..............................................und andere Lumineszenzen..............................................
Mittwoch, 30. September 2009
Mottenkiste (1995)
Mondfisch
Eine Nacht
ein Mondfisch auf
Entdeckungsreise durch
dampfende Jahre
Kaskaden nichtidentifizierter
Breitage, homogenisiert
über Land
bei Nacht
durch stählerne Gräben
Lasst uns Worte stammeln
und Gelächter lachen
in Urlaub fahren
Wut säen, uns von
Brüsten nähren
bei Nacht
Mondfisch auf der Spur
im Schatten der Dome
machtlose Welten
fieberndes Sternenflimmern
ohne Seele den
Heimweg bezwingend
leben
ohne Ende
Sonntag, 27. September 2009
Herbstliches
Man muss sich barfuß in knuspertrockenes, sonniges Herbstgras setzen. Dann kommt ein kleiner brauner Grashüpfer geflogen und landet auf dem Fuß, dicht oberhalb des großen Zehs. Man muss auch sehr vertrauenswürdig gucken und darf auf keinen Fall vor eifriger Begeisterung jauchzen, wenn man von den schwarzen Grashüpferaugen gemustert wird.
Nur dann bekommt man nämlich ein kurzes Konzert geboten von emsig vibrierenden Sprungbeinchen.
Donnerstag, 24. September 2009
Spätsommergedanken II
Mittwoch, 23. September 2009
Spätsommergedanken
Es begab sich an einem Tag, da beschloss ich, aufgrund des schönen Wetters und weil ich nichts einkaufen musste, mit dem Fahrrad ins Altersheim zu fahren.
Am Tag davor war ich an einem Feld voller blühender Sonnenblumen vorübergekommen. Man durfte sich welche abschneiden, wenn man pro Stück 60 Cents in den schmalen Schlitz eines massiven und mit einem schweren Schloss gesicherten Betonfasses warf. Zwei billige Messer mit Sägeschliff lagen dafür auf dem Fass bereit. Ich suchte mir drei sehr schöne Sonnenblumen aus und blieb selbstverständlich die Bezahlung nicht schuldig.
Doch nun wollte ich sie ins Altersheim bringen, und zwar mit dem Fahrrad.
Ich stellte sie also in meinen Rucksack, dessen Reissverschluss glücklicherweise die Möglichkeit bietet, oben eine Öffnung freizulassen. Mit dem Rucksack auf dem Rücken fuhr ich los. Durch die gebückte Haltung beim fahren gefiel es einer der Sonnenblumen, ich nannte sie Tulla, sich wie ein Helm über meinen Hinterkopf zu stülpen.
Die zweite, Hulla, war neugierig und machte es sich neben meinem linken Ohr bequem, von wo sie den perfekten Überblick nach vorne hatte.
Wo sich Schrulla, die dritte im Bunde, aufhielt, konnte ich nicht sehen. Ich vermutete aber, dass sie oben über meinen Kopf guckte, da sie den längsten Stiel von allen besaß.
Ich kümmerte mich nicht darum, dass Gartenarbeit und andere Aktivitäten verstummten, nachdem ich vorübergefahren war. Und dass so mancher Autofahrerhals sich gefährlich verrenkte, war mir auch gleichgültig.
Bis zum Altersheim gibt es aber einige lange und zudem noch kurvige Gefällstrecken, auf denen man eine beträchtliche Geschwindigkeit erreichen kann. Ich überlege mir dann immer, ob es nicht langsam an der Zeit wäre, mir endlich einen Fahrradhelm zu kaufen. Ich stellte mir vor, was passieren würde, wenn bei diesem Tempo der Lenker meines altersschwachen Drahtesels brechen oder einer der rissigen Reifen platzen und ich mit dem Schädel auf die Straße knallen würde. Mein Hirn würde vielleicht noch einige Meter weiterrutschen auf einer Gleitbahn aus Liquor, zusammen mit Hulla, Tulla und Schrulla. Der Polizeifotograf bekäme endlich einmal ein pittoreskes Bild vor seinen Apparat: Gehirn auf Asphalt, umrahmt von drei malerischen Sonnenblumen.
