Mittwoch, 16. September 2009

Punktlandung

Mit meinen dicken fetten Füßen landete ich direkt auf Deutschland, ein wenig erwischte ich noch das Elsaß und die Nordschweiz. Ich wundere mich, wie elastisch die Erdoberfläche sich anfühlt. Fast, wie wenn man auf einem Wasserbett herumstolziert. Ich muss mein Gewicht gleichmäßig verteilen; bleibe ich zu lange auf einem Fuß stehen, gibt der Erdmantel nach und glühendes Magma quillt zwischen meinen Zehen empor. Klebriges Zeug, das man kaum wieder abkriegt, wenn es erstmal erkaltet ist. Genaugenommen müsste ich eigentlich von Lava sprechen, denn flüssiges Gestein heißt nur so lange Magma, wie es sich noch im Erdinnern befindet. Erst, wenn es über die Erdoberfläche marodiert, bezeichnet man es als Lava! Aber wie soll ich es nennen, solange es nur über meine Zehen fließt? Ich denke, Magma, das über einen lebenden Körper fließt, sollte Pfröhk heissen. Oder Glühpampe.

Ich bin zwar froh, dass ich nicht in einem Ozean gelandet bin wegen der Flutwelle, aber um Deutschland tuts mir doch ein wenig leid. Der Schwarzwald zum Beispiel müsste sich jetzt irgendwo unter meinem linken Fußballen befinden. Doch ich kann den Fuß nicht anheben, weil ich sonst mit dem anderen nur umso tiefer sinke und die norddeutsche Tiefebene in eine Pfröhkebene verwandele.

Ich nestle etwas mit den Zehen. Ja, da sind ein paar kleine Huggel, kaum zu bemerken. Feldberg und Belchen vermutlich. Dabei war mein Verhältnis zum Schwarzwald eher zwiespältig. Ich mochte die engen, dunklen Täler nicht, in denen Spießertum und lähmend kitschiges Brauchtum zu Hause waren. Wurzelmännchen aus Birkenästen, hohle Porzellankühe als Milchkännchen, verklärte menschliche „Originale“, deren tragische Gesichter von jedem Postkartenständer drohten, und Bücher über Bücher, voll mit ekelhaft banalen Geschichten, natürlich in Mundart geschrieben.

Ich drehe und bewege meinen Fuß etwas hin und her.

Schön war es im Schwarzwald nur auf den Höhen, wenn der Blick hinausschweifen konnte in blaue, dunstige Fernen, oder wenn man auf einem riesigen, mehrspurigen Viadukt ein Tal überquerte und den spitzen Kirchturm nur von oben sah.

Einer meiner Lieblingsplätze ist, bzw. war, der Brend in der Nähe von Furtwangen. Mit 1149 müM nicht sonderlich imposant, aber dafür mit einem schönen Turm und, noch wichtiger, einer guten Gastwirtschaft gesegnet. Dort gab es leckeren Kuchen, gutes Essen und eine Aussicht bis zu den Vogesen. Was mir aber dort oben, bzw. jetzt dort unten, auf dem Brend, am meisten gefiel, was mich am meisten beeindruckte, war das Gras. Es war kurz und sehr dicht gewachsen, die Halme glänzten dunkelgrün. Fast erinnerte es mich an Moos. Es war kein Rasen, dafür war das Terrain zu uneben und es gab keinerlei Mähspuren. Die Halme hatten feine, spitze Enden, sie waren nicht gekürzt. Eine Weide war es auch nicht, es gab weder Zaun noch Verdauungsendprodukte.

Fuhr man mit der Hand über das Gras, fühlte es sich an wie rauhes Kuhfell. Am liebsten setzte ich mich nicht auf eine der Holzbänke, sondern direkt auf dieses weiche, grüne Polster, und ließ mich von der Abendsonne wärmen. Meistens wehte ein leichter Wind dort oben. War die Sonne unter dem weit entfernten Horizont verschwunden, gings hinein in die Wirtschaft zu einem heissen Kaffee und einem dicken Stück Sahnetorte. Oder einem leckeren Omelette mit Pfifferlingsoße.

Langsam beginne ich zu wippen, wie ein Wasserspringer auf dem Dreimeterbrett. Glucksende und schmatzende Geräusche sind von unten zu vernehmen, als an mehreren Stellen kleine Lavageysire austreten. Wie Wellen auf einem Teich, wenn man einen Stein hineingeworfen hat, breiten sich die Erschütterungen über Europa und die ganze Hemisphäre aus. Nachdem ich überzeugt bin, genug Schwung aufgebaut zu haben, stoße ich mich ab. Es reicht, die Erde wird schnell kleiner hinter mir, allerdings taumelt und eiert sie nun sehr abenteuerlich auf ihrer Bahn um die Sonne. Zumindest der Mond scheint noch wenig beeindruckt zu sein, stoisch blickt er auf das Desaster hinab.

2 Kommentare:

Linnea hat gesagt…

..ich wollte gerade mal über die Länge Deutschlands und deine dementsprechende Fußgröße auf deine ungefähre Körpergröße rückschließen aber dann bin ich auf wikipedia bei einem Artikel über "Kondominien" hängengeblieben. *wirr*
;-)

Moves hat gesagt…

Kondominien gehen ja noch, wenigstens bist Du bei der Gelegenheit nicht bei "Wahnvorstellungen" oder "Psychiatrie" hängen geblieben...;-)