Dienstag, 17. Juni 2008

Es lag dort ganz unscheinbar .... (Lichtgefleckt, 2.Teil)



...

Es musste das gelbe Pappelblatt sein, das dort auf dem grünen Teppich der gestutzten Grashalme lag. Dabei war es noch nicht einmal Mitte Juni, der Herbst noch in weiter Ferne. Ich schaute hinauf in die Krone der Pappel. Dunkelgrün, frühlingssatt glänzend, fast glitzernd, zitterte das Laub im Wind, doch immer noch unhörbar, jedenfalls für meine ansonsten guten Ohren.


„Wo bin ich?“, fragte wieder das Stimmchen, das ich mehr spürte als hörte.


„Es ist so still“


Ich räusperte mich. Was sollte ich sagen? Ich blickte mich nochmals um. Nein, es gab keinen Zweifel. Ich hörte die Stimme, oder vielmehr die Gedanken eines gefallenen Pappelblattes. Es war nicht sehr groß, vielleicht halb so lang wie die anderen, gewöhnlichen Blätter, die jetzt noch zu tausenden ein dichtes Laubdach bildeten zu meiner Rechten.


„Wer bist Du?“, fragte plötzlich das Stimmchen und riss mich aus meinen geometrischen Betrachtungen.


„Wer....Ich.....?“ stotterte ich und fühlte mich fast ein wenig ertappt. Dabei hatte ich allen Grund, etwas verwirrt zu sein.


„Ja, Du!“


„Ich....ich bin Cugel“, sagte ich endlich. Und in Anbetracht dessen, dass ich mich mit einem Pappelblatt unterhielt, fügte ich hinzu: „Und ich bin ein Mensch“.


„Ein M´nsch? Was ist das?“

„Ein Mensch ist ein Wesen aus Fleisch und Blut“, fiel mir ein, und ich betonte das Wort Mensch mehr als nötig, gerade so, als würde ich eine Deutschstunde halten. Im selben Moment war mir das auch schon peinlich. Aber mein Faux pas schien nicht bemerkt worden zu sein, oder es wurde großzügig darüber hinweggesehen.


Inzwischen hatte ich mich von der Bank erhoben und mich neben das Pappelblatt ins Gras gesetzt, mich abermals fast verstohlen umblickend, als täte ich etwas Verbotenes.


Es war ganz normales Laub. Na ja, es war gelb, und das im Frühling, aber ansonsten konnte ich nichts Ungewöhnliches entdecken. Gleichzeitig fragte ich mich, was ich eigentlich erwartete, während ich es mir eingehend ansah. Womöglich ein Gesichtchen? Augen? Ein Mund? Immerhin sprach es zu mir. Doch nicht über meine Ohren, soviel hatte ich inzwischen begriffen.


Ich fasste nach dem Stiel, vielleicht war ja auf der Unterseite etwas zu sehen.


„Ohhhh“, fiepte das Stimmchen.

(wird fortgesetzt)



Keine Kommentare: