Heute: Norbert Röttgen beim Versuch, das Universum von seinen Aufgaben zu entbinden (und dabei hinter zwei marodierende Leukoplaststreifen geratend)
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Donnerstag, 24. Mai 2012
Donnerstag, 10. Mai 2012
Der kluge Hausmann weiß Rat
Frage: Kluger Hausmann, mein Problem mag Dir im Vergleich mit dem ganzen Unrecht auf der Welt vielleicht etwas albern und bedeutungslos erscheinen, aber ich weiß mir wirklich nicht mehr zu helfen.
Kluger Hausmann: Nur wenn wir unsere Probleme im Kleinen lösen, können wir auch die Probleme der Welt angehen. Wo drückt denn der Schuh?
...: Ach, seit mein kleiner Engel mit diesem riesigen Zombie angekommen ist halte ich es in meinem Haus kaum noch aus. Anfangs ging es ja noch recht gut, doch der Zombie stinkt bestialisch, und es wird immer schlimmer. Ich möchte ihn aber nur ungern entsorgen müssen oder fortjagen, der Engel hängt so sehr an ihm! Was soll ich nur tun?
Kluger Hausmann: Au weia, das ist ganz bestimmt arg gewöhnungsbedürftig, so ein Gestank. Um was für eine Art Zombie handelt es sich denn?
...: Hm?
Kluger Hausmann: Wenn ich einen brauchbaren Rat geben soll, muss ich natürlich wissen, um was für eine Art von Zombie es sich handelt. Ist es ein I-Zombie, ein L-Zombie oder ein S-Zombie?
...: Ich fürchte, ich kenne mich da nicht so gut aus. Wo ist denn der Unterschied?
Kluger Hausmann: Nun, es gibt die sogenannten Infektions-Zombies, die Lethal-Zombies und zu guter letzt auch noch die Simulanten-Zombies. Ein Infektions-Zombie ist im Grunde nichts anderes als ein kranker Mensch, der durch bakteriologische bzw. physiologische Zerfallsprozesse zu einem willen- und geistlosen Monstrum geworden ist. Bei einem solchen Zombie rührt der Gestank einzig und allein von mangelnder Körperhygiene her, denn seine Säfte und sein Gewebe sind noch am Leben. Ein Bad oder eine Dusche ab und zu, und das Problem dürfte gelöst sein.
Schwieriger wird es allerdings, wenn Ihr Zombie ein sogenannter Lethal-Zombie ist. Denn das würde bedeuten, dass wir es im wahrsten Sinne des Wortes mit einer Leiche zu tun haben, die natürlich allen nur denkbaren Verwesungsprozessen unterworfen ist. Verliert Ihr Zombie denn Fleisch- oder Gewebestücke? Oder sind Ihnen schwerwiegende Verletzungen oder unverheilte Stümpfe von Gliedmaßen aufgefallen?
...: Nun, sein linkes Auge baumelt nur noch am Sehnerv neben seiner Nase und aus der leeren Höhle läuft ununterbrochen eine braungelbe stinkende Flüssigkeit. Und neulich, als ich auf der Leiter stand und er an mir vorüberging mit meinem Engel auf seinem Kopf, da konnte ich für einen kurzen Augenblick durch seinen Kopf hindurchgucken. Ich meine, ich konnte in das eine Ohr rein und zum anderen Ohr hinausschauen, als wäre gar nichts dazwischen. Das ist doch nicht normal, oder?
Kluger Hausmann: Hm, ist Ihnen sonst noch etwas aufgefallen?
...: Ja, die Kopfhaut des Zombies ist mit etlichen Klammern an seinem Schädel festgetackert, allerdings mit einigem Faltenwurf, daher ist es mir überhaupt erst aufgefallen. Was hat das zu bedeuten?
Kluger Hausmann: Nun, das bedeutet vermutlich, dass der Zombie durch eine Kopfverletzung sein Gehirn verloren hat. Um ihn weiter benutzen zu können und um einer unauffälligen Ästhetik willen wurde der Schaden notdürftig mit einem Tacker wieder geflickt. Das kommt gar nicht so selten vor. Doch was Ihre Frage betrifft dürfte der Fall klar sein: Sie besitzen einen Lethal-Zombie. Wie Sie sich jetzt sicher schon denken können ist sein Gestank immanent, das heißt ein fundamentaler Aspekt seines Zombieseins, und dem ist leider nicht so leicht beizukommen. Falls Sie Ihrem Zombie weiterhin Zugang in Ihr Haus gewähren wollen werden Sie nicht umhin kommen, ihn luftdicht zu verpacken. Fürs erste können Sie es natürlich mit mehreren Lagen Frischhaltefolie versuchen. Diese muss aber sehr eng und fest gewickelt werden; ein Vorgang, der einige Zeit in Anspruch nimmt und auf den mancher Zombie zuweilen etwas unwirsch reagiert. Ich empfehle daher einen Gang zum Fachhändler für Zombiebedarf. Dort gibt es luftdichte Zombiehüllen aus reissfestem Kevlargewebe in allen Variationen was Größe, Form und Färbung betrifft; neuerdings sogar mit Fruchtaroma.
