..............................................und andere Lumineszenzen..............................................
Donnerstag, 20. Dezember 2012
Ein Morgen wie jeder andere
"Dies ist eine schöne Art zu schreiben; ich glaube, das wird meine neue Handschrift", notierte Namensuchmann oben auf die letzte Seite seines Notizbuches.
"A night filled with space", singt Van Morrison in "Real real gone".
Eine Nacht gefüllt mit so viel Raum, dass er noch halb für den nächsten Tag reicht und mit der genau hierfür abgemessenen Menge Zeit drückte unbarmherzig auf Namensuchmanns Körper wie eine dicke Katze, die sich nachts ins Zimmer schleicht und sich wohlig füßelnd auf ihrem schlafenden Menschen zusammenrollt.
Namensuchmann wälzte sich auf die Seite, fegte die Nacht von sich herunter und versuchte, sich zu erinnern. Das war nicht leicht, denn die Frau, die neben ihm in den Kissen lag war ihm gänzlich unbekannt. Doch schön war sie, sehr sogar, und duftete nach Salz und Tang. Ihre Haut war so schimmernd glatt und vollkommen, dass Namensuchmann unvermittelt anfing wie von Sinnen zu schreien. Schweiß brach ihm aus allen Poren und wie ein Baby musste er immer wieder inne halten um Luft für den nächsten Schrei zu sammeln. Die ersten Speichelfäden trieften ihm aus den Mundwinkeln, doch das alles spürte er nicht. Was er spürte war das unsägliche Verlangen, sich die Augen aus den Höhlen zu reissen, sie auf seiner Brust auszudrücken und den Inhalt großflächig auf der Haut zu verreiben.
Die plötzliche Schwärze war absolut, und gleichzeitig schien auch jede Luft aus dem Raum verschwunden zu sein. Weiteres Atem holen unmöglich, und keine Moleküle mehr, um den Schall zu transportieren. Dafür Schneeflocken auf nackter Haut wie eisige Nadelstiche, pervers kalter Fels zwischen und unter seinen Fingern. Unendlicher Raum verhüllt von unendlicher Schwärze. Nackte Knie auf etwas hartem, kantigem wie Eis weit unter dem Gefrierpunkt. Augen fest zudrücken und an etwas Schönes denken, überlegte sich Namensuchmann mit der Gelassenheit eines Zen-Meisters nach fünf Flaschen Weihnachtsfestbier. Eine milde Frühlingsbrise auf vor Wärme britzelnder Haut schien schließlich ein gutes Zeichen zu sein die Augen oder was von ihnen übrig war wieder zu öffnen.
Licht.
Er konnte sehen. Seine Augäpfel waren noch an Ort und Stelle, da wo sie hingehörten. Rund um Namensuchmann herum einige schneebedeckte Gipfel, in der Sonne glänzend. Drunten Täler, bunte Wälder, es war vermutlich Herbst, dort unten. Eine Aussicht wie von einem Kitschkalender, Namensuchmann begann zu würgen und hätte sich vermutlich übergeben, wenn er in demselben Moment nicht urplötzlich von diesen absurd lauten Trommelschlägen getroffen worden wäre. Lärm gegen Brechreiz, wer hätte das gedacht. Allerdings wusste er nicht, wann er zuletzt etwas gegessen hatte, zum kotzen hätte er also eh nichts im Magen gehabt. Wumm-Wumm-Wumm-bummbumm.
Immerhin trug er noch seine Shorts, und in der Oberschenkeltasche fand er tatsächlich sein kürzlich neuerworbenes Galaxy. Das GPS meinte, der felsige Zacken, auf dem er sich befand gehörte zum Jungfraujoch. Er rief die Trommelschiff-App auf. Gestern noch kreuzte es vor Portugal, doch laut Anzeige hatte es mittlerweile den Golf von Biscaya fast durchquert in nördlicher Richtung. Glücklicherweise war die App bereits auf ihn konfiguriert. Unter den harten Schallschlägen wäre es schwierig gewesen, Angaben wie Geschlecht, Schuhgröße, Lieblingsfarbe, Blutgruppe, bevorzugte Biersorte oder Lieblingsstern einzugeben. So brauchte er nur auf "Text anzeigen" zu tippen und konnte nachlesen, was das Trommelschiff ihm zu sagen hatte:
"NIEMALS MÜDE GEHEN OHNE ERROR"
Namensuchmann drückte auf "auto aufzeichnen" und hielt sich die Ohren zu.
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