Der winzige Engel dozte ein letztes Mal gegen das Milchglas der Deckenlampe, dann torkelte er unkontrolliert nach unten und fiel nach einem letzten Schlenker direkt in den Füllstutzen des elektrischen Fleischwolfs, mit dem ich gerade Wirsingmus nach einem Rezept meiner Mutter zubereitete. Leider war ich nicht nahe genug dabei, um das Malheur zu verhindern, da ich gerade das Radio lauter stellte nachdem der Moderator den neuen Hit von Cold Play angekündigt hatte.
Dabei war es wirklich unvorhersehbar, dass der Engel ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt abstürzen würde, schließlich umflatterte er die Lampe schon seitdem ich sie morgens eingeschaltet hatte, und zwar ohne erkennbare Ermüdungserscheinungen. Natürlich hatte ich mich bei meinem großen Engel, der ausnahmsweise einmal nicht auf seinem Zombie ritt, erkundigt, ob er sich einen Reim darauf machen könne, doch er winkte nur müde ab und blickte versonnen aus dem Fenster, wobei er sich halb in den zurückgezogenen Vorhang hängen ließ. Ich wusste, dass es keinerlei Sinn machte, ihn in einem solchen Zustand weiter zu befragen. Ebenso gut hätte ich mich mit meinen Schuhen unterhalten können. Die Luft im Zimmer war gut. Es roch nach Lavendel und Engel, vom Gestank des Zombies war nicht der geringste Hauch zu riechen.
Chris Martin jammerte gerade "Para, para, paradise, everytime she closed her eyes" aus den Lautsprechern, als die Engelpampe auch schon am Ende des Fleischwolfs hervorquoll. Glücklicherweise hatte ich gerade eben eine leere Schüssel untergestellt, sodass nichts davon in das Wirsingmus gelangte. Ich schaltete den Fleischwolf ab und besah mir die Masse etwas genauer. Sie hatte eine hellgelbe Farbe mit bläulichen und grünlichen Einsprengseln und schien unerwartet homogen, ohne feste Bestandteile wie etwa winzige Federkiele oder Fingerchen.
Ich tauchte meinen rechten Zeigefinger in die Masse. Sie fühlte sich leicht und luftig an, fast wie Eischnee. Und sie schmeckte auch so. Wie Eischnee mit Vanillezucker und einer leichten Note Lavendel. Eigentlich perfekt zu süßen Pfannkuchen mit Ahornsirup und einer dampfenden Tasse Kaffee dazu.
"Still lying underneath the stormy skies. She said oh-oh-oh-oh-oh-oh"
..............................................und andere Lumineszenzen..............................................
Donnerstag, 24. November 2011
Samstag, 19. November 2011
Orgie im Mondlicht
Über Geflatter und Geschrei
ein kleines wundes Sternenkind
gebettet und behütet
von Dunkelheit und stillem Sehnen
Der Rosenquarz in seiner kunterbunten Präsenz
Ich bin geläutert. Reinigender Mob.
Einen anderen Körper berühren,
Geräusche wie niedriges Unkraut im Garten.
Ich steige auf meine Leiter und besehe mir die Welt von oben.
Winzig-wütende Autos umkreisen die beiden Leiterfüße,
hupend und mit aufheulenden Motoren.
Sie scheinen sich gegenseitig zu verfolgen oder voreinander
zu fliehen, dabei den giftgrünen Gedankennebel aufwirbelnd
der knöchelhoch über dem Fußboden wabert.
Über mir die Deckenlampe flimmert, ungesund knisternd.
Ein winziger Engel umflattert sie taumelnd und torkelnd,
doch er hält seine Höhe. Ab und zu dozt er gegen das runde weiße
Glas der Lampe, woraufhin er jedesmal etwas an Höhe verliert.
Doch er gewinnt sie immer wieder rasch zurück.
Neben der Welt verläuft ein Weg aus Sand, darin sinkt man ein
bis zu den Knöcheln.
(PS: morgen ist der zweite Tag nach dem letzten Mondviertel im November, d.h. es ist Mblalolo levu, die "große Palolo-Zeit". Die Borstenwürmer in Samoas Korallenriffen schnüren ihre prallen Hinterteile ab, die sich sodann aufmachen an die Meeresoberfläche, um dort dann aufzuplatzen und Eier und Sperma zu vermischen. Eine Orgie aus lauter Ärschen. Und vermutlich ohne große Komplikationen)
ein kleines wundes Sternenkind
gebettet und behütet
von Dunkelheit und stillem Sehnen
Der Rosenquarz in seiner kunterbunten Präsenz
Ich bin geläutert. Reinigender Mob.
