Samstag, 16. November 2013

Sonntag, 20. Oktober 2013

Morgenstund



Über dem dunstigen See schwebend, mühelos die Höhe haltend und mit einer Stimme wie aus einem alten Vorkriegsradio sang mein Zombie "When the moon hits your eye like a big pizza pie, that´s amore."

Um ihn herum, kaum wahrnehmbar bis auf das gelegentliche Aufblitzen der filigranen Flügel in der Morgensonne, flatterte und segelte mein kleiner Engel flink wie ein Elektron um seinen Atomkern. Auf diese Weise verschwamm seine Flugbahn zu einer flimmernden Orbitalwolke, die sich kugelschalig um den Zombie herum ausbreitete. Ich vermutete, dass er dadurch seinen Auftrieb erhielt und so der Schwerkraft trotzen konnte. Zombies sind nämlich nicht leichter als Luft, sie schweben nicht von alleine.

Eine schöne Art, den Morgen zu verbringen, dachte ich bei mir. Bei Gelegenheit würde ich den Engel fragen, ob er das auch mit mir machen könnte. 



Freitag, 6. September 2013

Am Flughafen


Blauschimmer, durchscheinend und klar, von milder Beschaffenheit, leicht luftig, kühl, aber nicht kalt. Frische, die in den Lungen kitzelt. 

Mein Schwager kam aus Amerika oder Russland herüber, beshortst und besneakert als ginge es schnurstracks in die Zombieapokalypse wo es bekanntermaßen sehr auf Beweglichkeit, Schnelligkeit und Lautlosigkeit ankommt. Im Gepäck hatte er eine große Ballonflasche selbstgebrannten Wodkas. Genaugenommen bestand sein ganzes Gebäck aus einer einzigen riesigen Ballonflasche, die allerdings schon zu einem Viertel geleert war.

"Wie bist du damit ins Flugzeug gekommen?", fragte meine Begleiterin, eine große schlanke  Frau mittleren Alters mit einer brünetten Lockenpracht bis auf die Schultern. Ich schaute sie an als hätten ihre Worte eine Tarnkappe von ihrem Körper gezogen. Denn immer erschien sie mir wie eben erst auf die Welt gefallen, oder als wäre sie gerade erst durch einen Dimensionsriss neben mich getreten. Man brauchte sie nur anzusehen und man wusste, dass sie atemberaubend gut roch. Ich nahm mir wieder einmal vor, sie bei Gelegenheit nach ihrem Namen zu fragen und nach dem Grund, warum sie mich begleitet. Aber nicht jetzt.

"Ich bin nicht geflogen", sagte mein Schwager und ich dachte darüber nach, welche von meinen Schwestern er eigentlich geheiratet hatte. "Ich bin den ganzen Weg zu Fuß gegangen."

"Zu Fuß? Aus Amerika herüber?", war die nächste Frage meiner wohlriechenden Begleiterin.

"Klar. Die Beringstraße ist um diese Jahreszeit sehr gut begehbar; jedenfalls solange man eine große Ballonflasche bei sich trägt. Und die Russen sind ein sehr hilfsbereites Völkchen."

Der Mann, den ich anfangs als meinen Schwager bezeichnet hatte weil es seltsamerweise richtig zu sein schien setzte seinen Marsch mit raumgreifenden Schritten fort und entfernte sich schnell von mir und meiner Begleiterin. Der Inhalt seiner noch zu drei vierteln gefüllten Ballonflasche gluckerte und gluckste im Rhythmus seines Gangs. Schon war er um die nächste Ecke herum, und auch das Glucksen war plötzlich verschwunden als hätte sich eine dicke Flauschdecke über ihn gehüllt. Der Flughafen hingegen lärmte nach wie vor, die Menschen öffneten und schlossen ihre Münder, schnappten nach Luft und trugen seltsame Farben und Muster.

"Das ist nicht mein Schwager", sagte ich zu der Frau, die mich seit heute morgen begleitete. "Das ist ein anderer Mann."

