Zuschauerreihe erhebt sich der Regisseur. An der Seite seines Kopfes ist ein Stutzen für den Anschluss eines Regelventils zu sehen.

Regisseur: Dieser Eimer mit den Innereien, das war nicht vorgesehen. Wer hat das veranlasst? Ich protestiere!

Im Bühnenhintergrund erhebt sich eine gelbliche Masse, wirbelnd und sich aufwerfend steigt sie höher und dringt immer weiter in den Vordergrund. Plötzlich bricht die Spitze wie eine Meereswelle und eine Kaskade von Fichtenblütenstaub stürzt auf den Zombie und die Überreste der Elfe. Der Vorhang schließt sich.