Einen anderen Körper berühren,
Geräusche wie niedriges Unkraut im Garten.
Ich steige auf meine Leiter und besehe mir die Welt von oben.
Winzig-wütende Autos umkreisen die beiden Leiterfüße,
hupend und mit aufheulenden Motoren.
Sie scheinen sich gegenseitig zu verfolgen oder voreinander
zu fliehen, dabei den giftgrünen Gedankennebel aufwirbelnd
der knöchelhoch über dem Fußboden wabert.
Über mir die Deckenlampe flimmert, ungesund knisternd.
Ein winziger Engel umflattert sie taumelnd und torkelnd,
doch er hält seine Höhe. Ab und zu dozt er gegen das runde weiße
Glas der Lampe, woraufhin er jedesmal etwas an Höhe verliert.
Doch er gewinnt sie immer wieder rasch zurück.
Neben der Welt verläuft ein Weg aus Sand, darin sinkt man ein
bis zu den Knöcheln.
(PS: morgen ist der zweite Tag nach dem letzten Mondviertel im November, d.h. es ist Mblalolo levu, die "große Palolo-Zeit". Die Borstenwürmer in Samoas Korallenriffen schnüren ihre prallen Hinterteile ab, die sich sodann aufmachen an die Meeresoberfläche, um dort dann aufzuplatzen und Eier und Sperma zu vermischen. Eine Orgie aus lauter Ärschen. Und vermutlich ohne große Komplikationen)
Dienstag, 15. November 2011
Herbstgebüsch
Im Angesicht der nachtfalterlosen Zeit wälze ich mich johlend und betend im Gebüsch. In der knappen Zeit fand ich kein Dornengesträuch, doch auch dieses erfüllt seinen Zweck, ich werde langsam zu Blatt und Erde. Bevor meine Synapsen damit beginnen, kapillarisch Wasser aus dem Humus zu saugen, denke ich an "Picknick am Wegrand" des russischen Autors Strugatzky. Ich stieß zufällig im Buchladen auf den unmodern schmalen Science-Fiction Roman, schlug ihn ohne zu überlegen auf und stieß prompt auf die Schlüsselszene, in welcher der Buchtitel erklärt wird. Das fand ich erstaunlich. Ja wirklich!
Noch erstaunlicher fand ich allerdings, was mir ein paar Tage zuvor im Gästezimmer einer guten Freundin widerfahren ist. Ich war gerade aufgestanden, als mein Blick auf einen guten Regalmeter des Zeit-Lexikons fiel. Ich griff willkürlich nach einem der weiß eingeschlagenen Bände und schlug ihn ohne Überlegung auf. Ich schaute auf ein Foto meiner kleinen Provinzheimatstadt, die sich zu diesem Zeitpunkt am anderen Ende Deutschlands befand. Hm...
"Nachtfalter ist ein schönes Wort", denke ich noch, ehe die Erdsäfte mein Sehnen und Stöhnen ersticken. Traumgetanztes Wunschgetöse, nur nicht so bedeutungsverseucht. Und hoch droben in der Nacht treibt der Stein durch die Schwärze, klein nur und unscheinbar. Scheint ein Stern darauf wird das All befunkelt wie von Glimmer und Diamant.
"Ich würde dem Stein gerne folgen", meint mein später Gast, "aber ich fürchte, ich bin zu spät dran"
"Ja, das steht zu befürchten, leider. Seit einiger Zeit scheint er noch zu beschleunigen"
"Ich könnte schon mithalten, wenn ich wollte. Wenn sein Vorsprung nicht so groß wäre. Er wird zur Sternschnuppe werden ohne mich."
Das Nachtfalterwort wird wie durch eine Springbox von der Vorstellung an Kampfstiefel ersetzt, die auf welken Synapsen tanzen. Ich erschrecke und schließe die Augen. Das Bild verschwindet und macht etwas anderem Platz. Ein schwarzer Ring mit strahlend hellem Zentrum, das langsam verblasst und, seltsam sirrend und zitternd, von nun an über anderen Räumen scheint.
Donnerstag, 10. November 2011
Montag, 7. November 2011
Die Zeit ist ein Texas Ranger
Die Zeit hatte sich als Chuck Norris verkleidet und hielt ein aberwitzig klobiges Gewehr in Händen. Mit einem fiesen Grinsen hob sie das Monstrum an und ballerte mir eine Salve Tage und Nächte ins Gesicht.Dann schmiss sie das rauchende Ding zu Boden, griff hinter sich und holte ein noch monströseres Schießgerät hervor. Dabei hätte die Zeit fast ihr Gleichgewicht verloren, doch nach einem kurzen Ausfallschritt und einem zähnebleckenden Grinsen hinter dem rotbraunen Bart stand sie wieder fest auf den Beinen und feuerte sofort eine Ladung Jahre in meine Richtung. Ich schloss geistesgegenwärtig die Augen, doch das stroboskopartige Geblitze drang durch meine geschlossenen Lider und wurde in meinem Gehirn zu einem Freudenfest bunter Lichtkringel.
