..............................................und andere Lumineszenzen..............................................
Dienstag, 13. Dezember 2011
Na sowas (I)
Der Horizont war weit und nah.
Weit war der blaue Abendhimmel, unendlich weit hinter seiner vom Tage müden Bläue. Vereinzelte, feinfadige Cirruswolken in allen Feuerfarben mühten sich, der untergegangenen Sonne auf den Fersen zu bleiben, doch vergeblich. Müde verloren auch sie langsam ihre Glutröte. Seltsamerweise schienen sie darob keineswegs traurig zu sein. Ich schaute auf meine Hände. Sie waren in rotes Licht getaucht.
Nah hingegen schien das Ende der Welt zu sein, auf der zu stehen möglich war. Nah und erst flach, dann immer steiler abfallend.
Ich befand mich nicht weit von der höchsten Erhebung einer sphärisch gewölbten Fläche. Als ob ich auf einem riesigen Gasballon stehen würde, der irgendwo zwischen Himmel und Erde schwebte. Doch worauf ich stand war kein imprägniertes Textilgewebe. Die Oberfläche war glatt wie poliertes Glas und ebenso unnachgiebig. Ich stampfte vorsichtig mit dem Fuß auf, es war mehr ein Tippen mit der Schuhspitze, doch die glasige Oberfläche zeigte keinerlei Reaktion, kein Vibrieren, kein Dröhnen, gerade so als wäre sie durch und durch massiv.
Das war nicht vorherzusehen, als ich den großen Felsbrocken auf den armen Irren fallen ließ.
Überhaupt geschehen seltsame Dinge in letzter Zeit.
Ich hatte diesen Felsen emporgehoben, weil ich mir plötzlich gewiss war, es tun zu können. Er war sehr groß und lang, wie ein Auto fast, und die nasse Erde wollte ihn nicht hergeben, hing ihm saugend nach. Doch mit einem grässlichen reissenden Geräusch riss ich ihn empor und hielt ihn erstmal hoch über meinen Kopf. Aber noch ehe ich mir Gedanken machen konnte, was ich nun mit dem Felsen anfangen sollte, sah ich den Irren in der tiefen braunen Kuhle hocken, in der eben noch der Felsen steckte. Verblüfft schaute ich nach oben. In dem Felsen gab es keinerlei Höhlung, die es dem Irren ermöglicht hätte, unter dem Felsen zu existieren ohne zerquetscht zu werden. Und auch die Erdkuhle war vollkommen der Form des Felsens angepasst, es gab keinerlei Vertiefung in der Vertiefung. Der Irre war ein Irrer, weil er eine schneeweiße und gestärkte Zwangsjacke trug und Grunzlaute von solcher Unmenschlichkeit ausstieß, dass mir eiskalte Schauer über den Rücken jagten. Ausserdem war er gerade dabei, eine Hand durch einen kleinen Riss im Zwangsjackenstoff zu bohren. Seine Finger waren schon zu sehen, sie wanden sich wie dicke weiße Raupen, denen böse Kinder die Köpfe abgezwickt hatten. Mit all dem hatte ich nicht gerechnet. Ich schaute mich um, wobei ich mich mit dem Felsen etwas drehen musste, damit durch meine erhobenen Arme kein toter Winkel entstand. Keine andere Menschenseele war in der Nähe. Das war gut.
Der Irre versuchte jetzt, sich auf seinen Knien aus dem tiefen Felsabdruck herauszuarbeiten, wobei er mitunter sein Kinn zu Hilfe nahm, um sich am Rand des Loches hochzuziehen. Es war eine irgendwie unbefriedigende Wendung der Geschehnisse. Erst freut man sich über seine Kräfte und spielt ein wenig Superman, und dann sowas.
Ich ließ den Felsen wieder in das Loch plumpsen. Natürlich passte er nicht mehr perfekt hinein und lag etwas verdreht, doch die Spalte waren schmal genug, dass von dem Irren nichts mehr zu sehen und zu hören war. Ich klatschte mir den Dreck von den Händen und stand auf massivem Glas.
Ich schaute mich um. Ich schätzte den Durchmesser der Glaskugel, auf der ich stand, auf ungefähr zehn Kilometer. Wenn ich dem Gefälle folgte, so konnte ich mindestens noch ein oder zwei Kilometer gehen, ehe es infolge der zunehmenden abfallenden Wölbung wirklich unangenehm werden würde. Doch schon jetzt erzeugte der Gedanke, einmal ins Rutschen zu kommen und dann ins Bodenlose zu fallen einen eigenartigen Druck im Oberbauch. Es gab kein Geländer, jedenfalls nicht in Sichtweite, und die blankpolierte Oberfläche versprach keinerlei Halt. Obwohl die Schräge an meinem Standpunkt noch nicht besorgniserregend war, beschloss ich trotzdem, mich erst einmal in Richtung des höchsten Punktes dieser Sphäre zu begeben. Ein paar hundert Meter Fußmarsch, mehr nicht, schätzte ich.
(wird fortgesetzt)
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