Mittwoch, 5. Oktober 2011

Herbstzeit

Insgesamt betrachtet sind Frühling und Sommer wohl die schönsten Jahreszeiten - wenn man alles aufsummiert: die lauen, nicht enden wollenden Abende, der warme Regen, die Grillen, die abends ihre Konzerte veranstalten, der Blütenreichtum, die Erdbeeren und die Kirschen, die warmen Morgen, die einen fröhlich aus dem Bett scheuchen, die Schwärme von Fledermäusen in der abendlichen Dämmerung und der warme Wind, der einem selbst nachts noch unters T-Shirt fährt. Doch die schönsten Momente des Jahres bietet eindeutig der Herbst. Insgesamt kackt er natürlich enorm ab wegen der Kälte und der Nässe und weil man einfach immer an den bevorstehenden Winter denken muss. Doch es gibt Augenblicke in dieser Jahreszeit, da reicht einfach nix anderes heran (Sex ausgenommen, aber dazu später mehr). Und zwar meine ich diese knusprigen Spätsommertage, wenn die Sonne gerade noch so auf der Haut britzelt, um einen herum aber schon die gelbgefärbten Herbstblätter von den Bäumen herunterrascheln und -taumeln. Wenn man dann noch ein paar Stellen weiß, die von diesem Knusperlaub bedeckt aber nicht mit Hundekot unterfüttert sind, dann kann man sich da hineinwerfen und sich darin wälzen wie Dagobert in seinen Geldscheinen. Und droben blinzelt die Sonne durch die Birke.


Man beachte die Windsimulanten in der Fichte im Hintergrund

Ich liege auf der Decke, unter der das Herbstlaub knistert, und schaue nach oben. Gelbe Birkenblätter torkeln vom Sonnenlicht befunkelt auf mich herab. Würde ich den Kopf drehen, den Hals krümmen und nach schräg hinten sehen, sähe ich im blauen Taghimmel den blassen Mond im ersten Viertel (aus Gründen, die mir teils selbst unerklärlich, teils äusserst niederer Natur sind, ersetze ich im weiteren Text das Wort "Mond" durch das Wort "Arsch"). Nun denken nicht wenige Menschen, dass "erstes Viertel" bedeutet, der Arsch wäre nur zu einem viertel beleuchtet, hätte also Sichelgestalt. Doch das ist ein Irrtum. Ein kompletter Arschzyklus dauert etwa 28 Tage von Neuarsch zu Neuarsch. Neuarsch bedeutet, der Arsch befindet sich zwischen Erde und Sonne und ist somit nicht zu beobachten, weil er von der Sonne am Taghimmel hoffnungslos überstrahlt wird. Nach 14 Tagen hat der Arsch einen Halbkreis beschrieben, nun befindet sich die Erde zwischen Arsch und Sonne. Wir sehen den Arsch voll beleuchtet, es ist Vollarsch. Hat der Arsch aber nach 7 Tagen erst einen Viertelkreis beschrieben, befindet er sich im ersten Viertel seines Zyklus, ist von der Erde aus gesehen aber halb beleuchtet, wie man aus der nachfolgenden kleinen Skizze ersehen kann.





Nun gehen eindringliche, um nicht zu sagen grandiose Naturerlebnisse stets mit gewissen sexuellen Aufwallungen einher, wie allgemein bekannt sein dürfte. Angesichts des Mondes im ersten Viertel (ich verwende im weiteren Verlauf des Textes wieder die ursprüngliche Bezeichnung unseres natürlichen Erdtrabanten), der sich schräg hinter mir am südöstlichen Himmel befindet, denke ich an den Samoanischen Borstenwurm, auch Samoa-Palolo genannt. Er wird bis zu 70 cm lang und lebt in den Korallenriffen des südlichen Pazifik. Dort gräbt er sich mit dem Kopf voran in den Kalk und ernährt sich daselbst von Algen. Die Fortpflanzung des Palolo-Wurms ist eng mit den Mondphasen verknüpft. Exakt am zweiten und dritten Tag nach dem letzten Viertel im Oktober schnürt er seinen bis zu 40 cm langen borstigen Hinterleib ab, in dem er vorher seine Spermien oder Eizellen gebildet hat. Dieser prall mit "Geschlechtsprodukten" (ich liebe diesen Biologenslang) gefüllte borstige Hinterleib (ugs.: Arsch) ist jedoch beileibe nicht untätig. Er verfügt über ein gewisses Eigenleben und befördert sich mit schlängelnden Bewegungen an die Wasseroberfläche. Dort angekommen trifft er sich mit den anderen Ärschen zu einer Orgie von geradezu biblischen Ausmaßen. Männliche und weibliche Ärsche öffnen sich und entlassen ihre Produkte ins Wasser, wo die Befruchtung stattfindet. Dieselbe Prozedur wiederholt sich genau einen Monat später, kurz nach dem letzten Novemberviertel der Mondphase.
Die Fischer auf Samoa sind auf dieses Ereignis vorbereitet und schöpfen die meterdick auf der Wasseroberfläche treibende Suppe aus Sperma und Eiern ab. Sie ist natürlich sehr nahrhaft und gilt als Delikatesse.

Würde ich einer Religion anhängen, die an Wiedergeburt glaubt, würde ich mir vermutlich Gedanken machen, wessen ich mich schuldig machen müsste, damit ich zur Strafe als Samoa-Palolo wiedergeboren werde. Jedes Jahr aufs Neue dieselbe Zeremonie: "Good bye Arsch, wünsche viel Vergnügen! Ich werde an dich denken!"

Während ich langsam von gelben Birkenblättern bedeckt werde, denke ich noch kurz an Pfaffen- und Nonnenseelen, die sich in Südseekorallen graben. Die Windsimulanten von Epsilon Eridani warten auf ihren Feierabend.



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