Die Romantik simmerte leise röchelnd, an Zwiebeln und Möhren, auf dem Herd vor sich hin. Romantik meint, Meeresbrandung eignet sich immer, um das Rascheln von Engelsflügeln aus der Sicht eines Flohs zu beschreiben.
"Beschreiben!", rief der Gnom begeistert, "beschreiben! Herrlich. Jeder andere hätte "lautzumalen" geschrieben, `um das Rascheln von Engelsflügeln aus der Sicht eines Flohs lautzumalen´, oder.... hm .... oder...." Er schaute über die Straße. Auf der anderen Seite ging ein Mann. Er hielt sich seine blutende Schulter und war völlig durchnässt. Ein Windhauch trug den schalen Gestank von altem Bier herüber. Der Mann schaute immer wieder ängstlich über die Schulter, als ob er verfolgt würde.
"Menschen, die verfolgt werden", sagte der Gnom nun, "sind meistens Quell unerwarteter Ereignisse. Insbesondere, wenn sie sich die Schulter halten, als hätten sie eine Schusswunde."
"Ich bin es so müde", röchelte die Romantik nun, "Schusswunden, Gnome.... das ist doch alles eine große Scheiße!"
Aber man kann nichts machen. Nichts tun. Was man tut, breitet sich zu einem dünnen Film, nur wenige Mikrometer dick, und kriecht unter das Frühlingslicht. Der Gnom hebt seinen linken Fuß und schaut sich die Schuhsohle an. Er setzt sich auf den Bordstein, sieht dem verwundeten Mann hinterher, der um die nächste Hausecke taumelt, den Bierdunst mit sich nehmend, und fängt an zu singen. Eine melodische alte Weise aus uralten Zeiten, als es noch Kriege gab und Reisen bis ans Ende der Welt und darüber hinaus. Nichts weiter geschah. Keine unerwarteten Ereignisse. Auch keine erwarteten. Frühlingsdunst zwischen leeren Häusern. Parkgaragen, mit riesigen Mäulern in ihrer Gier erstarrt, geben sich plötzlich zufrieden und satt.
Niemand folgte dem Verwundeten. Nichts geschah. Licht, Dunst und tote Gier waren in der Zeit gefroren. Auch der Gnom kam nun zur Ruhe, seine Bewegungen wurden immer bedächtiger und langsamer. Er konnte kaum noch singen, kaum noch sprechen, aber das war nicht schlimm, da er überhaupt nichts zu sagen hatte und das alte Lied längst zu Ende war. Doch nun formten seine Lippen ein paar letzte Worte, ehe das Frühlingslicht die Wirklichkeit glasierte.
"Du....solltest....nicht....das Sch-Wort....sagen!" Damit ward das letzte Wort gesprochen, und die Welt gefror.
..............................................und andere Lumineszenzen..............................................
Mittwoch, 27. März 2019
Donnerstag, 21. März 2019
Im Café
Frau
geht über die Straße.
Mann
schaut ihr nach.
Mann
geht über die Straße.
Frau
schaut ihm nach.
Mann
und Frau.
Blutbadende
Namensuchmann
tippte sich versonnen mit dem Radiergummi seines Feinminenbleistifts
an die Oberlippe. Für ein Haiku war das Ding zu lang.
Und für einen Liebesroman etwas zu kurz. Was es brauchte, war eine
kleine Nebenhandlung, die sich spielerisch um das eigentliche Drama
herumwand und dem Plot im entscheidenden Moment eine unerwartete
Wendung verpasste. Oder auch nicht. Bloß nicht verzetteln.
Der
Ober kam an das Tischchen und brachte Namensuchmann eine neue Tasse
dampfenden Kaffees. Als er sie abgestellt und stattdessen die alte
Tasse auf sein kleines silbernes Tablett aufgeladen hatte, beugte er
sich elegant gespannt, wie ein elastisches Winkemännchen, über
Namensuchmanns Schreibblock.
„Hm,
gefällt mir. Ich würde aber noch etwas an der Charakterbildung
arbeiten.“
Namensuchmann
hob seinen Blick nicht zum Ober, sondern beugte sich nach vorne und
trommelte mit dem Bleistiftradiergummi auf den Block.
„Eigentlich
ist er fertig.“
„Er?“,
fragte der Ober.