...: Aber wie ernährt er sich dann, wenn er luftdicht verpackt ist? Und ist das überhaupt human?
Kluger Hausmann: Wir sollten nicht allzu viele unserer Vorstellungen auf Zombies übertragen. Empfindungen wie Platzangst oder Beklemmung infolge der Verpackung sind ihnen fremd. Schauen Sie sich nur Ihren eigenen Zombie an, er hat ja nicht mal mehr ein Gehirn.
...: Ja, das stimmt natürlich. Aber irgendwie muss er doch seine Bewegungen koordinieren? Schließlich ist er recht gut zu Fuß, manchmal begleitet er mich sogar beim Joggen.
Kluger Hausmann: Das trifft sich ja hervorragend. Jede Zombiehülle verfügt nämlich über ein Ventil, über welches von Zeit zu Zeit der entstehende Überdruck durch die Verwesungsgase abgelassen werden muss. Das können Sie ja dann draußen in freier Natur erledigen.
...: Aber die Ernährung?
Kluger Hausmann: Zombies brauchen viel weniger Nahrung als gemeinhin angenommen wird. Tatsächlich benötigen sie praktisch überhaupt keine Zufuhr von Nährstoffen. Ihre sprichwörtliche Gier nach Gehirnen und frischem menschlichen Gewebe ist lediglich ein Reflex, hervorgerufen durch eine Art Hintergrundrauschen ihrer Verbindung in eine parallele Raumzeit, wo sich stets ein spiegelbildlich an Demenz erkranktes Alien befindet.
(Der Fragesteller beginnt sich nun unwohl auf seinem Stuhl zu winden und schaut demonstrativ auf seine Armbanduhr)
...: Äh...ja, vielen Dank! Ich würde das wirklich noch gerne vertiefen, aber ich habe leider gleich noch einen Termin am anderen Ende der Stadt. Sie haben mir sehr geholfen, Kluger Hausmann.
(geht ab)
Kluger Hausmann: Gerne! (die Stimme erhebend und dem Besucher nachrufend): Und nächstes Mal erkläre ich Ihnen noch, was es mit den Simulantenzombies auf sich hat!
Montag, 7. Mai 2012
Freitag, 4. Mai 2012
Die Untersuchung
"So so, Schmerzen im Oberbauch, seit wann denn?"
Der Arzt ordnete drei Blatt sehr sparsam beschrifteter DIN A 4 Bogen in immer neuen Reihenfolgen, doch so sehr er sich auch bemühte, er konnte keine weiteren Informationen über Namensuchmann finden ausser drei langen Reihen neins auf den Fragebögen nach Medikamentenabhänigkeiten, chronischen Erkrankungen und diversen Allergien.
"Eigentlich keine Schmerzen, nur so ein seltsames Gefühl, als würde sich da etwas tun", meinte Namensuchmann vorsichtig, während er an dem runden Gesicht des Arztes vorbeischaute und den Blick durch das dahinterliegende Fenster nach draußen wandern ließ. Es war ein sehr sauberes Fenster mit sehr weißen Gardinen.
