Sonntag, 24. Mai 2009

Bürstenseelen (2007)

Wenn ja, was hat dann wohl eine Seele auf ihrem Kerbholz, wenn sie als Klobürste wiedergeboren wird? Vielleicht gibt es ja ein internes Ranking unter den Bürsten, eine Art Rangliste des sozialen Status. Wer gehört zum Bürstenadel, wer zum Proletariat?

Doch egal, ob nun die Kleiderbürste hochnäsig auf die Schuhbürste hinunterguckt oder ob Drahtbürsten Pilzbürsten für dekadente Weicheier halten, keine unter den Borstigen hat wohl eine größere Arschkarte gezogen als die Klobürste. Nicht nur, dass sie in ihrer exponierten Wartestellung Zeuge von so manchem gewöhnungsbedürftigen Geschäft werden muss, nein, hinterher wird sie auch noch rabiat und rücksichtslos durch die Sch... gepömpelt.

Wobei ich mich an eine Comedysendung auf Pro7 zu erinnern beginne. Der Moderator, der einen relativ bekannten Namen trägt, welcher mir aber im Moment entfallen ist, trägt mit penetranter Chuzpe ein bleckendes Riesengrinsen zur Schau, das mittlerweile zu seinem Markenzeichen avanciert ist. In jeder seiner Sendungen stellt er eine Kuriosität vor, welche meist in Form eines materiellen Gegenstandes daherkommt, genausogut aber auch ein Ausschnitt aus einer Illustrierten oder eine Nachrichtenmeldung sein kann.

Ich gucke sowas normalerweise nicht, doch nach 44 Jahren Fernseherfahrung hat das Unterbewußtsein gelernt, gezielt in solche Sendungen reinzuzappen, wo es just in dem nämlichen Augenblick eine interessante Gegebenheit zu erfahren gibt.
Ich zappte also vor mich hin, als ich besagten Moderator erblickte und, von seiner grinsenden Dämlichkeit kurzzeitig fingergelähmt, eine Weile bei ihm verweilte. Er war gerade zum Ende seiner Sendung gekommen, und es war an der Zeit, die Kuriosität des Tages vorzustellen. Diesmal kam sie in Form einer relativ unspektakulären Bürste einher, größenmäßig mit einer Kleiderbürste vergleichbar. Die Borsten waren jedoch nicht gleich lang, sondern bildeten einen V-förmigen Querschnitt, ähnlich einem umgekehrten Schiffsrumpf. Bald schon rückte der Moderator, dessen Name mir immer noch nicht einfallen will, mit dem eigentlichen Zweck des Gegenstands heraus: Es war eine ... hm ... wie soll ich sagen ...es war eine Arschbürste. Der V-förmige Querschnitt war dazu gedacht, um zwischen den Hinterbacken bürstend zum Ort des Geschehens vorzudringen und daselbst reinigend tätig zu werden.

„Zweifellos eine Bürste, deren soziale Stellung noch unterhalb der Klobürste angesiedelt ist!“, möchte man da sofort feststellend ausrufen, und vermutlich würde man keinen nennenswerten Widerspruch ernten. Der Anblick einer lauernden Klobürste in der Ecke neben der Toilette ist nicht nur vertraut, sondern in seiner selbstverständlichen Erscheinung geradezu beruhigend. Würde sie fehlen, würde uns unweigerlich der Angstschweiß kleine Perlen auf unsere Stirn treiben. „Um Gottes willen....was soll ich nur tun, wenn....?“ Man wagt gar nicht, weiterzudenken.

Wer hingegen behauptet, eine fehlende Arschbürste wecke bei ihm Zustände der Beklemmung, muss sich, völlig zu recht, eindringliches Nachfragen nach seinem Gemütszustand gefallen lassen.

Viel eher stellt sich ein Gefühl der Beklommenheit ein, wenn ein solches Utensil nicht fehlt. (Vorausgesetzt, man ist, und sei es durch Zufall, mit dem Verwendungszweck vertraut). Im Nu würde sich das betreffende Badezimmer in einen Hort des Schreckens verwandeln. Man wäre bestrebt, möglichst viel Raum zwischen sich und der Bürste zu lassen, würde zwanghaft vermeiden, sie anzusehen, natürlich erfolglos, in panischem Entsetzen würde der Blick beständig wie magisch von dem Ding angezogen. Der Badezimmerbesitzer würde im Nu zum Hauptdarsteller eines inneren Videos, das der virtuellen Gebrauchsanweisung der Bürste entlehnt sein könnte.
Vollends in die Katalepsie würde einen jedoch treiben, wenn auf einer Party eine angehimmelte Person aus dem Schreckenskabinett käme mit den Worten: „Jetzt bin ich endlich das Fahrradöl unter meinen Fingernägeln los, dieser Typ hat eine geile große Nagelbürste in seinem Bad!“

Doch zurück zu den Klobürsten. Natürlich gibt es sie in den veschiedensten Farben und den phantasievollsten Griffformen; von den mannigfaltigen Ausführungen der jeweiligen Halterungen ganz zu schweigen. Aber es gibt ein Detail, an welchem sich zwei verschiedene Schulen von Klobürsten identifizieren lassen: es gibt sie entweder mit oder ohne zusätzlichen Bürzel.