Irgendwann war das Magazin leer und Zeit-Chuck schmiss auch die zweite Kanone in hohem Bogen von sich. Sein Gesicht gefiel mir gar nicht. Es sah aus, als würde er gleich losheulen. Und tatsächlich, schon fiel er nach vorne auf seine Knie und verbarg sein Gesicht in seinen Händen. Sein Körper wurde von heftigen Schluchzern durchgeschüttelt. Ich ging hin, tätschelte ihm den Rücken und sprach ein paar tröstende Worte.
Sonntag, 6. November 2011
Novemberhimmel
Der Nebel hing grau-weißlich oben am Himmel. Er war aber nicht gut beieinander heute, er musste sich auf den höchsten Waldkuppen abstützen und sank dort bedenklich tief zwischen die dunkelgrünbraunen Herbstbäume. Ich ließ mich davon nicht abhalten und lief trotzdem los, schön dünn angezogen, sodass ich auf den ersten zwei Kilometern etwas fröstelte. Das war genau richtig so. Denn zog ich mich dicker an, war mir zwar anfangs nicht kalt, dafür schwitzte ich dann gegen Ende der Joggingroute wie ein Schwein nach einem Boxkampf.
Der Engel und sein Zombie waren schon unterwegs; sie waren klar im Vorteil, was die Vorbereitungen für so einen kleinen Jogginglauf am Nachmittag betraf. Der Engel schien ohnehin nie Kleidung zu tragen, seine fluidale Körperkonsistenz war gleichzeitig auch eine Art Gewand, das nahtlos in seine Flügel überzugehen schien. Über die Atmungsaktivität einer solchen Konstruktion konnte ich nur spekulieren. Und ausserdem wusste ich ja nicht einmal, ob Engel überhaupt schwitzen. Noch nie war mir ein entsprechender Geruch an ihm aufgefallen.
Ob Zombies schwitzen weiß ich allerdings auch nicht, aber sie stinken bestialisch. Gott sei Dank nicht nach Schweiß, sondern eher nach Aas und Kloake. Doch selbst wenn Zombies schwitzen würden, meine Funktionskleidung würde ihm eh nicht passen, da er mindestens eineinhalb Köpfe größer ist als ich und ungefähr doppelt so breit.
Von Dehnübungen schienen meine Hausgäste auch nicht viel zu halten. Zombiemuskeln scheinen gegen Zerrungen gefeit zu sein. Es konnte sein, dass der Zombie den ganzen Tag völlig regungslos unter der Treppe saß. Dann sprang ihm der Engel von oben in den Nacken, und los gings im Galopp, erst am Friedhof vorbei und dann in den weitläufigen Wald. So auch heute. Von null auf 30 km/h in drei Sekunden. Sie waren schon zur Türe draußen, als ich den Tropfenfänger im hohen Bogen durch die Luft fliegen sah. Engel machte ihn immer ab, wenn er mit Zombie nach draußen ging, um ihn nicht allzuoft waschen zu müssen. Er hatte durchaus meine missbilligenden Blicke bemerkt, als er des öfteren den unappetitlich verfärbten Tropfenfänger zu meiner Wäsche in die Maschine gesteckt hatte. Irgendwann hatten wir uns dann darauf geeinigt, dass er das Ding nur noch zur 60°-Wäsche in die Maschine wirft und nicht mehr zu meinen empfindlichen 40°-Sachen.
Trotz des Hochnebels, der normalerweise einen windstillen Tag kennzeichnet, wehte eine ganz leichte Brise, die ganz sachte die gelbbraun-knusprigen Blätter an den Bäumen zum Herunterfallen überreden wollte. Ich lief meine übliche Waldrunde und dann aus purem Übermut noch einen Extraabstecher auf einem gewundenen Feldweg entlang eines schönes Waldrandes. Die Buchenäste mit ihren braunen kleinen Blättern hingen weit über. Stellte man sich mit dem Rücken zum Wald und schaute über die Landschaft, sah man ein dreigeteiltes Tableau: unten die grünen Wiesen, Wälder und vereinzelte Häuser, in der Mitte ein Querstreifen grauen Nebelhimmels, und darüber das überhängende Buchenlaubdach. An einer besonders schönen Stelle gibt es eine Bank für ruhebedürftige Spaziergänger, dort stieß ich auf meine beiden bereits erwähnten Mit- bzw. Vorausläufer, sie saßen einträchtig nebeneinander und schienen etwas am Himmel zu beobachten. Bei dem einen trüben Auge des Zombies war es natürlich schwer zu sagen, ob er wirklich etwas beobachtete oder nur zufällig in die entsprechende Richtung schaute. Doch der Engel schien wirklich fasziniert zu sein von dem was er sah, nicht einmal eine Ecke seines ätherischen Gewandes bewegte sich, seine Miene war pure Verzückung.
