In dem amerikanischen Filmklassiker „Charade“ kämpft Cary Grant auf dem Dach eines Hotels gegen Herman, seinen Widersacher, gespielt von dem hünenhaften George Kennedy. Nach einem gehörigen Schlagabtausch rutscht Kennedy auf dem Bauch, Füße voran, das Dach hinunter. Während er sich der Kante nähert, schaut er mit einer Mischung aus Wut und Entsetzen zu Cary Grant hinauf (er wird nicht hinunterfallen, er bleibt mit seiner künstlichen Hakenhand an der Dachrinne hängen).
Genau so sehe ich das Ende dieses Jahres. Es rutscht immer schneller der Kante entgegen; nur einen Augenblick noch, dann wird es plötzlich ausser Sicht sein und für einen langen Herzschlag lang wird es plötzlich sehr still sein hier oben auf dem Dach mit der beim Kampf zerdepperten Leuchtreklame. Unwillkürlich werde ich den Atem anhalten und auf den Schrei warten. Den Angstschrei eines in die Vergangenheit fallenden Jahres, in einen Abgrund ohne Boden.
Ich übertreibe. Noch nie hat ein Jahr geschrien beim Absturz, noch nie ist eines an der Dachrinne hängengeblieben wie Herman, denn Jahre haben keine künstlichen Hakenhände. Es gab Jahre, die verschwanden lautlos, und es gab Jahre, die jodelten wie eine irre Hellwig während des unaufhörlichen Falls in diesen Abgrund, der irgendwo dort unten, jenseits der Dachkante, beginnen musste. Es gab Jahre, die brüllten mir noch Gebete zu, und es gab Jahre, die schienen sich im letzten Augenblick noch zu fangen, nur um sich dann mit einem Extrasalto in hohem Bogen zu verabschieden. Jahre, die weinten. Jahre, die ungläubig starrten. Jahre, die vor dem eigentlichen Fall schon von einer Böe erfasst und einfach fortgeweht wurden. Jahre, die hinterließen eine breite Blutspur auf dem Dach, und Jahre, da stank es hinterher nach Urin.
In einem guten Zeitreisefilm versucht der Held, in die Vergangenheit zu reisen, um dort seine Geliebte vor einem sinnlosen Tod zu bewahren. Aber er kommt immer zu spät, egal was er tut, egal wie verzweifelt er an der Zeitkoordinatenmaschine herumbastelt. Etwas kommt immer dazwischen. Jeder Versuch endet mit einer Großaufnahme der gebrochenen Augen der Geliebten.
Zeitsprünge sind fast so etwas wie Zeitreisen. Ein Jahr fällt über die Kante, mit riesigen, entsetzten Augen mich anstarrend. Ich warte eine Minute, lasse meinen Blick über das Gerüst der beim Kampf zerstörten Leuchtreklame schweifen und würde mir gerne eine Zigarette anstecken, wenn ich rauchen würde und Zigaretten dabei hätte. Aber ich rauche nie, und ich habe auch keinen Flachmann dabei mit einem guten Whisky. Wo war nochmal der Weg hinunter, die Treppe in die Welt, in die Hotelbar womöglich? Doch im nächsten Moment tobt schon der Kampf mit dem nächsten Jahr, wo kam das her? Fäuste fliegen, Eisenstangen werden geschwungen, treffen auf Knochen und Geländer.
Dann ein entsetzter Blick, ungläubig, mit großen Augen mich fixierend, während es über die Kante rutscht. Bang Boom, große Augen. Jodeln. Die Nacht beginnt zu flackern, Jahre wie aus dem Maschinengewehr. Das Mündungsfeuer entzündet die Netzhaut, der Feinstaub der Patronen legt sich auf Gletscher und Lungenbläschen.
Herman musste übrigens später im Film doch noch sterben, er war nämlich gar nicht der wahre Bösewicht, das war ein anderer, und Herman starb in der Badewanne.
..............................................und andere Lumineszenzen..............................................
Freitag, 20. Dezember 2019
Montag, 16. Dezember 2019
Auf der Lichtung nachts um halb eins
Die Kirche sah aus, als hätte ein Riese sie in höchster Eile aus dem Gebirge gerissen und schnell auf der Lichtung aufgetürmt.
Wovor fürchten sich Riesen?
Wovor fürchten sich Riesen?
Mittwoch, 16. Oktober 2019
Freitag, 4. Oktober 2019
Freitag, 23. August 2019
An der Uferpromenade
Soll ich reingehen und ein Bier trinken, Biergarten mein? Nur ein einziges?
Das Wetter ist eigentlich zu kühl für ein Bier. Einen Kaffee vielleicht? Nur einen einzigen?
Vielleicht am Tisch dieser geheimnisvollen Frau, so adrett und gepflegt in ihren Lumpenkleidern?
Sie ist nur schön, sie birgt nicht mehr oder größere Geheimnisse als jeder von uns.
Vielleicht am Tisch dieser schönen Frau in Lumpenkleidern?
