Sonntag, 20. März 2011

Beim Putzen




"Heute ist der Tag der Poesie!"


"Dann fang´ gefälligst an zu reimen!"

"Reime alleine machen noch längst keine Poesie"

"Wem sagst du das"

"Irgendwie verstehe ich deinen barschen Einwurf jetzt nicht"

"Ich versuchte lediglich, dem Gespräch eine humoristische Note hinzuzufügen, indem ich durch gespielte Gereiztheit dich in die Lage zu versetzen hoffte, meinem Ansinnen...."

"Herrjeh, das Gespräch hatte ja noch gar nicht richtig begonnen. Es bedurfte noch überhaupt keiner Note, weder einer humoristischen noch einer gereizten. Wieso warten wir nicht einfach ab, wie es sich entwickelt?"

Beide Personen schweigen nun und widmen sich der Reinigung und Pflege ihrer Maschinenkanonen. Der süßliche Geruch von Waffenöl liegt in der Luft

"Gib´ mir mal bitte den Kuchen rüber. Aber tatsch´ ihn nicht mit deinen öligen Fingern an."

Während des Herüberreichens fallen ein paar Krümel auf den frisch geputzten und geölten Verschluss der BK-27

"So ein Mist! Liegt die Druckluft bei dir?"

Der Schlauch für die Druckluft wird über den Tisch geschoben, wobei er ein paar Bolzen und Schlitten durcheinanderbringt. Dabei meint die Person, die den Schlauch hinüberreicht:

"Ich habe heute meine erste Hummel dieses Jahres gesehen. Ein mordsfetter Brummer. Erst flog sie ziemlich ziellos durch die Gegend, als sie plötzlich geradewegs auf mein Gesicht zusteuerte. Glücklicherweise überlegte sie es sich wieder anders und bog vorher ab. Ich war sehr erleichtert. So ein Hummelaufschlag könnte einen direkt aus dem Gleichgewicht bringen."

"Ach je, die arme Hummel. Ist bestimmt nicht einfach, jetzt schon genügend Nahrung zu finden"

"Nun, es gibt schon eine Menge Krokusse, Schneeglöckchen und Märzenbecher. Auch die Weidenkätzchen stehen bereits in voller Blüte."

"Wieso eigentlich Gleichgewicht? Hast du auf einem Hochseil balanciert?"

"Wie sollte ich wohl an ein Hochseil gelangen? Nein, ich balancierte auf einem kleinen Ball, der auf einem Zaunpfahl lag. Sitzend. Mir tut jetzt noch der Hintern weh."

"Hm...wie dem auch sei. Während du auf deinem Hintern balanciert hast, überlegte ich, was man tun soll, wenn man seine Gedanken über etwas Fertiges schweifen lässt. Und zwar fertig nicht im Sinne von abgefuckt, sondern vollendet. Fertiggestellt. Wenn man über etwas Fertiges hinwegfliegt. Ein Industriegebiet z.B., mit Einkaufszentren."

"Ein schwieriges Thema."

"Ja, vor allem Industriegebiete sind sehr anstrengend. Jedenfalls, wenn man über sie nachdenkt, oder über sie hinwegfliegt. Gedanklich."

"Wegen der Schornsteine und dem Dreck?"

"Nein, sorry, ich habe mich etwas missverständlich ausgedrückt. Ich meine eigentlich diese Gewerbegebiete in ländlichen Mittelzentren, keine Schwerindustrie. Man fährt von einem Kaff ins nächste, und dazwischen, links und rechts der Straße, liegen diese Ansammlungen von Autohändlern, Tischlereien, Glasereien und des örtlichen Reifenservice. Dann noch ein Netto und ein Aldi. Meistens gibts auch noch einen Elektronikladen. Keinen Mediamarkt oder Saturn, eher was kleineres. Euronics zum Beispiel. Und ein dänisches Bettenlager."

"Übel"

Die eine Person lässt den Topbügel der Gau 2 einrasten und versetzt die Läufe in Rotation. Zufrieden fängt sie an, die Maschine in Ölpapier einzupacken. Auch die andere Person ist mit ihrer Bk-27 zufrieden. Ein winziger Flugrostfleck am Spannfederrohr muss allerdings noch entfernt werden

"Hast recht. Vor allem bei Sonnenschein fühlt man sich da immer wie hingekotzt. Ganz schlimm sind sonnige Sommersonntagmorgen in einem solchen Gewerbegebiet, womöglich noch mit Frühlingsglast in der Luft. Die Verortung an einen bestimmten Punkt der Erdoberfläche zerrt dann ganz besonders an den Nerven."

"Glast? Was hat das Gamma-Ray Large Area Space Telescope damit zu tun?"

"Nichts. Ich meinte Glast im Sinne von Helligkeit, Schein, Gefunkel"

"Achso"

Die Personen packen die Kanonen in die bereitstehenden Kisten und ziehen die Adressetiketten von den Folien.

"Hast du mir das Rezept von dem Kuchen?"




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