Mittwoch, 16. März 2011

Wenn´s regnet (X)



Namensuchmann legte sich auf den Rücken. Die unter dem schweren Regen blubbernde und prasselnde Wasseroberfläche reichte ihm bis an die Ohren. Die Augen musste er geschlossen halten, zu dick und dicht fielen die Regentropfen. Aber es war ja ohnehin stockfinster, also spielte es keine Rolle.

Langsam kroch das Wasser unter seine Jacke, die bis jetzt so bewundernswert dicht gehalten hatte. Doch nun war auch die vorletzte trockene Stelle an seinem Körper, ein suppentellergroßer Fleck zwischen den Schulterblättern, patschnass. Die andere Stelle befand sich auf seiner Brust, nur Millimeter unter dem hämmernden Ansturm des Regens.

Wie hatte das nochmal alles angefangen? Er war mit dem Auto unterwegs gewesen und hatte eine Panne. Dann die Dunkelheit, der Regen, der seltsame Oldtimer mit seinem noch seltsameren Fahrer, der Unfall, das Wasser und der Noppenboden darunter, die seltsamen, linienartigen Erhebungen darauf, die Lichterscheinungen, der riesige Affe, der den Bentley durchsuchte...

Der Affe! Er schien eigentlich ganz zufrieden und mit der Durchsuchung des Bentleys vollständig ausgelastet zu sein, als Namensuchmann seinem Blick begegnet war. Es sei denn, und nun wurde es Namensuchmann etwas mulmig, es sei denn, er suchte etwas zu fressen. Doch Affen greifen keine Menschen an, wenn sie sich nicht bedroht fühlen. So oder so ähnlich wurde es jedenfalls immer wieder in diesen strunzlangweiligen Natursendungen im Fernsehen erzählt. Selbst fleischfressende Affen wie Schimpansen oder Paviane wagten sich nur an viel kleinere Beute heran als Namensuchmann eine war.

Etwas war passiert. Etwas hatte sich verändert.

Namensuchmann wusste nicht sofort, was es war. Er drehte den Kopf, wobei ihm Wasser in den einen Gehörgang hineinlief. Er schaute wieder nach oben und lauschte. Das Rauschen und Prasseln des Regens war leiser geworden, eindeutig. Oder hatter er sich nur an das Geräusch gewöhnt? Nein, es fielen längst nicht mehr so viele Tropfen auf sein Gesicht wie vor ein paar Momenten noch. Der Regen ließ eindeutig nach. Ohne einen logischen Zusammenhang hoffte Namensuchmann für einen kurzen Augenblick, es möge nun auch Licht einkehren in diese seltsame Welt, wenn schon der Regen aufhörte. Doch es blieb dunkel.
Etwas kitzelte Namensuchmann auf der Nase. Erschrocken und fast panisch wischte er über sein Gesicht, doch er konnte nicht feststellen, was es gewesen war. Er beschloss, dass man sich in ausgestreckter Rückenlage wohl kaum effektiv gegen einen Riesenaffen verteidigen konnte, der einem mit einem Palmwedel im Gesicht kitzelt. Eine andere Erklärung hatte er nicht.

Es war nun fast ganz still, das Prasseln hatte aufgehört. Namensuchmann hockte auf seinen Knien immer noch auf der Linie, die sich unter der nun glatten Wasseroberfläche dahinzog. Seiner Erinnerung nach befand er sich etwa zwei Meter vom Ende der Linie und einen Meter vom Abgrund entfernt. Sehen konnte er noch immer nichts. Er überlegte, dass er vermutlich selbst bei Tageslicht den Abgrund nicht würde erkennen können. Die Wasseroberfläche würde keinerlei Hinweis darauf geben, denn von einer Strömung war noch immer nichts zu spüren, und auch keinerlei Wellengang, der sich an der Unterwasserkannte hätte brechen und sie damit hätte verraten können.

Etwas kitzelte nun auf seiner Hand, mit der anderen schlug er danach. Es war sinnlos, und doch schaute er sich um, schaute nach oben. Etwas weiches landete auf seiner Stirn, dann auf seinem Kinn. Er wischte es ab, bekam jedoch nichts zu fassen. Er rief sich innerlich zur Ruhe auf, richtete sein Gesich nach oben, und wartete.

Nach einer kleinen Weile wich die Anspannung einem Anfall irrationaler Heiterkeit. Namensuchmann schüttelte langsam den Kopf und kicherte. Kicherte über die Welt, die sich diesen Streich mit ihm erlaubte, kicherte über sich selbst, dass ausgerechnet ihm derartiges widerfuhr, und kicherte über die Gelassenheit, die ihm von irgendwoher zuteil geworden war.

Er breitete seine Arme aus und drehte die Handflächen nach oben.

Dicke weiche Schneeflocken rieselten auf ihn nieder.




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