Vielleicht ist das Wenige, das sie birgt, immer noch zu viel für dich. Denn du birgst nichts, auf das du vertrauen könntest, wenn es hart auf hart kommt.
Ich ziehe mir meine Jacke an, denn ich habe nun schon Gänsehaut von der kühlen Brise. Zumindest denke ich daran, meine Jacke aus dem Rucksack zu holen und anzuziehen. Doch sie ist so dünn, ohne jedes Futter, sie würde nichts gegen die Kühle nützen, also wozu die Mühe?
Vielleicht wäre die Lumpenfrau, die Schöne, beeindruckt von deiner Lumpenjacke. Sie käme vermutlich sofort zu dir gelaufen und sänke vor dir auf die Knie um dir in deiner Jacke zu huldigen.
Doch im Augenblick jedenfalls wird sie von ihrem Prinzen in schimmernder Dolce & Gabbana - Rüstung abgeholt und schwebt von dannen.
Ich setze mich an den Lumpentisch, auf ihren Stuhl, der noch warm ist. Aber ich weiß nicht, soll ich ein Bier nehmen oder doch lieber einen Kaffee?
Das Wetter ist eigentlich zu kühl für ein Bier. Einen Kaffee vielleicht? Nur einen einzigen?
Vielleicht am Tisch dieser geheimnisvollen Frau, so adrett und gepflegt in ihren Lumpenkleidern?
Sie ist nur schön, sie birgt nicht mehr oder größere Geheimnisse als jeder von uns.
Vielleicht am Tisch dieser schönen Frau in Lumpenkleidern?
Vielleicht ist das Wenige, das sie birgt, immer noch zu viel für dich. Denn du birgst nichts, auf das du vertrauen könntest, wenn es hart auf hart kommt.
Ich ziehe mir meine Jacke an, denn ich habe nun schon Gänsehaut von der kühlen Brise. Zumindest denke ich daran, meine Jacke aus dem Rucksack zu holen und anzuziehen. Doch sie ist so dünn, ohne jedes Futter, sie würde nichts gegen die Kühle nützen, also wozu die Mühe?
Vielleicht wäre die Lumpenfrau, die Schöne, beeindruckt von deiner Lumpenjacke. Sie käme vermutlich sofort zu dir gelaufen und sänke vor dir auf die Knie um dir in deiner Jacke zu huldigen.
Doch im Augenblick jedenfalls wird sie von ihrem Prinzen in schimmernder Dolce & Gabbana - Rüstung abgeholt und schwebt von dannen.
Ich setze mich an den Lumpentisch, auf ihren Stuhl, der noch warm ist. Aber ich weiß nicht, soll ich ein Bier nehmen oder doch lieber einen Kaffee?
Sonntag, 18. August 2019
Flußgedanken
Die Tage werden im Dutzend weggelebt und dann, zu handlichen Paketen geschnürt, in nach Mottenkugeln duftende Regale gestellt. Man kann auch Mauern damit bauen. Hierfür presst man immer zehn Tage zu einem handlichen Mauerstein. Je luftiger und leerer die verwendeten Tage, desto kleiner ist der Wärmeleitkoeffizient des fertigen Steins, das heißt, desto besser ist später die Isolationswirkung der Mauer gegen unerwünschte Energieverluste.
„Sei doch nicht immer so negativ“, brüllt das Gesicht in der Wand. Früher trug es einen großen Rauschebart, doch den schlug ich irgendwann mit Hammer und Meißel ab. Ich war allerdings nicht sonderlich akkurat, jetzt sieht es aus wie Jürgen Prochnow oder Charles Bukowski.
„Sag doch mal was Witziges!“
Ich suche nach dem lustigen Reim, den ich mir aus dem Land mitgebracht hatte, in welchem jedes Wort tausende von Tonnen wiegt. Schon kurze Sätze bringen Erdplatten zum Abtauchen und verursachen ihr eigenes Mikrowetter. Doch ich fand nur noch eine kleine Mulde, der Reim hatte sich längst auf den Weg ins Erdinnere gemacht.
Die Liebe - oder war es ihre kleine Schwester, die Trauer? - die da auf dem riesigen Schubverband liegend auf dem Fluß vorüberzog, ließ träge, fast wie betäubt, ihre langen, dünnen, weißen und blaugeäderten Arme ins trübe Wasser baumeln. Vermutlich schleiften ihre Hände unten über den Flußgrund, allerlei Müll und Schrott aufsammelnd. Aber der sonore Ton des Schiffsdiesels in Verbindung mit dem wohlig blubbernden Auspuff zeugte von genug Kraft und Vortrieb, um trotzdem erfolgreich gegen die Strömung vorwärts zu kommen. In der Ferne lag die Biegung, wo der Fluß hinter einem malerischen Felsen verschwand.
Der Schubverband mit dem riesigen, bleichen Körper hatte nun etwas zu kämpfen, bis er um die Kurve herum war. Ein langer, verknorpelter Fuß war auf der Ferse nach außen gekippt und nun schrammte eine gigantische Große Zehe am Fels entlang. Steinbrocken lösten sich und polterten zuerst auf die Uferstraße und platschten dann ins Wasser. Menschen auf dem Weg zum Klosterbiergarten filmten das Spektakel mit ihren Smartphones und machten Selfies mit Viktoryzeichen.
