Freitag, 27. März 2009

Erdgedanken


Ecki glitt vom Laternenmast, niemand wusste, wie er dort hinaufgekommen war. Er glitt herab und glitt in den Asphalt der Straße, glitt weiter durch Sand und Mergel, jetzt moderiert er Neutronen im Erdinneren, damit der natürliche Reaktor dort unten nicht in tausend Stücke zerplatzt. Keiner weiß, was wäre, wäre Ecki nicht die Laterne hinuntergerutscht.

15:55 Uhr, Berlin Mitte, Café Zapata im Tacheles

Ich bin der einzige Gast. Vor mir steht ein Halbliterglas Bier, vom Fass, die Marke ist mir nicht bekannt, aber es schmeckt gut, ist erfrischend, obwohl es draußen alles andere ist als warm. Tatsächlich ist es recht kalt, fast schon eisig.
Fast schon eisig. Besoffen von einem Glas Bier und eisig. Eine gefährliche Mischung.

Verschafft es einem irgendeine Form der Befriedigung, in einen Vulkan zu kotzen? Und macht es hierbei einen Unterschied, ob der Vulkan erloschen ist, aktiv oder ob er nur schläft? Vielleicht entfahren ihm ja nur kleine Schwefelwölkchen aus einem unscheinbaren Riss am Boden seiner Caldera.
Was für ein Gefühl mag es sein, genau darauf sich zu erbrechen?
Oder, krasser noch, sich anderer Stoffwechselprodukte genau über einer solchen Erdspalte zu entledigen? Während die Glutfahne flüssigen Gesteins den Allerwertesten umschmeichelt?

Freitag, 20. März 2009

Unterwegs


Gibt es Wahrheiten, die es zu formulieren lohnt?
Oder zumindest eine Bemerkung, die es wert ist, gemacht zu werden?
Was wird davon bleiben, in zehn Jahren, in hundert Jahren? Wird sie vielleicht zu einer encephalischen Funkenkaskade in den Synapsen des zukünftigen Internetgeistes?

Jedenfalls ist es die Wahrheit, dass ich gestern die Venus sah. Ich überquerte gerade das monströse Gewirr aus Schienen, Weichen und Oberleitungen des Nahverkehrsknotens Ostkreuz in Berlin. Obwohl es tagsüber relativ mild gewesen sein soll (so hörte ich jedenfalls später), fegte nun ein eisiger Wind durch das Geländer der Fußgängerbrücke.
Am Himmel gab es Wolken, sie lieferten sich dramatische Verfolgungsjagden, doch ihre Abendrotfärbung hatten sie schon verloren, gefielen sich nun in einem dramatischen Graublau.
Unter einer Wolkenbank im Westen hatte sich eine Lücke aufgetan, darin stahlblauer, blanker Himmel. Und in dieser Lücke, strahlend und weiß, Venus, der Abendstern, schon ziemlich nahe am Horizont. Ich blieb stehen, stellte mein Gepäck ab und schaute.


Montag, 16. März 2009

Imaginäre Welten, mit Entenscheisse nachgestellt

heute: Die Insel, aus der Fernsehserie "Lost"

Und bei dieser Gelegenheit: Ein kleiner Dank an die beiden Interpretinnen und Kommentatorinnen dieser verworrenen Welt.


Herzlichen Dank!

Sonntag, 15. März 2009

Frau Schubert geht auf Weltreise





(ihr kürzlich erworbener kleiner roter Reiserucksack liegt im Gepäckfach)

Freitag, 13. März 2009

Donnerstag, 12. März 2009

Küchenabenteuer

Es gibt eine Zeit zum schreiben, und es gibt eine Zeit, Geschirr zu spülen.

Wenn man Glück hat, offenbart sich einem die Schreibezeit mit ähnlichem Nachdruck wie sich die Spülzeit mittels eines dreckigen Geschirrberges in Erinnerung ruft. Wobei diese Metapher in Zeiten immer häufiger anzutreffender Geschirrspülmaschinen kontinuierlich an Kraft verliert. Doch wer wäre nicht bereit, eine kleine, unscheinbare Metapher zu opfern, um der täglichen Mühsal ein paar kreative Lebensminütchen abzutrotzen, anstatt sie in die Säuberung schnöden Geschirrs zu investieren?