"Im Grunde spielt das keine Rolle", sagte sie, "Wohin gehen wir jetzt?"






Montag, 12. August 2013

Steine die auf Wasser hüpfen



"Was suchst Du?", fragte der Stern, fast schüchtern. Das feine Stimmchen wollte so gar nicht zu dem einhundermillionen Grad heißen, freischwebenden Glut- und Plasmaball passen. Aber er war ja so weit weg, so weit jenseits von Zeit und Raum, dass von ihm nur ein winziges Lichtpünktchen zu sehen war, schräg oberhalb des bewaldeten Höhenrückens, der die Lichter der umliegenden Dörfer und der Stadt abschirmte. Der Wald reichte bis fast ans Ufer hinunter, nur ein schmaler Streifen Sand und Kies trennte das Wasser von der dunkelgrün-samtenen Laubdecke. In den dunkelschwarzen Wellen glitzerten die Spiegelbilder der anderen Sterne; manche heller, manche unscheinbarer als der eine, der die Frage gestellt hatte.

Namensuchmann erschrak. Er erschrak nicht so, wie man erschrickt, wenn nachts plötzlich ein Zombie mit ohrenbetäubendem Gebrüll aus dem Schlafzimmerschrank bricht und seinen Kopf mit hohlem Dröhnen neben einem auf das Nachttischchen schlägt, immer wieder, bis sein morscher Schädel nur noch ein schwarzglänzender Lappen ist. Nein, Namensuchmann erschrak eher so, wie man erschrickt, wenn man am Wegesrand eine Margerite pflücken will und stattdessen einen Hahnenfuß erwischt. Das Herz macht nicht einen kompletten Extrahüpfer, der nächste diastolischer Schlag dauert lediglich einige Nanosekunden länger als der vorhergehende, im Gehirn entsteht für ganz kurze Zeit das Gefühl einer winzigen Lücke zwischen Vergangenheit und Zukunft, die mit der Gegenwart nicht hunderprozentig ausgefüllt ist. Eine winzige Winzigkeit fehlt. Darin ein sachtes Getümmel von angedachten Gedanken, oder vielmehr Gedankenfragmenten, versehrter Sehnsüchte und altersfleckigen Hoffnungen; die verwirrt hochschauen, wenn die Decke des normalen Zeitablaufes plötzlich weggezogen wird.

Von einem sprechenden Stern.

Namensuchmann schluckte. Der Schluckvorgang benötigte mindestens vier Sekunden. Vier Sekunden, um nachzudenken oder es zumindest zu versuchen.

"Ich suche Frieden", sagte er schließlich.

"Ach, das ist ja interessant", sagte der Stern mit seiner sanften, hellen Stimme, "bist du nicht Namensuchmann? Ich hätte jetzt vermutet, dass du Namen suchst."

"Ich suche Namen, um Frieden zu finden", sagte Namensuchmann, während er einen Stein auf seine Wasserhüpffähigkeit prüfte und dabei dem neugierigen Stern einen kleinen Seitenblick zuwarf.

"Und warum hast du jetzt keinen Frieden?"

Namensuchmann setzte sich auf den immer noch sonnenwarmen Kies. Die Nacht wandelte lautlos über ihn hinweg, doch Anfang und Ende waren weit entfernt, jenseits der Horizonte. Der Tag würde alles von neuem beleuchten, enttarnen, würde Träume töten und Sehnsüchte betäuben. 

Dinge verschwanden und nahmen die Erinnerung an sie gleich mit. Was blieb waren kleine Momente, wie zwei umeinandertänzelnde Schmetterlinge im Spätsommerlicht. 

"Ich weiß es nicht", sagte Namensuchmann und warf einen Stein flach über das dunkle Wasser. Wo er aufhüpfte verschwamm und erzitterte das Spiegelbild des neugierigen Sterns. 