Es war wohl die Liebe, und nicht die Trauer. Ihr gefesselter Blick traf mich in allerletzter Sekunde, bevor ihre müden Augen, groß wie Mülleimer, hinter der Biegung verschwanden. Noch immer waberten die Abgasschwaden in der Luft.
„Da ist schon viel Schönes dabei“, meinte das pockennarbige Gesicht an der Wand gönnerhaft, „nur der Vergleich mit dem Mülleimer hätte nicht sein müssen. Müll und Liebe in einem Satz, das werden viele nicht verstehen.“
„Aber dass die Liebe lange, dünne, weiße und blaugeäderte Arme hat, die über die Bordwand ins Wasser hängen und deren Hände über den Flußgrund schleifen und sich alte Fahrradfelgen wie Eheringe auf die Finger schieben, das verstehen die Leute?“
„Ja klar, warum nicht?“
„Sei doch nicht immer so negativ“, brüllt das Gesicht in der Wand. Früher trug es einen großen Rauschebart, doch den schlug ich irgendwann mit Hammer und Meißel ab. Ich war allerdings nicht sonderlich akkurat, jetzt sieht es aus wie Jürgen Prochnow oder Charles Bukowski.
„Sag doch mal was Witziges!“
Ich suche nach dem lustigen Reim, den ich mir aus dem Land mitgebracht hatte, in welchem jedes Wort tausende von Tonnen wiegt. Schon kurze Sätze bringen Erdplatten zum Abtauchen und verursachen ihr eigenes Mikrowetter. Doch ich fand nur noch eine kleine Mulde, der Reim hatte sich längst auf den Weg ins Erdinnere gemacht.
Die Liebe - oder war es ihre kleine Schwester, die Trauer? - die da auf dem riesigen Schubverband liegend auf dem Fluß vorüberzog, ließ träge, fast wie betäubt, ihre langen, dünnen, weißen und blaugeäderten Arme ins trübe Wasser baumeln. Vermutlich schleiften ihre Hände unten über den Flußgrund, allerlei Müll und Schrott aufsammelnd. Aber der sonore Ton des Schiffsdiesels in Verbindung mit dem wohlig blubbernden Auspuff zeugte von genug Kraft und Vortrieb, um trotzdem erfolgreich gegen die Strömung vorwärts zu kommen. In der Ferne lag die Biegung, wo der Fluß hinter einem malerischen Felsen verschwand.
Der Schubverband mit dem riesigen, bleichen Körper hatte nun etwas zu kämpfen, bis er um die Kurve herum war. Ein langer, verknorpelter Fuß war auf der Ferse nach außen gekippt und nun schrammte eine gigantische Große Zehe am Fels entlang. Steinbrocken lösten sich und polterten zuerst auf die Uferstraße und platschten dann ins Wasser. Menschen auf dem Weg zum Klosterbiergarten filmten das Spektakel mit ihren Smartphones und machten Selfies mit Viktoryzeichen.
Es war wohl die Liebe, und nicht die Trauer. Ihr gefesselter Blick traf mich in allerletzter Sekunde, bevor ihre müden Augen, groß wie Mülleimer, hinter der Biegung verschwanden. Noch immer waberten die Abgasschwaden in der Luft.
„Da ist schon viel Schönes dabei“, meinte das pockennarbige Gesicht an der Wand gönnerhaft, „nur der Vergleich mit dem Mülleimer hätte nicht sein müssen. Müll und Liebe in einem Satz, das werden viele nicht verstehen.“
„Aber dass die Liebe lange, dünne, weiße und blaugeäderte Arme hat, die über die Bordwand ins Wasser hängen und deren Hände über den Flußgrund schleifen und sich alte Fahrradfelgen wie Eheringe auf die Finger schieben, das verstehen die Leute?“
„Ja klar, warum nicht?“
Freitag, 16. August 2019
Sonntag, 28. Juli 2019
Fundstücke aus der Zeitmaschine
2013
Zeit wie Reißzwecken, die in einen Ventilator gestreut werden. Im Luftstrom wird einem das Fleisch vom Gesicht gerissen, die Knochen blank gerubbelt. Zombiefleisch das fliegt in nassen Placken in die Vergangenheit, dabei Engelsstaub aufnehmend wie ein Schnitzel die Panade, es glitzert und funkelt, bis nur noch schwache Reflexe in der dunklen Vergangenheit zu erahnen sind.
Das Flugabwehrgeschütz feuert und streut angekokelte Patronenhülsen auf das herbstliche Blumenbeet wie Kümmel auf einen Flammkuchen. Der Schütze trägt eine Coco Chanel-Umhängetasche und Badelatschen von ADIDAS. Tiefdunkelblauer Himmel, blaue Stunde, Sterne, die müde sind vom Scheinen.
