Montag, 9. Januar 2012

Ach was



Heute beim Joggen keine Moosung durchgeführt, zu nass. Und die Toten zu unruhig in ihrem Gemergel. Mir war, als würde ein riesiger ausserirdischer Zeppelin die Erde durchqueren. Ein Zeppelin aus glitzerndem Kristall, im Durchmesser nur knapp kleiner als die Erde und gemacht aus einem Material ähnlich Neutrinos, die normale Materie wie nix durchdringen können. Er fliegt frontal auf die um die Sonne wandernde Erde zu, doch anstatt sie zu rammen dringt er einfach durch sie hindurch mit einem kaum wahrnehmbaren mmmhhhchhh. Die Schichtungen aus Toten tief unter uns beginnen hörbar zu schwirren wie die Saiten einer Geige, über die der Bogen streicht.


Als ich das planetengroße Leitwerk an mir vorbei in der Erde verschwinden sehe, denke ich an ein Gedicht, das ich vor Urzeiten ersonnen hatte. Ich glaube, es war irgendwann in den neunzigern des vorigen Jahrhunderts:

Manchmal, wenn man ganz still ist
und sich nicht bewegt,
dann fühlt man, wie die Zeit lautlos
durchs Zimmer schwebt,
fast unbemerkt.
Hebt man die Hand und hält sie
in den unendlichen Strom
sieht man sie faltig und welk werden.
Die Gedanken sind traurig und schwer,
denn das Kind, das man war,
ist verloren

Die nackte Frau neben mir auf dem Liegestuhl, die meine Jacke trägt, sagt nichts. Sie hat ihre Hände im Schoß verschränkt und schaut auf ihre Fingernägel. Ich schaue mich um, doch es gibt nichts anderes zu sehen als Himmel und die weissliche runde Oberfläche des Atompilzes. Schräg hinter mir sinkt Venus, der Abendstern dem Horizont entgegen, rechts über uns ist schon Jupiter zu erkennen. Es handelt sich um die momentan korrekte Konstellation. Aber oberirdische Atomexplosionen werden seit über fünfzig Jahren nicht mehr durchgeführt.

"Wo ist der alte Mann jetzt?" fragte ich.

"Als er mich hier auf den Liegstuhl packte rutschte er mit seinen nassen Badelatschen aus. Aus seiner Manteltasche fiel eine Flasche Scotch. Sie ging aber nicht kaputt, sondern fing an zu rollen, wurde immer schneller, folgte der Schräge. Der Typ rannter hinterher, rutschte nochmals aus, rannte wieder, bis er und die Flasche ausser Sicht waren. Ich nehme an, er ist runtergefallen"

"Hm", machte ich. Schade um den Whisky.

Die Situation war ermüdend. Ich stand von dem Liegestuhl auf und legte mich direkt auf der Zeitfläche auf den Rücken. Droben kamen nun immer mehr Sterne zum Vorschein. Ein warmer Wind wehte, spielte mit Karlas Haaren. Ich wurde nicht schlau aus ihr. Es war egal.


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