"Vielleicht", dachte Namensuchmann laut nach, "vielleicht möchte ich einfach, dass jemand meinen Namen sagt."





Mittwoch, 31. Juli 2013

Reise



Das Gänseblümchen fühlte sich seltsam schwerelos. Die Wurzeln waren angenehm feucht und von guten Nährstoffen benetzt, und doch schienen sie keinen Halt zu bieten, kein Erdreich drückte wohlig gegen die fein verästelten Gefäße.
Es lauschte. Das bedrohliche, aber noch ferne Knarzen der Engerlingskiefer  war völlig verschwunden. Die Ruhe war vollkommen. Von irgendwo schien die Sonne, aber seltsam ungewohnt; schwach und stark zugleich. Schwach wegen der umfassenden Dunkelheit, durch welche das Licht zum Gänseblümchen drang, und stark wegen der groben Härte der wenigen Strahlen, die es dennoch auf das wertvolle Chlorophyll der grünen Blätter schafften. Die Sterne flimmerten und funkelten nicht, sie strahlten völlig unbeweglich. Etwas vermittelte den Eindruck von Geschwindigkeit, doch es war kein Wind. Fast unmerklich drehte sich das Firmament, veränderte sich die Perspektive. Es war nicht kalt, nur die Erde war veschwunden.

Etwas saß auf dem Kopf des Gänseblümchens und krallte sich fest. Ein leises Zittern war zu spüren, ein Frösteln wie von großer Angst. Das Gänseblümchen schaute nach oben und sagte zu dem bunten Schmetterling:

"Hab keine Angst, ich weiß genau, wo wir sind. Das da vorne muss der Asteroidengürtel sein, und der helle Stern, das ist die Sonne. Schau sie besser nicht direkt an, ihre Strahlen sind gefährlich hier draußen im Weltraum."

"Aber, wo ist denn die Erde, die Luft, der Regen? Wohin soll ich denn jetzt fliegen? Im Vakuum sind meine Flügel doch völlig nutzlos", wisperte der Schmetterling ängstlich.

"Keineswegs", sagte das Gänseblümchen, "deine Flügel sind die schönsten Flügel, die ich je gesehen habe. Ich freue mich, dass du bei mir bist. Und jetzt halt´ dich gut fest."

Der Schmetterling klammerte sich mit seinen sechs Beinchen fest an das mit dickem Blütenstaub bedeckte Köpfchen und entrollte sogar noch seinen langen Rüssel, um sich auch noch am Stengel des Gänseblümchens festzuhalten. Dann ging die Reise los, und die unbeweglichen Sterne wurden zu fliehenden Sternschnuppen.




Freitag, 26. Juli 2013

Es werde Bier

Namensuchmann schrie wie von Sinnen. Es war ihm selbst nicht klar, ob es Schreie des Entsetzens, des Erstaunens oder der reinen Freude waren. Nur eines war sicher: man konnte unmöglich stumm bleiben angesichts dessen was sich da abspielte. Zusätzlich zu den Schreien konnte man sich noch wahlweise mit beiden Händen an den Kopf hauen, mit Bocksprüngen im Kreis hüpfen oder sich auf den Rücken legen und mit Händen und Füßen auf den Boden trommeln. Nicht weit entfernt erspähte Namensuchmann einen Herrn im gediegenen Zweireiher, der sich auf Hände und Knie niedergeworfen hatte und angriffslustig bellte bis ihm der Sabber von den Lefzen troff. Etwas weiter entfernt, auf einer kleinen Anhöhe sah er eine Frau mittleren Alters rittlings auf der Lehne einer Parkbank sitzen. Sie rieb ihr Becken ekstatisch vor und zurück, hin und her, und johlte dabei unverständliche Worte in einem archaisch anmutenden Singsang.
 