Das Schmatzen von Füßen in nassen Schuhen lässt mich aufhorchen. Es ist ein Kind, das sich über das Hochwasser freut. Schöne, weite Welt. Ich träume vom Half-Dome und Cumulus-Wolken. Er schlürft meine Sehnsucht wie ein Bettelmönch seine Graupensupppe.
Und doch bin ich nicht darauf hereingefallen, ich ging sehenden Auges den Pfad des Irrsinns und war befremdlich erregt.
Dann ruhte ich mich aus und sagte nichts. Jedes Wort wog tausend Tonnen an diesem seltsamen Ort, an dem die Zeit Tango zu tanzen schien mit diesem Typ aus dem Zug nach Basel, der, obschon gut gekleidet, keinen Fahrschein zu haben schien. Die Scheibe des Zugabteils schmierig von meiner Stirn.
Die Sterne, müde des ewigen Scheinens, fallen einer nach dem anderen vom schwarzen Himmel und verglimmen zu meinen Füßen. Ich muss aufpassen, nicht darauf zu treten und setze vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Manche Sterne liegen zu Kissen gehäuft oder zu kleinen Dünen zusammengeschoben von diesem klaren Nachtwind. Mir wird schwindelig von diesem vergehenden Glühen unter meinen Füßen, über mir ist nun alles dunkel und schwarz. Die Welt hat sich gedreht, die Dinge fliegen fort von hier.
Zeit wie Reißzwecken, die in einen Ventilator gestreut werden. Im Luftstrom wird einem das Fleisch vom Gesicht gerissen, die Knochen blank gerubbelt. Zombiefleisch das fliegt in nassen Placken in die Vergangenheit, dabei Engelsstaub aufnehmend wie ein Schnitzel die Panade, es glitzert und funkelt, bis nur noch schwache Reflexe in der dunklen Vergangenheit zu erahnen sind.
Das Flugabwehrgeschütz feuert und streut angekokelte Patronenhülsen auf das herbstliche Blumenbeet wie Kümmel auf einen Flammkuchen. Der Schütze trägt eine Coco Chanel-Umhängetasche und Badelatschen von ADIDAS. Tiefdunkelblauer Himmel, blaue Stunde, Sterne, die müde sind vom Scheinen.
Das Schmatzen von Füßen in nassen Schuhen lässt mich aufhorchen. Es ist ein Kind, das sich über das Hochwasser freut. Schöne, weite Welt. Ich träume vom Half-Dome und Cumulus-Wolken. Er schlürft meine Sehnsucht wie ein Bettelmönch seine Graupensupppe.
Und doch bin ich nicht darauf hereingefallen, ich ging sehenden Auges den Pfad des Irrsinns und war befremdlich erregt.
Dann ruhte ich mich aus und sagte nichts. Jedes Wort wog tausend Tonnen an diesem seltsamen Ort, an dem die Zeit Tango zu tanzen schien mit diesem Typ aus dem Zug nach Basel, der, obschon gut gekleidet, keinen Fahrschein zu haben schien. Die Scheibe des Zugabteils schmierig von meiner Stirn.
Die Sterne, müde des ewigen Scheinens, fallen einer nach dem anderen vom schwarzen Himmel und verglimmen zu meinen Füßen. Ich muss aufpassen, nicht darauf zu treten und setze vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Manche Sterne liegen zu Kissen gehäuft oder zu kleinen Dünen zusammengeschoben von diesem klaren Nachtwind. Mir wird schwindelig von diesem vergehenden Glühen unter meinen Füßen, über mir ist nun alles dunkel und schwarz. Die Welt hat sich gedreht, die Dinge fliegen fort von hier.
Samstag, 27. Juli 2019
Cartoons, die man nicht verstehen muss
Heute: Planet und Mond im Weltall (schreiend). Mit Umlaufbahn, und Augen, die wegen des Vakuums im Weltraum heraustreten, oder so. Und Haare.
Montag, 15. Juli 2019
Mittwoch, 10. Juli 2019
Aufwind
Ich trat hinaus und stand auf einer winzigen, staubigen Straße, die sich, Serpentine für Serpentine, entlang meines Rückgrats in Richtung Stammhirn wand. Die Kurven waren mit niedrigen, weißen Mäuerchen gesichert, und tief unten rollten schäumend die Wellen auf den Strand. Mondlicht. Kein Verkehr. Weit am dunkel schimmernden Horizont, im Nachtdunst kaum zu erkennen, tauchte eine riesige Hand in das verwunderte Meer, langsam, als wollte sie die Temperatur prüfen. Machte sich hohl, schöpfte Wasser, als wollte jemand davon trinken. Aber oben nur Sterninseln und Sterne, die manchmal zur Seite hüpften.
Nein, Engel mein, das ist nur ein kleiner Luftzug, ein Windhauch nur, er wird Dich aber trotzdem tragen wie zehn Fäuste von Riesen.
Nein, Engel mein, das ist nur ein kleiner Luftzug, ein Windhauch nur, er wird Dich aber trotzdem tragen wie zehn Fäuste von Riesen.