Wobei oben genannte Metapher ja eben erst das Licht dieser Welt erblickte, da ich sie erfand. Eine Instantmetapher mit Verfallsdatum. Wobei sie nicht nur von der Zeit abhängig ist, sondern in hohem Maße auch von der Geographie und dem jeweils anzutreffenden Wohlstand. Je größer die Spülmaschinendichte, desto exotischer und unverständlicher erscheint die Metapher.

Mehr und mehr zieht sie sich in Gebiete zurück, wo in nicht unerheblichem Umfang noch von Hand abgewaschen wird. Doch die Spülmaschinen sind auf dem Vormarsch, jedes Exemplar ein weiterer Nullpunkt einer metapherfressenden Wellenfront. Meine Küche jedoch ist noch Zuflucht für Metaphern aller Art, fast flirrt die Luft wegen des Gedränges und Geschubbses.

Doch davon ließ ich mich nicht beirren, als ich mich heute grimmig entschlossen dem Geschirrberg näherte.

Alles schien wie immer, das Spülwasser gluckste und pladderte, das Geschirr schepperte und das Besteck klapperte, als es um meine Füße zu kräuseln begann. Ja was? Waren es die flimmernden Metaphern, des chaotischen, ja fast schon fraktalen Gewusels müde, die sich plötzlich zu Rinnsalen und Tentakeln zu ordnen wünschten und an meinen Beinen die Fähigkeit zu laminarer Umströmung fester Hindernisse erproben wollten?

Nein, die Metaphern flirrten und schimmerten ungestört unter der Zimmerdecke, vielleicht etwas verstärkt über der Spüle. Sie waren unschuldig.

Fast schien sich das Hosenbein zu bewegen in der wirbelnden Strömung, es fühlte sich warm an, die Bodenfliesen tanzten einen psychedelischen Rumba. Meine Schuhe schienen seltsamerweise zu schrumpfen, oder meine Füße wuchsen. Ich griff nach unten, wedelte mit meiner Hand in den flirrenden Wirbeln. Ich erschrak nicht schlecht, als plötzlich die Fingernägel länger und länger wurden. Da dämmerte es mir endlich. Eine Blase Quasizeit hatte sich in meiner Küche geöffnet und entleerte sich jetzt ungehemmt in die uns bekannte Raumzeit. Das bleibt normalerweise ohne Folgen, da der Verdünnungseffekt so astronomisch hoch ist, dass die Quasizeit schon wenige Meter von der Öffnung entfernt selbst von einem eridanischen Zeitmeister nicht mehr nachweisbar ist. Ich schien jedoch direkt neben der kaputten Blase zu stehen, also kriegte ich die ganze Wucht der Entleerung mit. Ich sprang zur Seite, als der Spuk auch schon vorbei war. An der Unterschranktüre der Spüle hatte sich ein vergilbter, rissiger Fleck gebildet, wo das Material sichtlich gealtert war. Offensichtlich hatte ich am Rande der Strömung gestanden, so waren meine Fingernägel nur um wenige Zentimeter gewachsen anstatt mehreren Metern. Und warum sich meine Schuhe plötzlich viel kleiner anfühlten, war nun auch kein Geheimnis mehr. Ich ging meine Nagelschere holen.

