Donnerstag, 23. April 2009

Mottenkiste (1996)


GROSSE ENGEL


emporgewachsen aus dem Dung
von tausend Menschenjahren
schwer duftend nach Sex und Gewalt
locken nackte Wanderer an
die enge Kreise ziehen
derweil auf den Altären
die Kerzen flackern im
Sturmbrausen sinnloser Gebete

Lichtgewitter aus Tagen und Nächten
von Welt zu Welt
Straßenränder Zebrastreifen
Sprache ohne Ende

Ein Hauch von Liebe
schwach nur
kaum zu fühlen
im Dunkeln vergessen
ein Leben mit Happy End



A propos Zebrastreifen:

Selbst wenn man sich flach auf den Bauch legt, die Arme spreizt, die Finger streckt, vor Anstrengung die Zähne bleckt und die Zunge den Asphalt besabbert, man schafft es einfach nicht, die beiden Enden eines einzelnen Streifens eines Fußgängerüberweges gleichzeitig zu berühren. Dafür schmeckt man ein mannigfaltiges Aromenbouquet, leicht salzig bis gummig, mit einer Note nach alten Geldscheinen und Ammoniak, wenn man die weisse Farbe sauberleckt. Um die Blicke der Passanten darf man sich dabei natürlich nicht kümmern, versteht sich wohl von selbst.

2 Kommentare:

Linnea hat gesagt…

Wenn man ein Schmetterling wäre, allerdings in sehr sehr groß, dann könnte man per Fußkontakt beide Enden des Zebrastreifens schmecken. Das wäre sicher schön. Sofern man nicht überfahren wird. Obwohl ein Auto einem riesigen Schmetterling vermutlich auch nichts anhaben kann.
Wenn es so riesige Schmetterlinge gibt, gibt es jedoch wahrscheinlich keine Autos mehr, weil sich dafür ja die Luft nochmal drastisch verändern müsste, von wegen Sauerstoff.

Was für eine Welt! Keine Autos, nur riesige Schmetterlinge, die die Ruinen der Menschheit abschmecken.

Moves hat gesagt…

was mich auf die Frage bringt, wie sich wohl so ein riesig-langer Schmetterlingsrüssel anfühlen würde. Eher chitinös? Oder, aufgrund der nötigen Biegsamkeit, doch eher dermal? Könnte man ihn noch mit einer Hand umfassen, oder müsste man beide Hände zu Hilfe nehmen? Wäre der Schmetterling überhaupt amused über derlei Examination? Und wie deutet man überhaupt die Mimik von Insektengesichtern?
Vielleicht sollten wir einfach nicht mehr sterben, sondern uns einfach verpuppen, sollte doch nicht so schwer sein? Man bräuchte dann auch nicht mehr Auto zu fahren, schließlich könnte man dann ja fliegen. Sähe sowieso komisch aus, ein riesiger, autofahrender Schmetterling. Den Flügeln würde derlei Tun sicher nicht behagen, wären ganz zerknittert und unansehnlich hinterher. Was mich zu dem Gedanken führt: Wenn sich die Menschen zu Schmetterlingen verpuppen würden, sähen die doch dann alle verschieden aus. Es gäbe dann sicher ganz wunderschöne, bunte Exemplare, aber auch grau-braun verlederte, je nach der Lebensführung des jeweiligen Menschen.
Ach nein, die ist nicht schön, diese Vorstellung. Das wäre nur eine neue Quelle für Neid und Missgunst, der ganze Schlamassel ginge weiter, nur auf einer neuen Ebene. Jeder sollte sich sein Flügelkleid selber kreieren dürfen, ganz nach eigenem Gusto, um so die menschlichen Ruinen beflattern und beschnüffeln zu können.