Donnerstag, 4. Juli 2019
Persönlichkeiten der Zeitgeschichte, schreiend im Weltall
Heute: Angela Merkel (beim Versuch, ihren rechten großen Zeh zum Präsidenten des Universums zu ernennen).
Montag, 24. Juni 2019
An der Straße
Namensuchmann steht schwitzend an der riesigen Straßenkreuzung. Die Fußgängerampel zeigt rot, die Autos lärmen vierspurig vorüber. In der Ferne, in flirrender Hitze, ist das große Siegesmonument zu sehen, auf das alle Straßen sternförmig zulaufen. In der entgegengesetzten Richtung verliert sich die Straße im nachmittäglichen Dunst und in den Abgasen der Stadt.
Die Ausdünstungen all der bewegten Gehirne verdichten sich zu unsichtbarem, klebrigem Sirup, der Namensuchmann selbst dann noch aufrecht hält, wenn er sich, in Anbetracht des infernalischen Treibens, immer mal wieder kurzeitig bis an die Schwelle des Todes treiben lässt. Doch wie ein schwerer Stein über Wasser hüpft, so lässt sich auch Namensuchmann immer wieder an dem unheimlichen Horizont abprallen. Zuweilen kokettiert er ein wenig mit den Auftreffwinkeln, wird fast übermütig, noch ein Anflug, noch flacher, um sich dann umso weiter wieder wegtragen zu lassen.
Der Gehirnsirup kräuselt sich zu seinen Füßen, brandet lautlos und wie in Zeitlupe um seine Waden, jemand ist neben ihn getreten.
Er wendet nicht den Kopf, spürt nur die Schönheit des anderen. Der anderen.
Mein Gepäck ist mir abhanden gekommen.
Das ist einerseits ganz gut so.
Leider weiß ich nicht, was drinnen war.
Die Leichtigkeit um die Schultern
und das unbeschwerte Federn in den Knien
will sich nicht einstellen.
Was habe ich verloren?
Die Fußgängerampel springt auf grün, die Autos erstarren für einen kurzen Augenblick in ihrem rasenden Tun. Doch neben Namensuchmann ist nur ein Flirren.
Die Ausdünstungen all der bewegten Gehirne verdichten sich zu unsichtbarem, klebrigem Sirup, der Namensuchmann selbst dann noch aufrecht hält, wenn er sich, in Anbetracht des infernalischen Treibens, immer mal wieder kurzeitig bis an die Schwelle des Todes treiben lässt. Doch wie ein schwerer Stein über Wasser hüpft, so lässt sich auch Namensuchmann immer wieder an dem unheimlichen Horizont abprallen. Zuweilen kokettiert er ein wenig mit den Auftreffwinkeln, wird fast übermütig, noch ein Anflug, noch flacher, um sich dann umso weiter wieder wegtragen zu lassen.
Der Gehirnsirup kräuselt sich zu seinen Füßen, brandet lautlos und wie in Zeitlupe um seine Waden, jemand ist neben ihn getreten.
Er wendet nicht den Kopf, spürt nur die Schönheit des anderen. Der anderen.
Mein Gepäck ist mir abhanden gekommen.
Das ist einerseits ganz gut so.
Leider weiß ich nicht, was drinnen war.
Die Leichtigkeit um die Schultern
und das unbeschwerte Federn in den Knien
will sich nicht einstellen.
Was habe ich verloren?
Die Fußgängerampel springt auf grün, die Autos erstarren für einen kurzen Augenblick in ihrem rasenden Tun. Doch neben Namensuchmann ist nur ein Flirren.
Samstag, 8. Juni 2019
Es begab sich
Und zuletzt fielen die Engel.
Mit gebrochenen Flügeln.
Und die Menschen hielten nicht inne.
Oder schauten sie kurz auf?
Von ihrem Tun.
Federkiele wie Kristallpaläste,
kilometerhoch und durchscheinend.
Menschen nahmen Wohnung darin.
Mit gebrochenen Flügeln.
Und die Menschen hielten nicht inne.
Oder schauten sie kurz auf?
Von ihrem Tun.
Federkiele wie Kristallpaläste,
kilometerhoch und durchscheinend.
Menschen nahmen Wohnung darin.
Samstag, 1. Juni 2019
Dienstag, 21. Mai 2019
Schotter
Auf dem Bahnsteig, das Licht prallt von hinten gegen den Rücken, es schiebt und drückt. Wie ein Sturm von achtern, nur lautlos. Ein Zug fährt vorbei, wie schwer er wohl ist? Nicht in Tonnen und Kilogramm gemessen, sondern als Gefühl in der Hand eines Riesen, der ihn hochhebt? Wäre er beeindruckt von dem Gewicht, so wie ein Kind beeindruckt ist, wenn es zum ersten Mal eine funktionierende Spielzeuglok aus Metall hochhebt, nachdem es sonst immer nur mit Zügen aus Plastik gespielt hat? Hat Godzilla damals in Tokio gedacht: "hoppla, der ist aber schwer", oder waren seine Gedanken ganz woanders, bei Müllstrudeln etwa und Atombombenkratern in malerischen Atollen? Wie ist das Verhältnis von Gewicht zu Volumen bei einer richtigen Lokomotive? Wo findet man es, dieses Gefühl im Gehirn eines Riesen, den es nicht gibt?
