Donnerstag, 9. Oktober 2008

Brutweltmeisterin

Seit einiger Zeit schon trauen sich die Blog-Enten Schranze und Mariee nur noch selten und nie sehr weit aus dem Stall. Nur wenn ich in der Nähe bin, gehen sie auch schon mal ein Stückchen raus auf die Wiese, um allerlei Kriech- und Krabbelgetier vor einem erbärmlichen Kältetod im nahenden Winter zu bewahren.

Schranze versucht immer noch, wie den ganzen Sommer über, Entenküken auszubrüten. Gäbe es eine Weltmeisterschaft im Dauerbrüten, sie stünde mit ihrem geschätzten dreiviertel Jahr garantiert auf dem Treppchen. Natürlich sind die Eier mangels Ganter nicht befruchtet, das ganze Unterfangen also sinnlos. Trotzdem verbringt sie selbst die schönsten Sommer- und Herbsttage auf ihrem Nest sitzend, unermüdlich und durchaus nicht verzweifelt oder übelgelaunt, wenn man ihrer Miene und ihrem Gebaren glauben will.



Gegen Brutkrämpfe helfen morgendliche Dehnübungen. Schranzes Federkleid ist leider nicht mehr ganz makellos.

Mariee hingegen brütet nicht mehr, sie scheint jedoch aus purer Solidarität weiter bei Schranze im Stall auszuharren. Früher ging sie immer alleine los in Richtung Bach und quakte dann die Nachbarschaft um die Mittagsruhe, wenn Schranze sich nicht schnell genug zwischen Nest und Badevergnügen entscheiden konnte. Trotz Brüterei eilten sie damals mindestens einmal am Tag und so schnell es ihre Watschelfüße erlaubten zum Bach hinab. Auf der Straße, die sie dabei überqueren müssen, hinterließen sie dann immer jene Produkte, die ich mit meiner Kamera dokumentierte. Auf dem Rückweg dann machten sie ausgiebig Halt neben oder auf der Straße, um sich hektisch aber trotzdem gewissenhaft der Federpflege zu widmen, ehe es wieder in den Stall ging zum weiterbrüten. Doch damit scheint erstmal Schluss zu sein.



Mariee hinterm Haus, in der Nähe des Stalls. Da ist natürlich alles längst abgegrast.



Was ein gestandener Wasservogel sein will, muss sein Gefieder beizeiten und regelmäßig einfetten, auch wenn man den ganzen Sommer nur auf dem Nest hockt. Am ökologischsten ist dabei immer noch das bordeigene Imprägnierungsmittel aus dem Bürzel

Vor ein paar Tagen wurde ich Zeuge, wie Mariee fast panikartig in den Stall zurückrannte. Sogleich suchte ich natürlich den Himmel ab nach Anzeichen einer Gefahr, doch ausser der blauen Unendlichkeit und diffuser, doch spärlicher Cirruswolken war nichts zu sehen.

Eine hier seit einigen Tagen marodierende Rabenbande würde sich natürlich glänzend eignen als Verdächtige, doch bin ich schon mehrfach Zeuge geworden, wie hinterm Haus ein Rabenvieh einträchtig zwischen Schranze und Mariee einherstolzierte. Sie scheinen sich also durchaus zu kennen und zu respektieren. Ausserdem war bei Mariees Panikattacke weit und breit kein Rabe weder zu sehen noch zu hören.


War da was?

Im Chat, den ich ab und zu aufsuche und in welchem ich das Problem „Ängstliche Hausenten: Panik oder Hysterie? (Unter besonderer Berücksichtung der Auswirkungen vergeblichen Brütens auf die Entenseele)“ auch schon thematisierte, wurde die Vermutung laut, ob sich vielleicht in einem der umgebenden Bäume ein Untier vom Schlage eines Uhus aufhalten bzw. lauern könnte. Das konnte ich mir aber nicht vorstellen, da Enten auf bewegungslose Objekte relativ gleichgültig reagieren, solange sie ihnen nicht im Wege stehen oder liegen.

Und dann fiel es mir heute wie Schuppen von den Augen, als ich mal wieder zufällig in meine Pappel schaute. Sie hat mittlerweile den Großteil ihres Laubkleides verloren, nur noch spärlich klappern die verbliebenen Blätter im Wind.

Man hört über Tiere ja häufig, dass sie vielleicht Dinge sehen können, die uns Menschen, jedenfalls einem normalen Menschen, verborgen bleiben.

Nun, ich halte nichts von Geister-, Kobold- oder Elfengeschichten, aber vielleicht finden Schranze und Mariee ja den Anblick der unsichtbaren Windsimulanten in der Pappel so unerträglich, dass sie deswegen lieber den ganzen Sommer im Stall verbrachten?

Zugegeben, die Bewohner von Epsilon Eridanus sind keine Schönheiten im landläufigen Sinne, doch als Entenschreck würde ich sie dennoch nicht bezeichnen. Und wer will schon urteilen, was in diesem Universum schön ist und was nicht? Vor allem vom Standpunkt zweier Hausenten aus betrachtet?

Leider fällt mir im Moment noch keine Lösung des Problems ein. Ich kann nur hoffen, dass die Eridaner nicht mehr allzu lange in meiner Pappel hocken werden. Vielleicht verlieren sie ja die Lust am Wind simulieren, wenn erstmal alle Blätter unten liegen.

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