"Aha", murmelte der Arzt und rückte sich seine randlose Brille zurecht ohne dabei den Blick von den Papieren zu erheben. Mit seiner rechten Hand tastete er unter dem Schreibtisch nach dem roten Knopf und drückte ihn. Namensuchmanns Stuhl kippte nach hinten und schräg hinein in ein großes quadratisches Loch, das sich unmittelbar zuvor lautlos geöffnet hatte. Er rutschte durch eine lange, dunkle, aber angenehm glatte Röhre von etwa einem Meter Durchmesser geschätzte zwanzig Meter in die Tiefe. Unten machte die Röhre eine Biegung und sorgte somit für eine schmerzfreie Verzögerung des am Anfang freien Falls. Mit nun eher mäßiger Geschwindigkeit durchlief Namensuchmann eine Station mit rotierenden Metallarmen, die ihn vollständig in Frischhaltefolie einwickelten. Sofort spürte er eine angenehme Verringerung jeden Alterungsprozesses. Dann folgte der gierige, kreisrunde Rachen eines Computertomographen, den er mehrmals durchflitzte wie das Schiffchen einen Webstuhl. Jedes Mal, wenn er den Tomographen am anderen Ende kurz verließ konnte er einen flüchtigen Blick erhaschen auf die große Glasscheibe, die den Untersuchungsraum vom dahinterliegenden Kontrollraum trennte. Zuerst sah er nur die beiden Handflächen, die von der anderen Seite parallel und in Kopfhöhe dagegengepresst wurden. Wie magisch zogen diese Handflächen seinen Blick auf sich, doch nach den ersten Durchläufen durch diese seltsame Maschine zwang sich Namensuchmann, auch auf die anderen Dinge dahinter zu achten. Er erkannte die Silhouette einer offensichtlich nackten Frau, die ein weißes Schwesternhäubchen über ihren kastanienbraunen, zu einem Dutt geflochtenen Haaren trug. Sie schien völlig bewegungslos mit ihren Händen an der Scheibe zu kleben.
Da die Frischaltefolie Namensuchmann auch über das Gesicht reichte begann er Überlegungen anzustellen, wann er wohl das Bedürfnis zu atmen verspüren würde. Vor diesem Moment begann er sich nun zu gruseln, als ein beunruhigendes Vibrieren, fast schon ein Rütteln, den Tomographen erfasste. Namensuchmanns lineare Pendelbewegung kam genau dann zum Stillstand, als er sich ausserhalb der Röhre und mit Blick auf die Glasscheibe befand. Das Vibrieren dauerte jedoch weiter an, nun auch noch angereichert mit dumpfen Schlägen, als ob irgendwo in der Tiefe ein Stahlträger gegen ein ausser Kontrolle geratenes Zahnrad schlagen würde.
Wegen der Folie war Namensuchmann völlig hilflos und konnte daher nichts anderes tun als sich der Beobachtung der nackten Schwester hinter der Glasscheibe zu widmen, glücklicherweise war sein Kopf zufällig in die richtige Richtung gedreht.
Nun, da er die Szenerie ohne Unterbrechung beobachten konnte, sah er, dass sie keineswegs so statisch war wie er anfangs gedacht hatte. Die Abdrücke der Handflächen wurden abwechselnd heller und breiter, dann wieder dunkler und schmaler. Heller und breiter, dunkler und schmaler. In demselben Rhythmus klatschten auch die Brüste der Medizinisch Technischen Angestellten von hinten gegen die Scheibe. Das war Namensuchmann zuvor gar nicht aufgefallen, da er sich zum Zeitpunkt der Busenklatscher stets schon wieder auf dem Rückweg in die Röhre befunden hatte. Hinter der Frau, stehend und ganz in weiß gekleidet, konnte Namensuchmann eine größere Gestalt erkennen, offensichtlich ein männliches Exemplar der Gattung Mensch, mit dunklen Haaren und einer großen Brille, in der sich die bunten Lichter des Kontrollpultes spiegelten.
Während ihre Brüste weiterhin rhythmisch gegen die Scheibe klatschten ließ die nackte Frau eine ihrer Hände nach unten wandern, wo sie offensichtlich nach etwas tastete, das sich unterhalb der Glasscheibe befinden musste. Die Hand kam wieder hoch und umklammerte ein dickes altmodisches Mikrophon. Die Frau versuchte, hineinzusprechen, aber das erwies sich als gar nicht so einfach, das Mikrophon schlug mehrfach heftig gegen die Scheibe.
"Kein Grund.... klatsch klatsch ...völlig normal unter diesen... klatsch peng....die Untersuchung wird sofort.... peng klatsch ....fortgeführt. Bitte bewahren Sie...klatsch klatsch...."
Mit dem Geräusch des letzten Klatschers im Kopf und dem Bild kreisrunder Brüste die gegen eine Scheibe gepresst werden wurde Namensuchmann wieder in die Röhre gesogen. Doch anstatt die altvertraute Pendelbewegung wieder aufzunehmen schoß er durch den Tomographen hindurch und wurde wieder nach oben gesaugt in das Sprechzimmer. Unterwegs wurde ihm von den metallenen Roboterarmen die Frischaltefolie vom Körper gerissen und seine zusammengepresste Kleidung zurechtgezupft. Binnen weniger Sekundenbruchteile stellte sich das unbehagliche Gefühl des Alterns wieder ein.
Der Stuhl ruckelte noch ein wenig, bis Namensuchmanns Gewicht wieder perfekt auf der Sitzfläche verteilt war. Auch die Rückenlehne drückte und zog noch etwas, bis auch Namenschuchmanns Haltung den neuesten orthopädischen Standards entsprach.
Der Arzt blickte noch immer nicht von seinen Papieren auf. Stattdessen drehte er sich zur Seite und besah sich ein seltsam buntes Foto auf einem ultradünnen Flachbildschirm.
"Hm...", sagte er. "Hm...."
Namensuchmann nutzte die Pause, um sich auf seinem Stuhl umzudrehen und den Fußboden hinter sich zu betrachten. Die Fugen der Falltüre waren eindeutig zu sehen. Sogar die Aussparungen der Scharniere ließen sich erkennen. Er hatte also weder eine Halluzination noch einen Wachtraum gehabt.
"Hm...", sagte der Arzt nochmals. "Das ist wirklich erstaunlich. Wenn die Aufnahmen des CT stimmen, und davon gehe ich aus, denn das Gerät wurde vorige Woche erst gewartet, dann kollidieren in Ihrer Brust gerade zwei Galaxien. Eine Spiralgalaxie und eine Balkengalaxie, um genau zu sein. Der Durchdringungsgradient hat gerade sein Maximum erreicht, und ein besonders langes Gezeitenfilament erstreckt sich bis in Ihre linke Herzkammer. Ich nehme an, dieses Filament ist es, das in Ihnen das Gefühl hervorruft, dass sich `etwas tut´ in Ihrer Brust."
"Und nun?", fragte Namensuchmann.
"Um Himmels willen, ich bin doch kein Astronom", patzte der Arzt etwas zu laut für Namensuchmanns Geschmack. "Ich überweise Sie an die astronomische Fakultät der hiesigen Universität, dort wird man Ihnen sicher weiterhelfen. Ich bin Internist, kein Physiker!"
"Darf ich mir die Bilder mal ansehen?", fragte Namensuchmann und beugte sich etwas vor, um den Bildschirm etwas zu sich heranzudrehen.
"Sieht das nicht aus wie ein Buchstabe?", fragte er. "Dieses Filament hier, das in meine linke Herzkammer reicht. Es ist doch arg sonderbar geschwungen."
Der Arzt hob sich seine Brille über die Augen und blinzelte auf den Monitor.
"Na jaaa...kann schon sein. Ja....man könnte es durchaus für ein kleines d halten, finden Sie nicht auch?"
Dienstag, 1. Mai 2012
Frühlingsmorgen
Es ist ein sonniger Morgen, bis zum Anschlag durchfüllt mit dieser klaren Frühlingsluft, welche die weit entfernten Baumwipfel vor optischer Schärfe leise klirren und flirren lässt. Die Tasse mit dem Matetee steht neben mir auf der Bank, auf meinem Schoß liegt das Magazin, das eben vom Postmann gebracht wurde. Auf dem Titel, wie nicht anders zu erwarten, der Aufhänger schlechthin in diesen Tagen: die Zombiepandemie. Skandinavien verloren, die ersten Untoten in Dänemark und Litauen gesichtet. Ich nehme einen großen Schluck aus meiner Lieblingsteetasse und blättere die ungewöhnlich dünne Ausgabe rasch nach hinten durch bis zum Kulturteil. Er ist kaum vorhanden und besteht lediglich aus der kurzen Filmkritik eines, achtung Ironie des Weltgeistes, Zombiefilms namens "Juan of the Dead". Der allerdings spielt auf Kuba und soll sehr witzig sein. Zombies und real existierender Sozialismus. Eigentlich wollte ich mir den schon längst ansehen, aber er läuft hier nicht. Weder hier noch in der weiteren Umgebung. Keine sehr gute Zeit für Zombiefilme, wenn die Realität sie einholt. Etwas kitzelt auf meinem Unterarm, ich vermute eines dieser winzigen Löwenzahnschirmchen, die um diese Jahreszeit überall herumfliegen. Ich schaue genauer hin und erkenne einen winzigen menschlichen Leichnam, seltsam durchsichtig und porös, daher leicht wie eine Schneeflocke. Er bewegt sich ruckartig und zuckend auf meiner Haut, daher das Kitzeln. Ich reibe mit meiner Hand darüber, zurück bleibt ein graugelber, pudriger Fleck, ähnlich dem Staub den ein Schmettlerlingsflügel hinterlässt bei Berührung. Ich schaue nach oben und beschatte meine Augen; die leichte Brise, die in der Höhe nur zu erahnen ist, trägt weitere winzige Gestalten vor der Sonne vorüber, wie die Saat einer neuen Zeit.
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