Eine Spielzeuglok, Spurweite HO, liegt satt und fest in der Hand, zieht nach unten, wehrt sich gegen das Emporgehobenwerden. Der Zug verschwindet mit einem leisen Rauschen hinter der Biegung.
Jenseits der Gleise steht ein großer Baum. Irgendwann wurde er radikal zurückgeschnitten, doch längst hat er neue Zweige und Äste ausgetrieben, undurchdringliches Blattwerk bildet nun eine riesige grüne Stinkmorchel. Seine Wurzeln reichen tief. Sehr tief hinab. Zöge man ihn nach oben, was würde alles mitkommen? Längst vergessene Bewohner feuchter Slums? Ungläubig in das pralle Licht blinzelnd und glotzend?
Und der Schotter!
Drei Gleise. Vier sogar, wenn man das Gegengleis auf der anderen Seite des Bahnsteigs hinzuzählt. Jedes Gleis auf einem dicken Damm aus Schotter. So viele Steine. Dutzende Kilometer weit. Hunderte, tausende. Vier Gleise.
Und doch eine endliche Zahl, obschon fast unendlich. Aber alles, was man braucht, ist eine Eins, eine Null und ein zweistelliger Exponent. Schon hat man Macht über Zahlen so gigantisch wie das Universum. Müsste man hin- und hergehen, um immer einen Stein zu tragen, immer nur einen, tausend Kilometer ein Weg, über Berge und durch Wälder, entlang an Bächen und Flüssen, Dörfer meidend, über Auen und Brachland, sich Räubern erwehrend und wilden Bestien, würde sich ein kleiner Pfad bilden? Wohl nicht. Sechs mal hin, sechs mal zurück in einem Jahr; immer nur ein Stein. Vier Gleise. Vier Dämme. Und am Ende ein Berg aus Schotter.
Während das Licht gleisst und flutet.
Eine Spielzeuglok, Spurweite HO, liegt satt und fest in der Hand, zieht nach unten, wehrt sich gegen das Emporgehobenwerden. Der Zug verschwindet mit einem leisen Rauschen hinter der Biegung.
Jenseits der Gleise steht ein großer Baum. Irgendwann wurde er radikal zurückgeschnitten, doch längst hat er neue Zweige und Äste ausgetrieben, undurchdringliches Blattwerk bildet nun eine riesige grüne Stinkmorchel. Seine Wurzeln reichen tief. Sehr tief hinab. Zöge man ihn nach oben, was würde alles mitkommen? Längst vergessene Bewohner feuchter Slums? Ungläubig in das pralle Licht blinzelnd und glotzend?
Und der Schotter!
Drei Gleise. Vier sogar, wenn man das Gegengleis auf der anderen Seite des Bahnsteigs hinzuzählt. Jedes Gleis auf einem dicken Damm aus Schotter. So viele Steine. Dutzende Kilometer weit. Hunderte, tausende. Vier Gleise.
Und doch eine endliche Zahl, obschon fast unendlich. Aber alles, was man braucht, ist eine Eins, eine Null und ein zweistelliger Exponent. Schon hat man Macht über Zahlen so gigantisch wie das Universum. Müsste man hin- und hergehen, um immer einen Stein zu tragen, immer nur einen, tausend Kilometer ein Weg, über Berge und durch Wälder, entlang an Bächen und Flüssen, Dörfer meidend, über Auen und Brachland, sich Räubern erwehrend und wilden Bestien, würde sich ein kleiner Pfad bilden? Wohl nicht. Sechs mal hin, sechs mal zurück in einem Jahr; immer nur ein Stein. Vier Gleise. Vier Dämme. Und am Ende ein Berg aus Schotter.
Während das Licht gleisst und flutet.
Freitag, 26. April 2019
Im Biergarten
„Als wir damals nach Bregenz gefahren sind...“
Fahren, um nicht da zu sein, wo man ist. Ich fuhr an den See, um nicht hier zu sein. Ich blieb, um nicht dort zu sein. Das Wasser glasklar, aber noch eisig. Licht, das bricht bis auf den metertiefen Grund, tänzelt dort unten über Kiesel und samtige grüne Algenkissen. Die Synapsen des großen Wesens kräuseln sich im Ansturm des Geplappers.
„Der hat ja nun endlich seinen Termin beim Meinerbach bekommen, aber....“
Ein Kubus puren Frühlingslichts hat sich auf die weite Rasenfläche niedergelassen, ächzt ein wenig wegen der weitläufig verteilten Korbsessel und Korbtischchen, die wie in trüben Weiten zu flimmern beginnen. Man möchte eintreten, Schuhe und Socken von den Füßen schleudern und sich auf das Gras legen, jedoch nicht im Schatten einer der Schirmakazien, denn es ist noch nicht Sommer und die Sonne längst noch nicht zu ihrer Topform aufgelaufen. Hängt noch relativ kraftlos oben in ihrem Thron.