Der Bürstenkopf einer gewöhnlichen Klobürste ist zylinderförmig mit halbkugeligem Abschluss, nichts weiter. Dann gibt es jedoch noch die Ausführung mit zusätzlicher Bürzelbürste: eines beborsteten, u-förmigen, mit Kunststoff ummantelten verdrillten Doppeldrahtes, der mit seiner Rundung in Richtung Stielgriff weist und dazu gedacht ist, die WC-Randunterseite zu reinigen.

Ich hielt diese Zusatzfunktion lange Zeit für albernen Schnickschnack, wie gemacht für Witwen- und Schulrektorenhaushalte. Doch man sollte immer bereit sein, hinzuzulernen. Als es bei ALDI Klobürsten samt Halterung zu kaufen gab, griff ich zu, denn meine damalige Toilettenausstattung hatte ihren ästhetischen Zenit längst überschritten. Dass die ALDI-Bürsten mit jenem ominösen Bürzel ausgestattet waren, störte mich seltsamerweise nur kurz. Die Neugier überwog sehr schnell meinen Dünkel, und ich nahm die Herausforderung an.

Schnell noch eine WC-Ente gekauft (das ist dieser Reiniger mit dem komischen, doch enorm praktischen Entenhals), und los gings, der WC-Randunterseite an den Kragen.

Was soll ich sagen...wenn man zum allerersten mal eine Klobürzelbürste verwendet, ist das Putzerlebnis durchaus....beeindruckend. Das bleibt es auch noch einige Tage, doch irgendwann stellt sich Besserung ein, und man erblickt Licht am Ende des Tunnels. Tägliches, mehrmaliges Reinigen, unter Zuhilfenahme geradezu umweltkrimineller Mengen an WC-Reiniger, mündet schließlich nach ca. einer Woche in das grandiose Erlebnis, dass der Bürzel völlig sauber und rein bleibt, obwohl man ziemlich nachdrücklich die WC-Randunterseite damit bearbeitet hat.

Das ist dann auch der Zeitpunkt, an dem man sich fragt, wie man es nur all die Zeit ohne Bürzelbürste ausgehalten hat.

Sollte ich mit meiner Schilderung jemanden zum Kauf einer solchen Bürste angeregt haben, sollte der- bzw. diejenige auf folgendes achten: der Draht der Bürzelbürste, an welchem die Bürzelborsten angebracht sind, hat notwendigerweise einen Knick, da er zuerst rechtwinklig von dem Bürstenstab wegführt, irgendwann aber parallel dazu verlaufen muss, und zwar in Richtung des Griffes, also „nach oben“. Der Draht ist natürlich kunstsoffummantelt, doch der Knick ist geradezu prädestiniert, an der Kloschüssel anzuschlagen und das nackte Metall darunter freizulegen. Das beginnt sogleich zu rosten und verleiht der näheren Umgebung des Drahtes eine unangenehme bräunliche Färbung, welche erst recht an einer Klobürste natürlich nichts zu suchen hat. Die Assoziationen, die damit einhergehen, brauche ich wohl nicht näher zu erläutern.
Zusätzlich glaube ich in der Toilettenschüssel selbst bereits kleine Kratzer des bloßgelegten Drahtes ausmachen zu können. Ich hoffe, die sind nicht von Dauer und lassen sich unter Zuhilfenahme von genügenden Mengen Chemie wieder tilgen.

Bei meiner ALDI-Bürste war der Knick durch nichts weiter geschützt als die Drahtummantelung selber, mit den oben beschriebenen Folgen. Also kaufte ich mir vorgestern eine neue Bürste, diesmal von Obi, mit verwegenem blauen Stabgriff.

Das Entscheidende daran ist jedoch, dass der Knick der Bürzelbürste zusätzlich geschützt ist, indem der Kunststoff des Stabes zu einer dicken Ummantellung ausgeformt und ein Stück weit um den Knick herumgezogen ist. Dadurch ist dieser nun mit einer zusätzlichen ca. 3mm dicken Kunststoffschicht vor Beschädigungen geschützt.

Nun darf wieder fröhlich gepömpelt werden.

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