Bald jedoch empfand ich solcherlei Schwärmerei als ziemlich ablenkend und ich beschloss, meine volle Aufmerksamkeit wieder der Straße zu widmen. Ich kam gesund und munter im Altersheim an.
Hulla, Tulla und Schrulla erhielten einen Ehrenplatz im Aufenthaltsraum.
Montag, 21. September 2009
Mottenkiste (1991)
Nachrichten
Licht
und Schatten
Schmerz und Tod
Hass dick wie Schiffstaue
rote Kinder die waten
durch Seen von Blut
vom Himmel hoch da fegen die
Krawatten über die Köpfe der Ungeborenen
Schreie erstickt in Fruchtwasser
der Tod in seine Sense gefallen
dabei die wertvolle Vase vom Kamin gefegt
Augen hohl und rot
geplatzte Leiber unter Wüstensonne
der Stahl warm und folgsam
in den Köpfen die Saat der Ewigkeit
Geborgtes Leben zurückgegeben
ohne Gebrauchsspuren
Versprechen wie Seifenblasen
Vögel die singen über Gräbern
aus Marmor und Leidenschaft
Sonntag, 20. September 2009
Freitag, 18. September 2009
Mittwoch, 16. September 2009
Punktlandung
Mit meinen dicken fetten Füßen landete ich direkt auf Deutschland, ein wenig erwischte ich noch das Elsaß und die Nordschweiz. Ich wundere mich, wie elastisch die Erdoberfläche sich anfühlt. Fast, wie wenn man auf einem Wasserbett herumstolziert. Ich muss mein Gewicht gleichmäßig verteilen; bleibe ich zu lange auf einem Fuß stehen, gibt der Erdmantel nach und glühendes Magma quillt zwischen meinen Zehen empor. Klebriges Zeug, das man kaum wieder abkriegt, wenn es erstmal erkaltet ist. Genaugenommen müsste ich eigentlich von Lava sprechen, denn flüssiges Gestein heißt nur so lange Magma, wie es sich noch im Erdinnern befindet. Erst, wenn es über die Erdoberfläche marodiert, bezeichnet man es als Lava! Aber wie soll ich es nennen, solange es nur über meine Zehen fließt? Ich denke, Magma, das über einen lebenden Körper fließt, sollte Pfröhk heissen. Oder Glühpampe.
Ich bin zwar froh, dass ich nicht in einem Ozean gelandet bin wegen der Flutwelle, aber um Deutschland tuts mir doch ein wenig leid. Der Schwarzwald zum Beispiel müsste sich jetzt irgendwo unter meinem linken Fußballen befinden. Doch ich kann den Fuß nicht anheben, weil ich sonst mit dem anderen nur umso tiefer sinke und die norddeutsche Tiefebene in eine Pfröhkebene verwandele.
Ich nestle etwas mit den Zehen. Ja, da sind ein paar kleine Huggel, kaum zu bemerken. Feldberg und Belchen vermutlich. Dabei war mein Verhältnis zum Schwarzwald eher zwiespältig. Ich mochte die engen, dunklen Täler nicht, in denen Spießertum und lähmend kitschiges Brauchtum zu Hause waren. Wurzelmännchen aus Birkenästen, hohle Porzellankühe als Milchkännchen, verklärte menschliche „Originale“, deren tragische Gesichter von jedem Postkartenständer drohten, und Bücher über Bücher, voll mit ekelhaft banalen Geschichten, natürlich in Mundart geschrieben.
Ich drehe und bewege meinen Fuß etwas hin und her.
Schön war es im Schwarzwald nur auf den Höhen, wenn der Blick hinausschweifen konnte in blaue, dunstige Fernen, oder wenn man auf einem riesigen, mehrspurigen Viadukt ein Tal überquerte und den spitzen Kirchturm nur von oben sah.