Singlemänner, die auf Kies gehen und schauen. Männer ohne Frauen, aber mit regelmäßigem Einkommen. Ich sehe Schatten, wo gar keine sind. Ziehende Schatten, die flüchten über Beine und Seiten. Und über Schuhe und Steine.
„Ich lief barfuß über Steine und Dornen, aber das Blut war nicht von mir.“
„Das wundert mich nicht, da gingen schon viele Menschen lang.“
„Jetzt klebt fremdes Blut an meinen Füßen.“
„Wäre es dir lieber, es wäre dein eigenes?“
„Weiß nicht, Blut ist Blut.“
Pause. Auf der großen Piazza ist es plötzlich sehr still, kein Windhauch zaust die Platanen, die Menschen sind durchsichtig in ihrer Hast und ihrer Gleichgültigkeit. Fast sind sie schon verschwunden, aber das dauert noch ein wenig. Ein klein wenig nur. Aus den Fugen und Ritzen des groben Pflasters quillt nun hellrotes Blut, braune Ränder hinterlassend, wo es von der Frühlingssonne schon getrocknet wurde.
„Jedenfalls ist der Geruch von altem Blut gewöhnungsbedürftig, egal, ob es das eigene ist oder fremdes. Soll ich dir die Füße waschen?“
„Das könnte Dir so passen.“
Fahren, um nicht da zu sein, wo man ist. Ich fuhr an den See, um nicht hier zu sein. Ich blieb, um nicht dort zu sein. Das Wasser glasklar, aber noch eisig. Licht, das bricht bis auf den metertiefen Grund, tänzelt dort unten über Kiesel und samtige grüne Algenkissen. Die Synapsen des großen Wesens kräuseln sich im Ansturm des Geplappers.
„Der hat ja nun endlich seinen Termin beim Meinerbach bekommen, aber....“
Ein Kubus puren Frühlingslichts hat sich auf die weite Rasenfläche niedergelassen, ächzt ein wenig wegen der weitläufig verteilten Korbsessel und Korbtischchen, die wie in trüben Weiten zu flimmern beginnen. Man möchte eintreten, Schuhe und Socken von den Füßen schleudern und sich auf das Gras legen, jedoch nicht im Schatten einer der Schirmakazien, denn es ist noch nicht Sommer und die Sonne längst noch nicht zu ihrer Topform aufgelaufen. Hängt noch relativ kraftlos oben in ihrem Thron.
Singlemänner, die auf Kies gehen und schauen. Männer ohne Frauen, aber mit regelmäßigem Einkommen. Ich sehe Schatten, wo gar keine sind. Ziehende Schatten, die flüchten über Beine und Seiten. Und über Schuhe und Steine.
„Ich lief barfuß über Steine und Dornen, aber das Blut war nicht von mir.“
„Das wundert mich nicht, da gingen schon viele Menschen lang.“
„Jetzt klebt fremdes Blut an meinen Füßen.“
„Wäre es dir lieber, es wäre dein eigenes?“
„Weiß nicht, Blut ist Blut.“
Pause. Auf der großen Piazza ist es plötzlich sehr still, kein Windhauch zaust die Platanen, die Menschen sind durchsichtig in ihrer Hast und ihrer Gleichgültigkeit. Fast sind sie schon verschwunden, aber das dauert noch ein wenig. Ein klein wenig nur. Aus den Fugen und Ritzen des groben Pflasters quillt nun hellrotes Blut, braune Ränder hinterlassend, wo es von der Frühlingssonne schon getrocknet wurde.
„Jedenfalls ist der Geruch von altem Blut gewöhnungsbedürftig, egal, ob es das eigene ist oder fremdes. Soll ich dir die Füße waschen?“
„Das könnte Dir so passen.“
Mittwoch, 27. März 2019
Gnom oder Zwerg?
Die Romantik simmerte leise röchelnd, an Zwiebeln und Möhren, auf dem Herd vor sich hin. Romantik meint, Meeresbrandung eignet sich immer, um das Rascheln von Engelsflügeln aus der Sicht eines Flohs zu beschreiben.
"Beschreiben!", rief der Gnom begeistert, "beschreiben! Herrlich. Jeder andere hätte "lautzumalen" geschrieben, `um das Rascheln von Engelsflügeln aus der Sicht eines Flohs lautzumalen´, oder.... hm .... oder...." Er schaute über die Straße. Auf der anderen Seite ging ein Mann. Er hielt sich seine blutende Schulter und war völlig durchnässt. Ein Windhauch trug den schalen Gestank von altem Bier herüber. Der Mann schaute immer wieder ängstlich über die Schulter, als ob er verfolgt würde.
"Menschen, die verfolgt werden", sagte der Gnom nun, "sind meistens Quell unerwarteter Ereignisse. Insbesondere, wenn sie sich die Schulter halten, als hätten sie eine Schusswunde."
"Ich bin es so müde", röchelte die Romantik nun, "Schusswunden, Gnome.... das ist doch alles eine große Scheiße!"