Dann konnte Namensuchmann nicht anders als seinen Blick erneut auf die riesenhafte Biersäule zu richten, die sich kaum einhundert Meter vor ihm aus dem Erdboden erhob. Sie war zylindrisch und so breit, dass sie eher einer himmelshohen Bierwand glich denn einer Säule. Nur in der Ferne zur Linken und zur Rechten war die Krümmung zu erahnen. Der tosende Lärm war ohrenbetäubend, und der feine Sprühnebel der Biergischt zauberte bunt glitzernde Regenbogen an alle noch so unwahrscheinlichen Orte.

Die Biersäule veränderte zwar ihren Standort nicht, aber sie war alles andere als statisch. Mit rasender Geschwindigkeit schoß das Bier - ja, wohin eigentlich? Zuerst dachte Namensuchmann, das Bier würde vom Himmel herabschießen und irgendwie in der Erde verschwinden, denn es war kein oberirdischer Abfluss zu erkennen; wie ein Schneidstrahl aus Wasser, der in Styropor eindringt. Doch plötzlich, bei längerem Hinsehen, wurde das flimmernde Rasen plötzlich seltsam irregulär. Wie ein verschwommener Flugzeugpropeller mitten im Flug scheinbar seine Drehrichtung ändert, so schien die Biersäule in ihrer Raserei unmerklich ihre Fließrichtung zu ändern. Nun schoss das Bier nicht mehr aus dem Himmel herab in die Erde, sondern aus der Erde heraus in den Himmel hinauf. Auch die mäandernden Schaumfilamente auf der Säulenaussenseite wanderten mal nach oben, dann wieder nach unten.

Das infernalische Tosen und Brausen, zusammen mit dem feinen Duft nach Hopfen, rief in Namensuchmann eine Zufriedenheit hervor, die er noch nie zuvor gekannt hatte. Vielleicht wurde er aber nur müde vom schreien, verbunden mit einer leichten Überdosis an Sauerstoff. Er blickte nach oben. Aus allen Richtungen schienen sich Wolken der Biersäule zu nähern um dann in eine Kreisbahn um die Erscheinung einzuschwenken. Die Sonne stand schon sehr tief im Westen, bald würde der Vollmond im Osten aufgehen. Dumpfe Schläge tief in der Erde, die durch Namensuchmanns Beine bis in seine Magengrube vibrierten, kündeten von neuen Überraschungen.

Donnerstag, 25. Juli 2013

Es ist immer noch unwahrscheinlich


Ich schrieb ein Lied, doch anstatt zu erklingen ließ es sich auf einem Zweig nieder und schwieg zwölf Jahre. Aus dem Zweig wurde ein Ast und die Hülle ist nun leer. Ich hörte ein Rascheln wie von Schmetterlingen.


Mittwoch, 24. Juli 2013

Up!


Die Tage füllten sich einer nach dem anderen mit heisser Luft und erhoben sich in die Vergangenheit. Ganz Mutige, oder man könnte auch sagen, die ganz Tollkühnen hielten sich manchmal zu lange an den Halteseilen fest und blickten bald bestürzt nach unten, in tödliche Tiefen. Dann gab es nur noch eine Rettung: von Zeit zu Zeit stürzte sich ein Gleiter der Aliens von der Stratosphäre herunter, hielt das Seil fest und zwickte es oberhalb des verrückten Seilklammerers durch. Dann schwebte der Gleiter, im Idealfall, nach unten und setzte das Menschlein wieder in der Gegenwart ab. Manchmal, und tatsächlich gar nicht mal so selten, stieg der Gleiter nach der vermeintlichen Rettungsaktion jedoch senkrecht oder in Girlandenlinien weiter nach oben, viel schneller als der Tag selbst es tat und verschwand mit seiner Last im tiefen Blau des Quasiweltraums. Niemand dieser auf so geheimnisvolle Art Geretteten wurde jedoch jemals wieder gesehen, auch nicht als gefrorene, zerschmetterte Leiche.