Einer meiner Lieblingsplätze ist, bzw. war, der Brend in der Nähe von Furtwangen. Mit 1149 müM nicht sonderlich imposant, aber dafür mit einem schönen Turm und, noch wichtiger, einer guten Gastwirtschaft gesegnet. Dort gab es leckeren Kuchen, gutes Essen und eine Aussicht bis zu den Vogesen. Was mir aber dort oben, bzw. jetzt dort unten, auf dem Brend, am meisten gefiel, was mich am meisten beeindruckte, war das Gras. Es war kurz und sehr dicht gewachsen, die Halme glänzten dunkelgrün. Fast erinnerte es mich an Moos. Es war kein Rasen, dafür war das Terrain zu uneben und es gab keinerlei Mähspuren. Die Halme hatten feine, spitze Enden, sie waren nicht gekürzt. Eine Weide war es auch nicht, es gab weder Zaun noch Verdauungsendprodukte.
Fuhr man mit der Hand über das Gras, fühlte es sich an wie rauhes Kuhfell. Am liebsten setzte ich mich nicht auf eine der Holzbänke, sondern direkt auf dieses weiche, grüne Polster, und ließ mich von der Abendsonne wärmen. Meistens wehte ein leichter Wind dort oben. War die Sonne unter dem weit entfernten Horizont verschwunden, gings hinein in die Wirtschaft zu einem heissen Kaffee und einem dicken Stück Sahnetorte. Oder einem leckeren Omelette mit Pfifferlingsoße.
Langsam beginne ich zu wippen, wie ein Wasserspringer auf dem Dreimeterbrett. Glucksende und schmatzende Geräusche sind von unten zu vernehmen, als an mehreren Stellen kleine Lavageysire austreten. Wie Wellen auf einem Teich, wenn man einen Stein hineingeworfen hat, breiten sich die Erschütterungen über Europa und die ganze Hemisphäre aus. Nachdem ich überzeugt bin, genug Schwung aufgebaut zu haben, stoße ich mich ab. Es reicht, die Erde wird schnell kleiner hinter mir, allerdings taumelt und eiert sie nun sehr abenteuerlich auf ihrer Bahn um die Sonne. Zumindest der Mond scheint noch wenig beeindruckt zu sein, stoisch blickt er auf das Desaster hinab.
Montag, 14. September 2009
Mottenkiste (1995)
Monolog
Hinter schweigsamen Brüllgesichtern
der Biomechanismus des Leidens
Am Himmel Ströme aus Zeit
von Horizont zu Horizont pulsierend
blutrot und pestschwarz
In der Ferne
mürbes Glockengeläut
faule Kirchenstühle
mit hellem Sopran
pflügt Tod durch
die Prozession der Gläubigen
Ohne Hintergedanken Gruben graben
Bilder malen
nach nackten Körpern gieren
das Hirn zugasen und
auf Dichtheit prüfen
im Gesicht der Welt diffuse Schreie
von unten derbes Proletenlachen
feindseliges Vertrauen
ohne Tränen kämpfen
die Hölle zu sehen
an Gedanken würgen
in Tunneln hausen
das Leben durchrasen
im Fahrtwind
atemloses Keuchen
unmenschliches Grunzen
Sonntag, 13. September 2009
Freitag, 11. September 2009
Brehms Tierleben, mit Entenscheisse nachgestellt. Teil IV
Donnerstag, 10. September 2009
Zimmer mit Aussicht
"Hey", sagte ich und blickte durch das dicke Panzerglas nach draußen.
"Ich wünschte, die Sonne wäre hier so hell wie daheim, und nicht bloß so eine trübe Funzel, die sich kaum von einem Stern unterscheidet."
Es kam keine Antwort. Natürlich nicht. Ich war allein. Allein mit den Sternen der Milchstraße. Jenseits der gebogenen Fenster, in alle Richtungen, unter einem tiefschwarzen Himmel, das ewige Eis, flach und topfeben, nur an wenigen Stellen bizarr aufgeworfen, schwach glimmend im Sternenlicht einer Nacht, die eigentlich ein Tag war.
