Donnerstag, 12. März 2009

Küchenabenteuer

Es gibt eine Zeit zum schreiben, und es gibt eine Zeit, Geschirr zu spülen.

Wenn man Glück hat, offenbart sich einem die Schreibezeit mit ähnlichem Nachdruck wie sich die Spülzeit mittels eines dreckigen Geschirrberges in Erinnerung ruft. Wobei diese Metapher in Zeiten immer häufiger anzutreffender Geschirrspülmaschinen kontinuierlich an Kraft verliert. Doch wer wäre nicht bereit, eine kleine, unscheinbare Metapher zu opfern, um der täglichen Mühsal ein paar kreative Lebensminütchen abzutrotzen, anstatt sie in die Säuberung schnöden Geschirrs zu investieren?

Wobei oben genannte Metapher ja eben erst das Licht dieser Welt erblickte, da ich sie erfand. Eine Instantmetapher mit Verfallsdatum. Wobei sie nicht nur von der Zeit abhängig ist, sondern in hohem Maße auch von der Geographie und dem jeweils anzutreffenden Wohlstand. Je größer die Spülmaschinendichte, desto exotischer und unverständlicher erscheint die Metapher.

Mehr und mehr zieht sie sich in Gebiete zurück, wo in nicht unerheblichem Umfang noch von Hand abgewaschen wird. Doch die Spülmaschinen sind auf dem Vormarsch, jedes Exemplar ein weiterer Nullpunkt einer metapherfressenden Wellenfront. Meine Küche jedoch ist noch Zuflucht für Metaphern aller Art, fast flirrt die Luft wegen des Gedränges und Geschubbses.

Doch davon ließ ich mich nicht beirren, als ich mich heute grimmig entschlossen dem Geschirrberg näherte.

Alles schien wie immer, das Spülwasser gluckste und pladderte, das Geschirr schepperte und das Besteck klapperte, als es um meine Füße zu kräuseln begann. Ja was? Waren es die flimmernden Metaphern, des chaotischen, ja fast schon fraktalen Gewusels müde, die sich plötzlich zu Rinnsalen und Tentakeln zu ordnen wünschten und an meinen Beinen die Fähigkeit zu laminarer Umströmung fester Hindernisse erproben wollten?

Nein, die Metaphern flirrten und schimmerten ungestört unter der Zimmerdecke, vielleicht etwas verstärkt über der Spüle. Sie waren unschuldig.

Fast schien sich das Hosenbein zu bewegen in der wirbelnden Strömung, es fühlte sich warm an, die Bodenfliesen tanzten einen psychedelischen Rumba. Meine Schuhe schienen seltsamerweise zu schrumpfen, oder meine Füße wuchsen. Ich griff nach unten, wedelte mit meiner Hand in den flirrenden Wirbeln. Ich erschrak nicht schlecht, als plötzlich die Fingernägel länger und länger wurden. Da dämmerte es mir endlich. Eine Blase Quasizeit hatte sich in meiner Küche geöffnet und entleerte sich jetzt ungehemmt in die uns bekannte Raumzeit. Das bleibt normalerweise ohne Folgen, da der Verdünnungseffekt so astronomisch hoch ist, dass die Quasizeit schon wenige Meter von der Öffnung entfernt selbst von einem eridanischen Zeitmeister nicht mehr nachweisbar ist. Ich schien jedoch direkt neben der kaputten Blase zu stehen, also kriegte ich die ganze Wucht der Entleerung mit. Ich sprang zur Seite, als der Spuk auch schon vorbei war. An der Unterschranktüre der Spüle hatte sich ein vergilbter, rissiger Fleck gebildet, wo das Material sichtlich gealtert war. Offensichtlich hatte ich am Rande der Strömung gestanden, so waren meine Fingernägel nur um wenige Zentimeter gewachsen anstatt mehreren Metern. Und warum sich meine Schuhe plötzlich viel kleiner anfühlten, war nun auch kein Geheimnis mehr. Ich ging meine Nagelschere holen.

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