Der Typ, der schließlich die ersten Festhaltehilfen für sportlich weniger Begabte erfand wurde Millionär. Mittels seiner Klammerhilfen konnten sich sogar Großmütterchen und Armamputierte an die Halteseile der Heißlufttage anheften und nach oben in die Vergangenheit tragen lassen oder in die verheißungsvolle Ungewissheit einer Existenz unter Aliens.




Montag, 15. Juli 2013

Schöne neue Welt

Das Flugabwehrgeschütz feuerte und streute angekokelte Patronenhülsen auf das herbstliche Blumenbeet wie Kümmel auf einen elsässischen Flammkuchen. Der Schütze trägt eine Coco Chanel-Umhängetasche und Adidas-Badeschlappen.
Blauer Himmel, blaue Stunde, Sterne, müde vom scheinen.

Ein Silvester später, oder eineinhalb, Zieharmonikamusik bis die Ohren bluten. Zähflüssige Zeit quillt über den Boden, man muss sich leicht dagegenstemmen um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Ich lasse die leere Bierflasche fallen, mit dem Hals nach oben treibt sie in dem schimmernden Brei von mir weg, langsam schwankend und schaukelnd. Sterne, die müde sind vom scheinen.

Das Schmatzen von Füßen in nassen Schuhen lässt mich aufhorchen. Es ist ein Kind, das sich über das Hochwasser freut. Sauber und klar schwappt es über die Stufen, es besteht noch keine Gefahr. Schöne weite Welt. Ich träumte vom Half-Dome in Kalifornien und Cumuluswolken, auf unsichtbaren Luftschichten treibend. Überhängender Fels über tausend Meter hohen Abgründen schlürft Sehnsucht wie ein Bettelmönch seine Graupensuppe.

Und doch bin ich nicht darauf hereingefallen, ich ging sehenden Auges den Pfad des gehobenen Irrsinns und war zudem noch befremdlich erregt. Dann ruhte ich mich aus und sagte nichts. Jedes Wort wog tausend Tonnen an diesem seltsamen Ort, an dem die zeit Tango zu tanzen schien mit diesem Typ aus dem Zug nach Basel, der, obschon gut gekleidet, keinen Fahrschein zu besitzen schien. Die Scheibe des Zugabteils schmierig von meiner Stirn.

Die Sterne, müde es ewigen Scheinens, fallen einer nach dem anderen vom schwarzen Himmel und verglimmen zu meinen Füßen. Ich muss aufpassen nicht darauf zu treten und setze vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Manche Sterne liegen zu Kissen gehäuft oder zu kleinen Dünen zusammengeschoben von diesem klaren Nachtwind. Mir wird schwindelig von diesem vergehenden Glühen unter meinen Füßen, über mir ist nun alles dunkel und schwarz. Die Welt hat sich gedreht, die Dinge fliegen fort von hier.

Vom Himmel hoch segelte ein neuer Zombie knurrend und um sich schlagend an seinem Fallschirm am Balkon vorbei. Namensuchmann machte einen weiteren Strich auf seiner Liste und ging zurück in den Wohnraum mit dem riesigen Fernseher. Seit zwei Stunden lag der Nachrichtensprecher nun schon reglos auf seinem Tisch, doch niemand im Fernsehstudio schien sich darum zu kümmern. Niemand schaltete die Kamera aus oder zog den Stecker.

Namensuchmann nahm sich ein Bier aus dem Kühlschrank und kehrte auf den Balkon zurück. Die Zombies an den Fallschirmen taumelten wie grunzende Riesenschneeflocken vom klaren Nachthimmel.


Mittwoch, 10. Juli 2013

Namensuchmann verschickt ein Paket



Die Segel waren fein säuberlich zu handlichen Paketen verpackt. Jahrelang waren die Winde der sieben Meere dagegen angestürmt, oder hatten sich wie verliebt in das grobe Leinen eingeschmiegt. Namensuchmann erinnerte sich genau, wie seine Hände nach Salzwasser gerochen hatten nachdem er die Segel fein säuberlich zusammengefaltet und mit den diversen Schutzhüllen umgeben hatte: Seide, Nylon, Kevlar und zuletzt mit Gold bedampftes Aluminium. Darüber befand sich dann nur noch die weisse Verkleidung der ziemlich klobigen, weißen letzten Stufe der Zubringerrakete. 
 
