Montag, 4. Mai 2009

Gummis und Minen (2007)

Mein bisheriges Leben verlief bisher zur Gänze ohne jegliche Verwendung von Feinminenbleistiften. Erstens erschien mir ihre kunststoffliche Beschaffenheit als viel zu profan, banal und bar jeder Sinnlichkeit, und zweitens wollte ich nie auf die handwerkliche Herausforderung verzichten, wie sie einem in Form des korrekten Anspitzens eines althergebrachten Holzbleistiftes entgegentritt.
Es ist einfach eine Wonne, wenn das Messer des Spitzers fast ohne Widerstand durch das Holz gleitet und eine hauchdünne Girlande abschält, verziert mit winzigen Minensplittern. Mit etwas Geschick kann man auf diese Weise Minenspitzen herstellen, die es einem ermöglichen, so winzig zu schreiben, dass man zwei Buchstaben innerhalb eines Millimeters unterbringen kann. Für solcherlei Unterfangen empfiehlt sich eine mittlere Minenhärte. Denn ist die Mine zu hart, muss man zu stark aufdrücken, um etwas erkennen zu können, wodurch die Papieroberfläche dermaßen eingedrückt wird, dass es fast unmöglich ist, die angestrebten zwei Buchstaben pro Millimeter zu realisieren. Ist die Mine hingegen zu weich, erreicht die Strichdicke schon nach wenigen Buchstaben eine Breite, die für eine Fortführung des Versuchs völlig untauglich ist.

Nun bin ich aber seit einiger Zeit stolzer Besitzer eines exklusiven Notizblockes, welcher kraft seiner Natur nun mal nicht dazu gedacht ist, am heimischen Schreibtisch, in bequemer Reichweite eines vorzüglichen Spitzerdöschens, sein Dasein zu fristen.
Gleichzeitig scheint mir die Verwendung von Füllern, respektive Tinte, besonders für den mobilen Einsatz reichlich unpraktisch, da man ja jederzeit mit einer unvorhergesehenen Unterbrechung des Schreibprozesses rechnen muss (z.B. angreifende Pygmäen, auftauchende Eisbären etc.). Die Gefahr, dass es beim überstürzten Zuklappen des Blockes zu unschönen Verschmierungen kommen könnte, scheint mir nicht allzu weit hergeholt.
Doch auch in ungefährdeten Schreibsituationen erscheint mir Tinte unpraktisch. Erreicht man nämlich schreibend das untere Ende einer Seite und möchte umblättern, muss man sich zuerst sorgfältig vergewissern, dass die Tinte überall ordentlich abgetrocknet ist. Eine oft unwillkommene und störende Unterbrechung des kreativen Flusses.

Vor solchen Unbilden ist man natürlich bei Verwendung eines Kugelschreibers geschützt. Allerdings kann es bei Verwendung allzu billiger und damit qualitativ minderwertiger Exemplare auch zu vereinzelten Klecksereien kommen, wenn die Mine die Schreibpaste nämlich nicht kontinuierlich, sondern in Schüben abgibt. Insbesondere während längeren Denkpausen sammelt sich gerne Schreibpaste außerhalb der Kugel auf der Mine an, welche dann bei erneutem Kontakt mit dem Papier als Batzen auf die Oberfläche übertragen wird und dort dann durch ihre stoische Präsenz das Schriftbild äußerst negativ beeinflusst. Dies ist selbst dann der Fall, wenn keine anschließende ungewollte Verschmierung erfolgt.

Der größte Nachteil des Kugelschreibers ist allerdings, dass das Geschriebene nicht wieder gelöscht bzw. korrigiert werden kann. Dieses Manko trifft zwar eingeschränkt auch auf die Verwendung eines Füllers zu, doch kann man sich bei Tinte immerhin eines Tintenkillers bedienen. Über die Coolness eines solchen Pennälerwerkzeugs in den Händen eines erwachsenen Menschen lässt sich allerdings trefflich streiten.

Lange Rede, kurzer Sinn: Für den mobilen Einsatz bin ich seit einiger Zeit im Besitz eines FABER-CASTELL, Grip 1345, 0.5! Als Farbe kam selbstverständlich nur schwarz in Frage. An seinem der Spitze gegenüberliegenden Ende ist ein schmaler, weisser Radiergummi versteckt, der mittels Drehung zum Vorschein gebracht werden kann.
Sein Vorhandensein war mir anfangs nicht wichtig, da ich bisher Radiergummis an Bleistiftenden in nicht sehr guter Erinnerung hatte. Sie verlieren leider nur allzu schnell ihre Geschmeidigkeit, werden hart und spröde und taugen dann mehr zum Verschmieren als zum Radieren.

Vor einer Woche nun weihte ich mein Notizbuch endlich ein, und ich stellte fest, dass der Radiergummi äußerst gute Dienste leistet. Selbstverständlich ist er nicht dazu gedacht, ganze Seiten wieder zu tilgen. Aber ein verschriebener Buchstabe, ein falsches Wort ist ohne Mühe und sehr schnell wieder beseitigt. Ich hoffe, die Radiergummiindustrie hat dazugelernt und die Dinger sind nun etwas dauerelastischer als ihre spröden Vorfahren.

Nicht zu unterschätzen ist auch die Theatralik und damit die Außenwirkung des Radierens mittels eines auf dem Bleistift angebrachten Gummis. Im Gegensatz zu Kugelschreiber und Füller, bei welchen die Korrektur entweder mittels brutalem Durchstreichen erfolgt oder durch umständliches zweifaches Entdeckeln und Wiederverschließen eines separaten Tintenkillers begleitet wird, erfolgt das Verbessern von Bleistiftgeschriebenem bei weitem eleganter.

Vorausgesetzt natürlich, der Protagonist hat die richtige Technik drauf:

Der Bleistift wird zwischen Daumen, Zeige- und Mittelfinger in einer einzigen, fließenden Bewegung gedreht. Dem Radiervorgang folgt eine zwei-, höchstens dreifache äußerst knappe Wischbewegung mit derselben Hand, in welcher sich der Stift befindet. Und zwar dergestalt, dass nur die Oberseiten von kleinem Finger und Ringfinger das Papier berühren und damit die Abriebwürstchen zur Seite fegen. Alsdann erfolgt die erneute Drehung des Bleistifts, wieder nur mittels dreier Finger und ohne Zuhilfenahme der anderen Hand, welche sowieso mit dem Festhalten des Blockes beschäftigt ist.

Dermaßen ausgerüstet und vorbereitet sind den kühnsten poetischen Höhenflügen keine Grenzen gesetzt!



1 Kommentar:

Linnea hat gesagt…

Auftauchende Eisbären.. ja, diese Geschichte muss wirklich von 2007 sein! Da gab's sowas noch..

"Abriebwürstchen" ist mein neues Lieblingswort, danke dafür.