Sonntag, 30. Oktober 2011

Per aspera ad astra


Manchmal wird man ja plötzlich emotional emporgerissen und weiß erst gar nicht, was denn nun los ist. Da schwebt man dann drei Kilometer über der Landschaft mit ihrem Patchworkmuster aus abgeernteten Feldern und den kleinen miefigen Käffern dazwischen. Falls es zufällig abends oder gar nachts passiert, kann man natürlich bei der Gelegenheit gleich noch nach Planeten gucken. Dieses Jahr waren ja leider keine zu sehen, ausser in der zweiten Nachthälfte oder gar nur frühmorgens, wenn rechtschaffen müde Krieger schlafen und sich von ihren Engeln in ihre Träume quasseln lassen. Na ja, und Saturn natürlich, der war schon zugegen auch abends und in der ersten Nachthälfte. Aber leider ist er relativ unscheinbar und von einem Stern nur dann zu unterscheiden, wenn man raufguckt und sich denkt: "Hm...was ist denn das...der gehört da doch gar nicht hin, das muss Saturn sein".
Und dann wäre da ja noch Jupiter. Der ging bisher nur leider erst so spät auf, dass er erst nach Mitternacht gut gesehen werden konnte; dann allerdings war er sehr eindrucksvoll. Am 29. Oktober aber, und nun sehe ich, dass das schon gestern war, stand Jupiter in Opposition zur Sonne, was bedeutet, dass er im Osten aufgeht, wenn die Sonne im Westen untergeht. Zwei oder drei Stunden danach ist er dann schon gut im Osten zu sehen. Sein Aufgang wird sich weiter verfrühen, bis er in einigen Wochen bei Einbruch der Nacht schon hoch am Himmel stehen wird. Dann wird der Abendhimmel endlich wieder verplanetet sein und man kann im Dunkeln joggen, ohne Gefahr zu laufen, von den Sternen aufgeschlürft zu werden.
Das wahre Highlight kommt jedoch mit Ende des Monats über uns: Venus schickt sich wieder mal an, Abendstern zu werden. Um den 31. Oktober herum müsste es bei ausgezeichneten Sichtbedingungen und freiem Horizont möglich sein, sie erstmals wieder kurz nach Sonnenuntergang über dem südwestlichen Horizont zu entdecken. Dann wird sie fast täglich bei Einbruch der Nacht etwas höher am Himmel stehen, bis sie kommendes Frühjahr dann strahlender Abendstern sein wird.
Doch noch ist sie selbst aus mehreren Kilometern Höhe nicht zu sehen. Es wird kühl hier hoben, und drunten schiebt sich Nebel über eine dicke Decke bleierner Stille. Ich überlege, wie lange der Auftrieb wohl noch anhalten wird und suche nach optischen Anhaltspunkten für ein Steigen oder Sinken, doch es fehlt jeglicher Bezugspunkt. Ich denke nochmals an den Menschen, an den ich vorhin gedacht habe und merke nun am plötzlich auftretenden Wind, dass ich enorm an Höhe gewinne. Die Luft wird dünn hier oben, und es ist fast schon eisig, ich spüre die ersten winzigen Eiskristalle in meiner Nase. Ich darf nicht mehr denken. Am besten schlafe ich eine Runde. Traumbeschwert werde ich dann langsam nach unten sinken. Ich hoffe nur, ich lande nicht schlafend auf einer vielbefahrenen Straße oder gar dem See. Die Arme leicht ausgestreckt, die Beine etwas gebeugt mache ich die Augen zu. Drunten die Prozessionen leuchten wie glimmende Lindwürmer, Dreschflegel und Sensen wie verdorrte Wälder.


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