Er schaute über die Schulter. Die Gegenwart stand wie ein umgedrehter Vulkan direkt auf der kleinen Vorebene, wo einst das Haus gestanden hatte. Etwas schien aus der kopfüber stehenden Spitze hervorzusprudeln. Etwas, das anfing zu dampfen und zu qualmen wenn es mit normaler Atemluft in Kontakt zu kommen schien. Oben, wo sich die breite Basis der Gegenwart in den Wolken verlor, waren kleine, glitzernde Lichtpunkte zu sehen, die sich wie an einer Perlenkette aufgereiht um den monströsen Koloss wanden. Namensuchmann holte sein astronomisches Fernglas aus seinem Rucksack und betrachtete sich die Szenerie etwas genauer. Nun konnte er bunte Lampions erkennen, die dort oben, fast in der Stratossphäre, hingen und blinkten. 
Etwas vibrierte im Boden unter dem Startturm. Es war Zeit. Höchste Zeit. Namensuchmann schnallte sich seinen Basejumpfallschirm um, überprüfte die Gurte und Schlösser, und sprang in die Tiefe, weg vom Startturm. Hinter ihm erhob sich ein infernalisches Fauchen und Brüllen, das sich langsam erhob und in grollenden Donner überging. Die Rakete musste einen flacheren Bogen als normal fliegen, um der überhängenden Gegenwartsbasis hoch oben in den Wolken auszuweichen. Dann war nur noch ein rötlich schimmernder Feuerschein über den fedrigen Cirruswolken zu sehen. 

Die Segel werden sich gut machen, dort oben, auf dem Ozean unter dem pechschwarzen Himmel, dachte Namensuchmann, als er sich nach einem geeigneten Landeplatz weitab des Gegenwartsvulkans umsah.





Blindschleiche, Regenwurm verspeisend


Da es immer noch Menschen geben soll, denen ich nachfolgende Fotos noch nicht via FB oder Mail aufgedrängt habe, nachfolgend also eine kleine Kurzdoku über das Fressverhalten der gemeinen Blindschleiche. 

Normalerweise liegt es mir natürlich fern, jemanden beim Essen zu stören, im vorliegenden Falle musste ich die Schleiche aber vor der Sense retten. 








Samstag, 22. Juni 2013

Wichtig ist die Rose


Einer dieser Sonntage auf dem Land. Wolkenloser Himmel, eventuell mit einigen Cumulus-Schönwetterwolken. Diese flockigen Gebilde mit flacher Unterseite, als lägen sie ermattet auf einer unsichtbaren Decke aus etwas, das nach Zukunft riecht und einem oben am Kopf kitzelt. Ein leichter Wind weht und bringt die Baumkronen zum rascheln. Jetzt fehlt nur noch der irgendwo weit oben brummende Freizeitflieger. Und das Huhn, das müde in seiner Sandkuhle liegt und ein Sonnenbad nimmt. Ab und zu summt eine Fliege vorbei. Ruckelnd, doch lautlos kommt die Zeit zum Stillstand. Die Wellenfronten aus purer Realität werden um mich herumgespiegelt, Dinge werden und geschehen und vergehen an anderen Orten, zu anderen Zeiten.

