Montag, 15. Juli 2013

Schöne neue Welt

Das Flugabwehrgeschütz feuerte und streute angekokelte Patronenhülsen auf das herbstliche Blumenbeet wie Kümmel auf einen elsässischen Flammkuchen. Der Schütze trägt eine Coco Chanel-Umhängetasche und Adidas-Badeschlappen.
Blauer Himmel, blaue Stunde, Sterne, müde vom scheinen.

Ein Silvester später, oder eineinhalb, Zieharmonikamusik bis die Ohren bluten. Zähflüssige Zeit quillt über den Boden, man muss sich leicht dagegenstemmen um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Ich lasse die leere Bierflasche fallen, mit dem Hals nach oben treibt sie in dem schimmernden Brei von mir weg, langsam schwankend und schaukelnd. Sterne, die müde sind vom scheinen.

Das Schmatzen von Füßen in nassen Schuhen lässt mich aufhorchen. Es ist ein Kind, das sich über das Hochwasser freut. Sauber und klar schwappt es über die Stufen, es besteht noch keine Gefahr. Schöne weite Welt. Ich träumte vom Half-Dome in Kalifornien und Cumuluswolken, auf unsichtbaren Luftschichten treibend. Überhängender Fels über tausend Meter hohen Abgründen schlürft Sehnsucht wie ein Bettelmönch seine Graupensuppe.

Und doch bin ich nicht darauf hereingefallen, ich ging sehenden Auges den Pfad des gehobenen Irrsinns und war zudem noch befremdlich erregt. Dann ruhte ich mich aus und sagte nichts. Jedes Wort wog tausend Tonnen an diesem seltsamen Ort, an dem die zeit Tango zu tanzen schien mit diesem Typ aus dem Zug nach Basel, der, obschon gut gekleidet, keinen Fahrschein zu besitzen schien. Die Scheibe des Zugabteils schmierig von meiner Stirn.

Die Sterne, müde es ewigen Scheinens, fallen einer nach dem anderen vom schwarzen Himmel und verglimmen zu meinen Füßen. Ich muss aufpassen nicht darauf zu treten und setze vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Manche Sterne liegen zu Kissen gehäuft oder zu kleinen Dünen zusammengeschoben von diesem klaren Nachtwind. Mir wird schwindelig von diesem vergehenden Glühen unter meinen Füßen, über mir ist nun alles dunkel und schwarz. Die Welt hat sich gedreht, die Dinge fliegen fort von hier.

Vom Himmel hoch segelte ein neuer Zombie knurrend und um sich schlagend an seinem Fallschirm am Balkon vorbei. Namensuchmann machte einen weiteren Strich auf seiner Liste und ging zurück in den Wohnraum mit dem riesigen Fernseher. Seit zwei Stunden lag der Nachrichtensprecher nun schon reglos auf seinem Tisch, doch niemand im Fernsehstudio schien sich darum zu kümmern. Niemand schaltete die Kamera aus oder zog den Stecker.

Namensuchmann nahm sich ein Bier aus dem Kühlschrank und kehrte auf den Balkon zurück. Die Zombies an den Fallschirmen taumelten wie grunzende Riesenschneeflocken vom klaren Nachthimmel.


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