Mittwoch, 11. März 2009

Sonntag, 8. März 2009

Frau Schubert genehmigt sich ein Bier








Instantbild zum sich-selber-vorstellen


Boris Beckers Gesicht im Weltall, mit Abscheu und Entsetzen in einen frei schwebenden Spiegel mit vergoldetem Barockrahmen blickend, im Hintergrund, aber vor der unendlichen Schwärze des Alls, der Orionnebel, drum herum vereinzelte Sterne, blaue Riesen, rote Riesen, gelbe Zwergsonnen, alle punktförmig. Boris Beckers Augen durch das Hochvakuum aus den Höhlen getreten, frei schwebend, nur noch von den Sehnerven gehalten. Natürlich alles eingetrocknet, gefriergetrocknet, um genau zu sein, die Augäpfel wie verdorrte Disteln an dürren Stengeln stakend. Trotzdem ist an den Pupillen noch ein Rest von Entsetzen festzustellen. Aber nicht das Entsetzen, sich frei schwebend im Weltall wiederzufinden, sondern das Entsetzen, wenn man in einen Spiegel guckt und ein fremdes Gesicht sieht. Doppeltes Entsetzen, wenn es das von BB ist! Unbändige, das Innerste nach aussen kehrende Abscheu, wenn im Spiegel dann noch die Distelaugen von Baabs Feltus oder Anna Ermakowa hinter dem eigenen Kopf auftauchen, wenn ein ganzer Augendistelwald beginnt im gespiegelten Wahnsinn zu wogen. Im Vordergrund ein wurmförmiger Ausserirdischer, der halb aus seiner Untertasse heraushängend, winkend und Grimassen schneidend durchs Bild saust. Die Untertasse stösst kleine Abgaswölkchen aus.

Notiz: Boris Becker aus Gedächtnis streichen, nicht mehr an vertrocknete Augäpfel im Weltall denken.

Donnerstag, 5. März 2009

Chili con Soja

Wer kennt das nicht: man sitzt am Tisch und löffelt ein leckeres, weil selbstgemachtes vegetarisches Chili mit weissen Riesenbohnen und überlegt sich dabei, was für ein Gefühl das wohl wäre, wenn man nicht mit seinem eigenen, sondern einem fremden Gesicht am Schädel durch das All treiben würde. Meinetwegen irgendwo auf halber Strecke zwischen hier und dem Orionnebel. Einen Spiegel zum reinschauen gibt es nicht, und die Wahrscheinlichkeit, dass innerhalb der nächsten 10 Milliarden Jahre einer vorbeigeschwebt kommt, darf getrost vernachlässigt werden. Das Vorhandensein eines Helmes, der das Befühlen des Gesichtes enorm erschweren würde, möchte ich der Einfachheit halber auch ausschließen; obwohl natürlich die Wahrscheinlichkeit, dass man einen Helm auf dem Kopf hat, wenn man im Weltall herumschwebt, alles andere als gegen Null tendiert. Andererseits nähert sich die Wahrscheinlichkeit, dass man tot ist, wenn man ohne Helm zwischen hier und dem Orionnebel im Hochvakuum treibt, bedenklich der 1! Nimmt man jedoch wie so mancher namhafte Wissenschaftler an, dass es eine unendliche Anzahl von Paralleluniversen gibt, dann gibt es auch irgendwo und irgendwann den absurden Fall, dass ich ohne Helm, tot und mit dem Gesicht von Boris Becker zwischen hier und dem Orionnebel schwebe und zufällig gerade zu der Sekunde kurzzeitig wieder lebendig werde, um einen schnellen und entsetzten Blick in einen gegen alle Wahrscheinlichkeiten trotzdem zufällig vorbeischwebenden Spiegel werfen zu können.

Wäre es mir da wurscht, wie Boris Becker auszusehen? Oder würde diese Tatsache hinter all den anderen, mehr oder weniger seltsamen Umständen dieses Happenings in den Hintergrund treten?

Ich glaube nicht!

Ich möchte weder mit dem Gesicht von Boris Becker noch mit dem von Brad Pitt im Weltall schweben, sondern mit meinem eigenen.

Weniger wichtig wäre mir die Rahmung des Spiegels. Zwar schwebt mir ein aufwendiger barocker Goldrahmen vor, doch auch einen schmucklosen, ungerahmten Badezimmerwandspiegel kann ich mir vorstellen.

Aber das eigene Gesicht, das wäre schon wichtig, denke ich mir, auch gänzlich ohne Spiegel, während ich Tomatensoße mit Sojahackfleischersatz, eine weisse Riesenbohne, ein Stück Paprika und zwei Fitzelchen Champignons auf meinen Löffel schaufele. Das Chili ist schön scharf, wie es sein muss, leider habe ich kein Brot dazu.