"Du hast eine Haut wie ein Baby", sagt sie, während ihre Hand auf meinem Bauch ruht. Ihre Finger bewegen sich, grabbeln um meinen Bauchnabel um ihre Worte zu unterstreichen. Ich denke an Gilbert Bécauds "L´important, c´est la rose" und das Video, das ich kürzlich im Inet gefunden hatte. 
Die Tonqualität ist schlecht, doch auf eine Art schlecht, die mich wohlig erschauern lässt. So ähnlich muss sich ein Zeitreisender anhören, der aus fernen Zeiten eine Botschaft in die Gegenwart herüberrufen möchte. Oder muss. Weil er gefangen ist oder die Welt vor einer gefährlichen Kurve warnen muss. Gedämpft. Aus einer vergangenen Zeit. Aus Paris. Dem schwarzweißen Paris, mit Haaren unter den Armen und starken Zigaretten und Rauch und Kaffee auf kleinen runden Tischchen. Ein Paris des Begehrens und des Begehrtwerdens. Chansons von Bécaud und Piaf, zum auswendiglernen schön. 

Die Zeit dreht sich nun etwas, driftet, wie schwerelos unter diesem Himmel, in den man fallen könnte ohne Aufschrei und ohne Reue. Ja, da ist dieser Körper, der in dieser Phase ohne Zeit fast durchscheinend wirkt, wie eine Projektion von einem entfernten Ende des Universums, durch unglaubliche, haarsträubende Zufälle neben mich hingespiegelt, Worte und Berührungen aussendend, duftend und warm.

"L´important, c´est la rose, l´important, c´est la rose, l´important, c´est la rose, croi moi"







Mittwoch, 12. Juni 2013

Gehversuch



Die Nacht war leise, fast lautlos. Das einzige Geräusch war das fast flatternde Lodern der Flammen. Der Wind schlug wie mit einer Riesenfaust das kleine Feuer mal in diese Richtung, dann wieder in die andere. Doch die kleine Sandkuhle, in der Namensuchmann es entfacht hatte, bot genügend Schutz sodass es nicht erlosch. Der weiße Sand leuchtete matt im Sternenlicht, doch ob Wüste oder Strand, das wusste Namensuchmann zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Am Himmel, nahe des Ochsentreibers, war der kleine gleissende Punkt der fernen Erde zu erkennen. 
Namensuchmann starrte in die Flammen und spürte ihre Wärme an seinen nackten Füßen. Der Wind war kühl und roch nach Zeit, die zu lange an einer rauhen Stelle der Gegenwart hängengeblieben war. Wenn die Sterne vor ihrem nachtschwarzen Hintergrund zu tanzen begangen schaute er auf und versuchte, den Kurs des vorbeifliegenden Schiffes zu erahnen. Sie waren durchsichtig, die Schiffe der Aliens, man sah sie nur, wenn man nicht direkt hinsah, sondern knapp daran vorbei. Wieder eines, lautlos, und es flog in Richtung Erde. Namensuchmann zog seine Jacke enger um sich und grub seine Zehen etwas weiter in den warmen Sand. In der Kühltasche war noch Bier, abgefüllt in richtigen Flaschen aus braunem Glas. Namensuchmann öffnete den Kronkorken und schnippte ihn über den Rand der Sandfläche, wo er in einem hohen, aufsteigenden Bogen ausser Sicht taumelte. Er prostete dem kleiner werdenden Alienschiff hinterher und leerte die Flasche fast mit einem Zug.

Sonntag, 26. Mai 2013

Meine Güte, voll erwischt

Vielen Dank an die unermüdlichen Besucher, die immer mal wieder in diesen Blog reingeschaut haben. Die Erklärung für die lange Pause ist einfach: eine ungewöhnliche, in ihrer Intensität seit Jahrzehnten nicht mehr registrierte Windteufelaktivität.

Zur Erinnerung bzw. zum Nachlesen:

 http://mondlichter.blogspot.de/2009/01/der-kluge-hausmann-wei-rat.html

Vermutungen, wonach die Ursache in einer globalen Katastrophe auf Epsilon Eridani zu suchen ist entbehren jedoch jeder Grundlage und sind reine Spekulation.

Im Moment scheint die Seuche jedenfalls auf dem Rückzug zu sein und mit einiger Zuversicht darf ich sagen, bald wieder öfters zu posten!

