Dienstag, 26. März 2013

Sternschnuppen unter meinen Füßen



Namensuchmann trat aus der Haustüre, hielt sich aber noch am Türrahmen fest denn die Nacht war riesig. Sie erfüllte einen Raum, so dunkel und groß, dass die Sterne darin wie verlorener Goldstaub in einer Waschpfanne glitzerten. Ein Schrei wäre wohl möglich gewesen, aber die Gefahr, dass auch er sich ins Gigantische aufblähen würde war Namensuchmann zu groß. Er dachte an die Trompeten von Jericho, die mit ihrem Lärm die Stadtmauern zum Einsturz gebracht hatten. Was vermochte dann ein Schrei anrichten, wenn er in diesen aberwitzigen dunklen Raum entlassen würde? 
Der Sog war auszuhalten und nicht stärker als Namensuchmanns Gewicht. Er ließ also den Türrahmen los und stieg die Haustreppe hinunter. Er merkte ganz genau, dass er nicht mehr sein gewohntes Gewicht auf die Stufen brachte. Der harte Beton der Treppe fühlte sich wie weicher Gummi an.
Auf dem Kies der Zufahrt beugte er ein Knie und berührte mit der flachen Hand den Boden. Die Welt erzitterte sachte, wie in Verzückung, und verschwand.


2 Kommentare:

Antirationalistischer Block / Christian Erdmann hat gesagt…

"Auf dem Kies der Zufahrt beugte er ein Knie und berührte mit der flachen Hand den Boden."

Stream of consciousness am Rande faszinierender Texte: diese Geste erscheint in mehreren Videos von David Bowie, am berühmtesten in "Ashes To Ashes" ab 1:13.
The "ground touch gesture". Bowie war sehr am japanischen Kabuki-Theater interessiert und hat sie wohl daher, in typischer Bowie-Manier meinte er aber irgendwann, er habe diese Geste bei Elvis gesehen.
Sagen wir, sie hat esoterische Bedeutung: sie läßt die Welt verschwinden, oder soll, so habe ich die Geste im Zusammenhang mit dem Protagonisten in "Ashes To Ashes" ("strung out in heaven's high" / "wanna come down right now") immer verstanden, mit einer disziplinierten Bewegung vom Element der Luft zum Element der Erde zurückführen.

Moves hat gesagt…

Ein faszinierender Hinweis, vielen Dank!
Und was für ein Lied! Davon habe ich mich schon vor unendlich langer Zeit in Endlosschleife, damals noch von Kassette, in diese flirrenden Weiten heben lassen, von wo die schweren Gedanken einfach so in die Tiefe purzeln, Pirouetten drehend und Salti vollführend vor Wut und Ärger über den Rausschmiss aus meinem Traumzimmer.
"I haven´t done good things, I haven´t done bad things, I haven´t done anything out of the blue".

Die "ground touch gesture", die Namensuchmann vollführte, war allerdings etwas zaghafter, nicht so schwungvoll. Ohne Überzeugung, etwas Notwendiges vollbringen zu müssen, sondern zögernd, aus einer stillen Verwunderung geboren. Wie man sich über ein ruhiges Wasser beugt und sich selbst viel jünger und schöner gespiegelt sieht als man ist. Man betrachtet die eigene Hand, den Handrücken, und senkt diese Hand dann langsam auf die glatte Oberfläche. Bei der Berührung zerrinnt das Spiegelbild in tausend zitternde Augenblicke und ist verschwunden.

Ich berühre auf diese Weise oft auch alte Bäume. Felsbrocken. Oder diese Stellen auf Bergrücken, wo dieses seltsame Gras wächst, das einfach nicht höher wird als ein paar wenige Zentimeter und sich anfühlt wie Kuhfell. Die ground touch gesture...eine universelle Handlung, wie´s scheint. Die Welt begrüßen. Oder verabschieden. Oder einfach um zu zeigen, dass man da und gewahr ist. Die Welt entlassen, in ihren Frieden. "Es ist genug, Welt, ich danke dir, es ist gut jetzt"