Ich hielt inne und blickte in die Richtung, in die meine beiden Freunde schauten. Unterhalb des überhängenden Blätterdaches tanzte ein einzelnes, braunes Buchenblatt im Wind. Es fiel nicht nach unten, sondern drehte sich und hüpfte in der leichten Brise frei vor dem dahinterliegenden grauen Nebelhimmel. Ich setzte mich zu den beiden auf die Bank, der Engel zwischen mir und dem Zombie.
Das Blatt rotierte wie wild auf der Stelle, völlig frei schwebend zwischen Himmel und Erde. Dann kamm es zum Stillstand, hielt kurz inne, ehe es drei bedächtige Hüpfer zur Seite machte. Dann stieg es langsam einige Zentimeter nach oben, um in einer sanften Wellenbewegung wieder nach unten zu sinken. Dann begann es wieder zu rotieren, immer in derselben Drehrichtung. Dann eine gemächliche Bewegung zur Seite, eine kurze Ruhephase, wieder ein paar Hüpfer, dann wieder schnelles Rotieren. Es war ein ausgelassener Tanz der Schwerelosigkeit, ein Freudenfest der Ausgelassenheit an diesem trüben Nebeltag.
Ich wusste natürlich, dass das Blatt an einem unsichtbaren Spinnenfaden hing, der sich irgendwo oben in den überhängenden Ästen verfangen hatte. Aber diese Erkenntnis tat der geradezu hypnotisierenden Wirkung dieses Tanzes keinen Abbruch. Ich wünschte, ich hätte eine Videokamera zur Hand gehabt. Ich hätte sie auf ein Stativ geschraubt und vier Stunden lang den Tanz des Buchenblattes vor grauweißem Himmel aufgezeichnet. Später dann hätte ich den Film an die weiße Wand einer angesagten Galerie projiziert. Aber so, dass er auch von draußen, von den vorbeieilenden Passanten hätte gesehen werden können. Die könnten dann verweilen und aus Zombie- bzw. Engelaugen auf das tanzende Blatt an der Wand gucken.
Wir saßen andächtig und schweigend auf der Bank. Das nassgraue Wetter sorgte dafür, dass wir nicht von Spaziergängern gestört wurden. Nach etwa einer halben Stunde war meine Laufhitze soweit abgeklungen, dass ich leicht zu frösteln begann. Es war aber ohnehin viel besser, wenn ich aufbrach bevor das Blatt wirklich zu Boden fiel, denn dieser Anblick hätte mich arg betrübt. Es war seltsam beruhigend zu beobachten, wie der Wind immer neue Blätter daran vorbei zur Erde taumeln ließ, das Zauberblatt aber weiterhin seinen fröhlichen Herbsttanz aufführte. Auf meinem Weg nach Hause hatte ich dieses Bild vor Augen: mein Engel und der Zombie einträchtig und wie hypnotisiert auf der Bank sitzend, das in der Luft gaukelnde Blatt bewundernd. Und mir fiel eine weitere Geschichte ein, die sich vor etwa 15 Jahren zugetragen hatte.
Ich befand mich mit meinem damals etwa sechsjährigen Neffen in unserer Reparaturgrube und schraubte irgendetwas an meinem Auto herum. In der Ecke der Grube hatte sich eine Hühnerfeder unserer federfüßigen Zwerghühner an einem unsichtbaren Spinnenfaden verfangen und rotierte wie wild in einem unfühlbaren Luftzug. Mein Neffe bemerkte die Feder und meinte:
"Schau mal, eine Kunstfeder"
Ich musste natürlich den Klugscheißer herauskehren und sagte:
"Das ist keine Kunstfeder, das ist eine echte Feder!"
Darauf begab es sich, dass die Welt ein kleines Stück lustiger und angenehmer wurde, denn mein sechsjähriger Neffe meinte daraufhin:
"Ja. Aber wie sie da hängt, das ist reine Kunst!"
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