Moves


Dienstag, 26. März 2013

Sternschnuppen unter meinen Füßen



Namensuchmann trat aus der Haustüre, hielt sich aber noch am Türrahmen fest denn die Nacht war riesig. Sie erfüllte einen Raum, so dunkel und groß, dass die Sterne darin wie verlorener Goldstaub in einer Waschpfanne glitzerten. Ein Schrei wäre wohl möglich gewesen, aber die Gefahr, dass auch er sich ins Gigantische aufblähen würde war Namensuchmann zu groß. Er dachte an die Trompeten von Jericho, die mit ihrem Lärm die Stadtmauern zum Einsturz gebracht hatten. Was vermochte dann ein Schrei anrichten, wenn er in diesen aberwitzigen dunklen Raum entlassen würde? 
Der Sog war auszuhalten und nicht stärker als Namensuchmanns Gewicht. Er ließ also den Türrahmen los und stieg die Haustreppe hinunter. Er merkte ganz genau, dass er nicht mehr sein gewohntes Gewicht auf die Stufen brachte. Der harte Beton der Treppe fühlte sich wie weicher Gummi an.
Auf dem Kies der Zufahrt beugte er ein Knie und berührte mit der flachen Hand den Boden. Die Welt erzitterte sachte, wie in Verzückung, und verschwand.


Mittwoch, 6. März 2013

Nur mal so



Die beiden Türflügel stehen weit offen. Doch unter der gläsernen Schwelle sind funkelnde Galaxien gefangen, die sich langsam zu drehen scheinen. Dazwischen Sternschnuppen, die aus der Tiefe emporfliegen aber spurlos verschwinden, ehe sie von unten gegen die Schwelle stoßen. Sollte ich einfach drüberhüpfen? In den Raum dahinter springen? Oder lieber ganz sachte auf die Galaxien treten? Es wäre möglich. Nur mit Socken, ohne Schuhe, dann müsste es möglich sein. Sternenkribbeln unter den Fußsohlen. Wärme vielleicht, von den Gedanken ganzer Zivilisationen aus unendlich fernen Zeiten. Ich schaue hinein in den warmen Raum jenseits der Sternenschwelle. Ein Feuer prasselt in einem großen, gemauerten Kamin, dahinter ein raumhohes Fenster. Dahinter Schnee und Wälder und Berge.Ich sage mein Gedicht auf.


Sonntag, 17. Februar 2013

Sand und Schnee



Der Schnee fällt von den Ästen; weiße Gischtgestalten, funkelnd und glitzernd im Sonnenlicht, fliehen aus den Bäumen wie Gespenster auf der Suche nach Frieden.

Gleichzeitig diese Lichtbrühe im Hirn, die über eine schräge Wüste schwappt und Übelkeit verursacht, mit Motels im Hintergrund und Kakteen. Hinter den Kakteen, etwas abseits, ein alter Stromliniencaravan. Davor zwei Pfosten mit einer unbehängten Wäscheleine. Ich wünschte, ich könnte dort sitzen und Bier aus Riesendosen süffeln, in  Cowboystiefeln mit schiefem Absatz, um meine Füße in die Erde zu stemmen gegen das Abrutschen. Die leeren Bierdosen könnte man einfach so ins Nichts schnippen, oder sie über den Rand dieser schrägen Welt rollen lassen.

Das Geräusch des Sandes, wenn er aus der Welt rieselt und im Nichts verschwindet, das trockene Rascheln der heimatlosen Tumbleweed-Büsche, wenn sie sich überlegen, vor dem Rand nochmal aufzuhoppsen oder gleich in hohem Bogen ins Nichts zu segeln, das alles schmeichelt meinen Ohren.



Freitag, 18. Januar 2013

Schnee, aber nicht heute



Und der Himmel atmete leise, kaum vernehmbar,
unter seinem Hauch träumte ich ein Leben, doch 
niemals träumte ich von dir.