Freitag, 19. Juni 2009

Roter Sekt

In meinem Schädel sitzt ein Monster.
Raumtemperatur, Kopfschmerzen.
Und kein Aspirin im Haus. Ich habe so selten Kopfschmerzen, dass mir Schmerztabletten regelmäßig verfallen.
Ich trinke nie wieder roten Sekt, der zwei Tage in einer angebrochenen Flasche vor sich hin gärte. Das Ergebnis ist ein Batzen dunkle Materie, der direkt hinter der Stirn hockt und um Auslass begehrt, aber natürlich zu groß ist für alles.

Lärm, Menschengewirr, Gelächter, Gekicher.

Alte Menschen an Rollatoren geklammert. Manche spielen Mensch ärgere Dich nicht. Ich spiele Mensch sitzt am Tisch und kritzelt. Meine Handschrift ist seltsam; vielleicht hilft es ja, wenn ich versuche, klarer zu denken? Hirn ausmisten, Platz schaffen.

Endlich mal wieder geträumt. Thema des Traums waren gewisse erotische Verrichtungen mit einer Dame aus dem Netz; sehr ungewöhnlich, sehr seltsam. Sind nähere Ausführungen gewünscht? Nein?

Träume aus Parallelwelten. Schatten, Lichtflecken. Draußen dramatische Wolkengebirge, brausender Wind in rauschendem Laub, Sonnenstrahlen wie gleissende Schwerter. Meine Haut duftet nach Salz, Honig und Holz, und Heu, und noch nach etwas anderem, das unterschwellig bleibt und unbestimmt. Grässliche Musik aus einen kleinen Radio, geschäftige Geräusche.

Gedichte schreiben, doch worüber?
Die Welt, das Leben, die Liebe?
Autos? Militärgeschichte? Panzer? Mit umweltfreundlichem Lithium-Ionen-Antrieb?
Politik? Wissenschaft?

Gedanken über den Weltenlauf, hochtrabend und weise, die liegen drüben in der Kiste, trocken und wohlverpackt, für Notzeiten. Einstweilen bediene ich mich aus dem Gärbottich, der brodelt und blubbert. Nur, der Glibber ist nicht leicht zu deuten.
(Im Grunde ist es albern, die eigenen Ergüsse herunterzumachen und im Vorfeld schon zu relativieren. Wen möchte man damit besänftigen?)

Nein, Gärbottiche sind ok. Die stinkenden Gedankenkonstrukte, die daraus erstehen, sind die Torhäuschen meines Hauses am See.

Heftiger Wind bläst. In Böen, wie zu Fäusten geballt, haut er in die Bäume hinein.

KRAWUUUUUUSCH.....RAUSCH.....BRAUS.....

Klein zerpflückte Wolkenbällchen tumbleweeden über den blauen Himmel, torkeln vor der Sonne vorbei.

WAMMMMM..... es ist plötzlich dunkel, das Licht ist weg wie ausgeknippst.

WOOOOOOSCH....... Die Sonne ist wieder da, ohne Übergang, der Wind zu stark, die Wolken zu schnell.

Mit schnüffelnder Hundeschnauze am Boden nach Dingen suchen, gründeln, lechzen, die Anzeichen sind für sowas wie Sinnhaftigkeit. Raus aus der Abstraktion, rein in die aktive Lebenshilfe. Sind Ratschläge vonnöten? Welche Geräusche mögen wohl vorherrschen in einer Fabriketage in Shenzen, die bis auf den letzten Platz besetzt ist mit chinesischen Briefkastentanten für westliche Regenbogenblätter? Sprechen wäre natürlich verboten, das ginge nur auf Kosten der Produktivität. Hingegen haben die Investoren mit größter Wahrscheinlichkeit vergessen, auch das Rülpsen und Pupsen zu verbieten. Doch nun habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich chinesischen Briefkastentanten und somit den chinesischen Damen an sich ungebührliche Manieren unterstelle. Ich nehm´s also wieder zurück und vermute als Geräuschteppich in besagter Fabriketage ausser dem Geklapper der Tastaturen und dem Säuseln der PC-Lüfter nur ein sphärisches, sinnliches Knistern und Rascheln frisch gewaschener Seidenwäsche.

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