Ich erinnerte mich an damals, an die Friedhofsmauer auf der Anhöhe, wie sie im roten Abendlicht leuchtete, die Wärme des vergangenen Tages verströmend. Daneben verlief der Weg, noch ein Stückchen höher hinauf, zu der einsamen Baumgruppe. Die Blätter der sieben Linden und Ulmen raschelten leise, auch wenn unten im Tal kein Wind wehte. Es war immer still dort oben, auf der Bank unter der größten und ältesten Linde. Die letzten Häuser, die letzten Straßen, alles war zu weit weg. Kein Laut drang hinauf. Nur Licht und Wind. Und ich. Und sie.
Mittwoch, 9. September 2009
Dienstag, 8. September 2009
Montag, 7. September 2009
Mottenkiste (Hirnreihe, 1990er)
Immer lächeln
Jemand hat eine Schrotladung
in meinen Bauch gejagt
Aus hundert Löchern
rinnt mir der Lebenssaft
wie aus einer
Gießkannenbrause
Mein Hirn liegt schon
trocken
es schrumpft und schrumpelt
auf die Größe eines Walnusskerns
der klimpert und poltert
in der Leere
meines Schädels
Wenn ich mich ruhig verhalte
kann ich vielleicht noch
eine Weile durchhalten
ohne dass sie es merken
Sonntag, 6. September 2009
Wider die Bildlastigkeit
Lektüre
meine Gedanken ruhen
in staubbedeckten Bänden
in einem riesigen Regal
ich stehe davor und schaue empor
sie verschwimmen in schwindelnder
Höhe, sonnenbeschienen und
sternenbeglänzt
ich möchte auf meine Knie sinken
doch auch unter mir nur flirrende
Ferne mir bleibt nur mich zu
krümmen zu einem uralten Embryo
zu ertragen einen senkrechten
Horizont doch ich falle nicht
die Bücher bewegen sich unmerklich
zuerst dann immer schneller
um plötzlich wieder still zu stehen
ich drehe mich aus der Wand
wird ein Himmel der vorübergleitet
doch die Bücher sie fallen nicht
unter mir nicht Himmel nicht Hölle
nur Licht das leuchtet diffus und
Geruch nach Sehnsucht und Liebe
fast vergessen nach all dem Gejohle
eine Melodie die summt und streichelt
und hebt und grüßt nimmt mich mit
über Höhen und Schlünde
umschlossen von Flaum und Zuversicht
unter staubigen Bänden ziehen
und in Gedanken ruhen
Frieden erfahren ohne Hast
und ohne tausend Lügen
(2009)
Samstag, 5. September 2009
Freitag, 4. September 2009
Selbstmordattentäter im Weltall...
Mittwoch, 2. September 2009
Dienstag, 1. September 2009
Mottenkiste (1995)
Nachtzeit
In Bauchlage diese Welt anbeten
Auf Schmerzen in den Himmel reiten
Hurra rufen und sieben Dämonen erschaffen
Dem Forscher die Gehirne entreissen
Gedanken befreien Höhlen lüften
Die Füße einer klugen Frau massieren
Ihren Arsch mit nassen Küssen verzehren
Dem Strudel entgegen
Die Hölle verfluchen
Zu einem dünnen Film gebreitet
sich über Berge legen
Staubfahnen entfachen
Mit irrem Geschrei
Riesige Feuer schüren
Auf schwarzen Schwingen
Über Abgründe fliegen
Hinauf in roten Wolken baden
Tumb in kranken Seelen wühlen
Äonen durchwandernd
Die Zeit erahnen
Und lautlos zu Boden sinken
Zu erinnern
Ein sinnloses Gebet
(mannhaft widerstand ich jeder Versuchung, den Text nachträglich, in der Rückschau der vergangenen Jahre, zu ändern! Hoch lebe die Authentizität)