Dienstag, 7. Oktober 2008

Sedimente


Sonntag

Heute war ein guter Morgen, um ein wenig zu joggen. Jetzt sitze ich hier in der Sonne, frisch geduscht, mit einer Tasse heissen Mate-Tees und einem Glas Honig. Ich rühre den Honig niemals in den Tee. Ich schlotze ihn vielmehr direkt vom Löffel, immer im Wechsel mit ein paar Schlucken.
Dieses Procedere funktioniert jedoch nur mit ungeröstetem, grünem Mateteee, der lose aufgebrüht wurde. Sein Aroma nach kalten Zigarettenstummeln ist unnachahmlich, anregend und zudem noch sättigend. Da jedoch das Tasseninnere hinterher aussieht wie ein Moosbett im Wald, empfiehlt sich anschließendes ausgiebiges Zähneputzen.
Doch worauf ich eigentlich hinaus will, das ist der Mergel und damit die vermergelten Gedankensprünge eines sich hangelnden Gehirns. Mergel ist ein Sedimentgestein, es besteht aus Kalk und Ton. Überwiegt der Kalkanteil, spricht der interessierte Laie von Kalkmergel, andernfalls von Tonmergel.
Gräbt man ein Loch in die Erde, könnte es durchaus sein, dass man unvermittelt auf Mergel oder mergelähnliche Gesteine stösst. Die kann man dann bewundern und sich sagen:

„Das ist Mergel oder ein mergelähnliches Gestein!“

Man kann jedoch auch in sich gehen, kurz mit graben aufhören und darüber sinnieren, ob all die Gedanken, die man tagaus, tagein und des nachts denkt, verwirft und wieder vergisst, im Unterstübchen sedimentieren, sich also ablagern, versteinern und sich irgendeinem zukünftigen Gedankenbohrer womöglich als geistige Trilobiten oder Tetrapodenabdrücke darbieten. Oder ob der Gedankenmergel vielleicht als Fundament dienen könnte für Trottoirs und Spielplätze.
Eine nicht gänzlich abwegige Vorstellung beim alltäglichen Blick in bockelhart vermergelte Gesichter.

Was mich natürlich direkt zum vermutlich noch nicht allzu verbreiteten Begriff des Gesichtsmergels führt. Verbiesterte und puritanische Naturen mögen darin die an Sedimente erinnernden Schminkschichten auf den Antlitzen von Drag-, Society-, Disco-, Büro- und Einkaufszentrumqueens sehen. Was ich, nach nun längerer Bedenkzeit und als Erfinder des Begriffes, sogar unterstützen würde, so ich denn einmal gefragt werden sollte. Bin ich deshalb nun selbst eine verbiesterte und puritanische Natur? Ich glaube nicht. Meine Conclusion war wohl etwas voreilig. Verbiestert ist eher meine ursprüngliche Bedeutungsidee, nämlich mit Gesichtsmergel die versteinerten und verstopften Gesichtszüge unsympathischer Menschen zu bezeichnen.

Dabei mergelt es in meinem Gesicht auch des öfteren, wie ich dann immer bestürzt feststelle. Gesichtsmassagen und Dehnübungen helfen jedoch meist über die schlimmsten Verhärtungen hinweg und man blickt wieder engelhaft in die Zukunft, während das Hirn sich mit klatschenden und patschenden Geräuschen in seine feuchte Höhle zurückhangelt.

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