„Ja“,
sagte Namensuchmann verwundert, „der Roman. Er.“
„Achso“,
rief der Ober, „ich mag Romane lieber, wenn sie etwas länger
sind.“
Nun
schaute Namensuchmann doch noch zu ihm auf. Neben seinem unbequemen Bistrostuhl, immer noch das
kleine Tablett mit der leeren Tasse in der einen Hand, die andere
lässig auf der Stuhllehne geparkt, stand Zombie. Und oben, auf
seiner Schulter, saß sein Engel und besorgte das Reden in
Obersprache. Namensuchmann bemerkte leicht indigniert, dass der Engel
knapp davor war, loszuprusten. Glücklicherweise war der Zombie von
oben bis unten recht stramm in Frischhaltefolie eingewickelt, was ihn
fast wie eine Mumie erscheinen ließ. Das machte der Engel immer,
wenn sie unter Leute gingen, wegen des Gestanks.
Dienstag, 12. März 2019
Dienstag, 5. März 2019
Wind, Sand und ein Glas Bier
Mein
Haus mein Haus
hat
schräge alte Mauern
doch
sie stehen stark und dick
aus
alter Zeit
Heere
zogen in den Krieg
durch
mein Haus
durch
mein Haus
Die
Mauern hielten und schwiegen
und
schwankten nie während
ich
schlief und ruhte
und
träumte in den Mauern
Namensuchmann
fühlte den vom vergangenen Tag noch warmen Sand unter seinem nackten
Hintern. Die Nacht war sternenklar und mild.
Oben
trieb der Engel rücklings schwebend durch die Stratosphäre. Mit
seinem guten Fernglas konnte Namensuchmann sehen, dass der Engel ein
großes Glas Bier auf seiner Brust balancierte. Wo war die Flasche
dazu? Oder der Zapfhahn? Und wieso konnte Namensuchmann von unten auf
die Engelsbrust sehen? War der Engel in Wahrheit ein Neutronenstern,
dessen gesamte Oberfläche aufgrund der Raumkrümmung fast komplett
zu sehen ist, auch wenn man sich nicht um ihn herumbewegt? Das hielt
Namensuchmann für einigermaßen unwahrscheinlich, dafür war er
schon zu oft nur auf Armeslänge von dem Engel entfernt gewesen ohne
von dessen Schwerkraft eingesaugt zu werden. Es musste eine andere
Erklärung geben.
Derweil
Zombie oben in der Umlaufbahn seine Runden drehte, immer noch sanft
von der längst untergegangenen Sonne angestrahlt. Sein marsrotes
Glühen stand dabei in schönem Kontrast zur weißblau strahlenden
ISS, die ihm immer noch um einige Bogengrad vorausflog. Aber er holte
auf.
Nein
Nein Nein. Eine knusprige Schale aus degeneriertem Elektronengas?
Fuck off, bloody creepy Neutronensterne, man kann alles übertreiben!
Mein
Haus mein Haus
mit
seinen schrägen alten Mauern
steht
wie ein fauler Zahn
auf
dem Berg Bingotzdameh.
Ich
verstecke mich im Gebälk,
derweil
unten riesige Heere
durchziehen
in den Krieg.
Das
Haus vibriert fast unmerklich
im
Wutdunst und der Panik
der
Soldaten.
Angst,
zu fallen zu fallen zu fallen
Mein
Haus mein Haus
mit
dicken schiefen Mauern
auf
Fundamenten die einst
ganze
Himmel trugen
Die
Himmel sind vergangen
die
Mauern geblieben
ich
zog ein und zimmerte
ein
Dach aus Holz und Licht
Droben
schweb ich nun im Stillen
während
unten die Heere durchziehen
in
ferne Kriege durch mein Haus
durch
mein Haus
Lanzen
und Gewehre
Bogen
und Raketen
ein
Rasseln wie ein krankes Herz
durch
mein Haus
Durch
mein Haus
weht
Sternenlicht wie Sumpfnebel
ich
knüpfe und nähe mein Segel
aus
Staubfahnen und Träumen
Mein
Haus mein Haus
mit
Mauern dick wie Zyklopenbeine
Namensuchmann
platzte der Kragen:
„ICH
SCHEISSE AUF DEINE HÜTTE EINEN RIESENHAUFEN, WENN DU JETZT NICHT MAL
FÜR FÜNF MINUTEN DIE KLAPPE HÄLTST!“
Stille.
Der Nachtwind wehte kleine Sanddünen um Namensuchmanns nackten
Hintern. Die Marschlieder, das monotone Dröhnen der Kampfstiefel und
das Klappern der Rüstungen waren verklungen. Er sank nach hinten und
legte sich lang in den Sand. Oben trieben seine Freunde.
Freitag, 1. März 2019
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