Donnerstag, 5. Mai 2011

Balkondünen

Am besten wirken die Blütenstaubdünen, wenn man in Trance verfällt und dann einen ganzen Tag lang einfach nur so dasitzt ohne sich zu bewegen, die offenen Augen auf den Betonboden des Balkons gerichtet. Eine wahre Stunde schrumpft dann zu wenigen Sekunden Subjektivzeit zusammen, und die kleinen Babydünen tanzen und torkeln wie Wellengeglitzer auf einem Sommersee bei steifem Nordost. Bis sie sich plötzlich vereinen und als Kaventsmann gegen die Balkontür anflappen.



"Das gibt Punktabzug wegen postens eines belanglosen Photos!"

Ein Zombie torkelt von links auf die Bühne, wirft vor Unachtsamkeit ein kleines Biedermeiertischchen um. Auf dem Tischchen stand ein kleiner, vergoldeter Bilderrahmen und eine gläserne Vase mit einem Strauß Gerbera mit Schleierkraut. Alles fällt scheppernd und klirrend zu Boden. Der Zombie bleibt verwirrt stehen und wackelt mit dem Kopf.
Rechts springt eine Elfe hinter einem Baum hervor, sie trägt einen hautengen grünen Latexanzug. Mit einigen eleganten Ballettsprüngen erreicht sie die Bühnenmitte.


Elfe: Ach Zombie lieber Zombie mein, warst ein gar schöner Prinz. Doch nun musst du mir zu Diensten sein, die Welt sie ist so gemein.

Zombie (unbeholfen um sich schlagend): hrrrrmmmbl! Grrrrompf!

Elfe (plötzlich nachdenklich innehaltend): Aber ein Punktabzug ist durch nichts gerechtfertigt. Wozu könnte das gut sein? Und wer hat das gesagt?

Zombie (sinkt unvermittelt auf die Knie und beginnt in schönem Bariton zu singen): Ach Elfe, schöne Elfe mein, ein Punkt, ein Punkt, unendlich klein, wer wollte darüber traurig sein? Ein Prinz, der war ich gewiss, doch nun ists vorbei, als Untoter dräut mir ewige Pein. Ach Elfe, schöne Elfe mein, wars mein Begehren, wars mein Sehnen, das dich antrieb in Raserei und dir raubte jedes Benehmen?

Elfe (nachdenklich in Ballettmanier um den Zombie herumwatschelnd, dabei rhythmisch mit einer Weidenrute auf seinen Kopf einklopfend): Punkten gebricht es sowohl an Länge als auch an Breite, von Höhe gar nicht zu reden. Doch sag, mein Zombieprinz: wie hältst du es mit der Mathematik?

Zombie: Die Zeit, die Zeit, ich fühle die Uhr sie tickt nicht mehr, ewig vergangen, die Unendlichkeit, sie ist da.

Elfe: Du redest wirr, mein geiler Prinz, wohin soll das führen?

Die Elfe fängt wieder an über die Bühne zu tanzen, dabei stolpert sie in einen Eimer mit Innerein.

Elfe: Oh Graus, oh gräßlich Schicksal mein, ist dieser Eimer aus deinem Besitz? Grüngräuliches Geschlinge, ich fühls, es raubt mir meine Elfenkraft. Ist das die Rache für einen kleinen Elfenwitz?

Zombie (mit ekelhafter Beflissenheit zu dem umgestürzten Eimer kriechend): Ja, ich tat´s! Und nun wird getafelt. Darmumschlungener Elfenleib, mein Leibgericht! (beginnt zu schmatzen)

Elfe: So höre meinen letzten Atem: Nie sollst du ruhen von jetzt für immer (zerfällt zu grauem Schleim)

Zombie: Guuuut. Meeeeeehr. Grmpf. Schlurmpf.

In der ersten Zuschauerreihe erhebt sich der Regisseur. An der Seite seines Kopfes ist ein Stutzen für den Anschluss eines Regelventils zu sehen.

Regisseur: Dieser Eimer mit den Innereien, das war nicht vorgesehen. Wer hat das veranlasst? Ich protestiere!

Im Bühnenhintergrund erhebt sich eine gelbliche Masse, wirbelnd und sich aufwerfend steigt sie höher und dringt immer weiter in den Vordergrund. Plötzlich bricht die Spitze wie eine Meereswelle und eine Kaskade von Fichtenblütenstaub stürzt auf den Zombie und die Überreste der Elfe. Der Vorhang schließt sich.






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