Mittwoch, 23. September 2009

Spätsommergedanken



Es begab sich an einem Tag, da beschloss ich, aufgrund des schönen Wetters und weil ich nichts einkaufen musste, mit dem Fahrrad ins Altersheim zu fahren.
Am Tag davor war ich an einem Feld voller blühender Sonnenblumen vorübergekommen. Man durfte sich welche abschneiden, wenn man pro Stück 60 Cents in den schmalen Schlitz eines massiven und mit einem schweren Schloss gesicherten Betonfasses warf. Zwei billige Messer mit Sägeschliff lagen dafür auf dem Fass bereit. Ich suchte mir drei sehr schöne Sonnenblumen aus und blieb selbstverständlich die Bezahlung nicht schuldig.
Doch nun wollte ich sie ins Altersheim bringen, und zwar mit dem Fahrrad.
Ich stellte sie also in meinen Rucksack, dessen Reissverschluss glücklicherweise die Möglichkeit bietet, oben eine Öffnung freizulassen. Mit dem Rucksack auf dem Rücken fuhr ich los. Durch die gebückte Haltung beim fahren gefiel es einer der Sonnenblumen, ich nannte sie Tulla, sich wie ein Helm über meinen Hinterkopf zu stülpen.
Die zweite, Hulla, war neugierig und machte es sich neben meinem linken Ohr bequem, von wo sie den perfekten Überblick nach vorne hatte.
Wo sich Schrulla, die dritte im Bunde, aufhielt, konnte ich nicht sehen. Ich vermutete aber, dass sie oben über meinen Kopf guckte, da sie den längsten Stiel von allen besaß.
Ich kümmerte mich nicht darum, dass Gartenarbeit und andere Aktivitäten verstummten, nachdem ich vorübergefahren war. Und dass so mancher Autofahrerhals sich gefährlich verrenkte, war mir auch gleichgültig.
Bis zum Altersheim gibt es aber einige lange und zudem noch kurvige Gefällstrecken, auf denen man eine beträchtliche Geschwindigkeit erreichen kann. Ich überlege mir dann immer, ob es nicht langsam an der Zeit wäre, mir endlich einen Fahrradhelm zu kaufen. Ich stellte mir vor, was passieren würde, wenn bei diesem Tempo der Lenker meines altersschwachen Drahtesels brechen oder einer der rissigen Reifen platzen und ich mit dem Schädel auf die Straße knallen würde. Mein Hirn würde vielleicht noch einige Meter weiterrutschen auf einer Gleitbahn aus Liquor, zusammen mit Hulla, Tulla und Schrulla. Der Polizeifotograf bekäme endlich einmal ein pittoreskes Bild vor seinen Apparat: Gehirn auf Asphalt, umrahmt von drei malerischen Sonnenblumen.
Bald jedoch empfand ich solcherlei Schwärmerei als ziemlich ablenkend und ich beschloss, meine volle Aufmerksamkeit wieder der Straße zu widmen. Ich kam gesund und munter im Altersheim an.
Hulla, Tulla und Schrulla erhielten einen Ehrenplatz im Aufenthaltsraum.

4 Kommentare:

Linnea hat gesagt…

Das ist eine so entzückende Geschichte.. so einen hinterkopfschmeichelnden Blumenhelm stelle ich mir sehr wohltuend vor.

Frau Schäufele hat gesagt…

Manchmal denk ich so vor mich hin, warum Du wohl fast nie was NUR Schönes schreibst...

Linnea hat gesagt…

Weil fast nichts nur schön ist...?
*mit überleg*
:-)

Moves hat gesagt…

@Linnea: ja, sehr weich und schmiegsam! Wobei ich allerdings auch mal kurz daran dachte, dass hoffentlich nicht allzu viele Untermieter in der Blüte wohnen...