Aber man kann nichts machen. Nichts tun. Was man tut, breitet sich zu einem dünnen Film, nur wenige Mikrometer dick, und kriecht unter das Frühlingslicht. Der Gnom hebt seinen linken Fuß und schaut sich die Schuhsohle an. Er setzt sich auf den Bordstein, sieht dem verwundeten Mann hinterher, der um die nächste Hausecke taumelt, den Bierdunst mit sich nehmend, und fängt an zu singen. Eine melodische alte Weise aus uralten Zeiten, als es noch Kriege gab und Reisen bis ans Ende der Welt und darüber hinaus. Nichts weiter geschah. Keine unerwarteten Ereignisse. Auch keine erwarteten. Frühlingsdunst zwischen leeren Häusern. Parkgaragen, mit riesigen Mäulern in ihrer Gier erstarrt, geben sich plötzlich zufrieden und satt.
Niemand folgte dem Verwundeten. Nichts geschah. Licht, Dunst und tote Gier waren in der Zeit gefroren. Auch der Gnom kam nun zur Ruhe, seine Bewegungen wurden immer bedächtiger und langsamer. Er konnte kaum noch singen, kaum noch sprechen, aber das war nicht schlimm, da er überhaupt nichts zu sagen hatte und das alte Lied längst zu Ende war. Doch nun formten seine Lippen ein paar letzte Worte, ehe das Frühlingslicht die Wirklichkeit glasierte.
"Du....solltest....nicht....das Sch-Wort....sagen!" Damit ward das letzte Wort gesprochen, und die Welt gefror.
"Beschreiben!", rief der Gnom begeistert, "beschreiben! Herrlich. Jeder andere hätte "lautzumalen" geschrieben, `um das Rascheln von Engelsflügeln aus der Sicht eines Flohs lautzumalen´, oder.... hm .... oder...." Er schaute über die Straße. Auf der anderen Seite ging ein Mann. Er hielt sich seine blutende Schulter und war völlig durchnässt. Ein Windhauch trug den schalen Gestank von altem Bier herüber. Der Mann schaute immer wieder ängstlich über die Schulter, als ob er verfolgt würde.
"Menschen, die verfolgt werden", sagte der Gnom nun, "sind meistens Quell unerwarteter Ereignisse. Insbesondere, wenn sie sich die Schulter halten, als hätten sie eine Schusswunde."
"Ich bin es so müde", röchelte die Romantik nun, "Schusswunden, Gnome.... das ist doch alles eine große Scheiße!"
Aber man kann nichts machen. Nichts tun. Was man tut, breitet sich zu einem dünnen Film, nur wenige Mikrometer dick, und kriecht unter das Frühlingslicht. Der Gnom hebt seinen linken Fuß und schaut sich die Schuhsohle an. Er setzt sich auf den Bordstein, sieht dem verwundeten Mann hinterher, der um die nächste Hausecke taumelt, den Bierdunst mit sich nehmend, und fängt an zu singen. Eine melodische alte Weise aus uralten Zeiten, als es noch Kriege gab und Reisen bis ans Ende der Welt und darüber hinaus. Nichts weiter geschah. Keine unerwarteten Ereignisse. Auch keine erwarteten. Frühlingsdunst zwischen leeren Häusern. Parkgaragen, mit riesigen Mäulern in ihrer Gier erstarrt, geben sich plötzlich zufrieden und satt.
Niemand folgte dem Verwundeten. Nichts geschah. Licht, Dunst und tote Gier waren in der Zeit gefroren. Auch der Gnom kam nun zur Ruhe, seine Bewegungen wurden immer bedächtiger und langsamer. Er konnte kaum noch singen, kaum noch sprechen, aber das war nicht schlimm, da er überhaupt nichts zu sagen hatte und das alte Lied längst zu Ende war. Doch nun formten seine Lippen ein paar letzte Worte, ehe das Frühlingslicht die Wirklichkeit glasierte.
"Du....solltest....nicht....das Sch-Wort....sagen!" Damit ward das letzte Wort gesprochen, und die Welt gefror.
Donnerstag, 21. März 2019
Im Café
Frau
geht über die Straße.
Mann
schaut ihr nach.
Mann
geht über die Straße.
Frau
schaut ihm nach.
Mann
und Frau.
Blutbadende
Namensuchmann
tippte sich versonnen mit dem Radiergummi seines Feinminenbleistifts
an die Oberlippe. Für ein Haiku war das Ding zu lang.
Und für einen Liebesroman etwas zu kurz. Was es brauchte, war eine
kleine Nebenhandlung, die sich spielerisch um das eigentliche Drama
herumwand und dem Plot im entscheidenden Moment eine unerwartete
Wendung verpasste. Oder auch nicht. Bloß nicht verzetteln.
Der
Ober kam an das Tischchen und brachte Namensuchmann eine neue Tasse
dampfenden Kaffees. Als er sie abgestellt und stattdessen die alte
Tasse auf sein kleines silbernes Tablett aufgeladen hatte, beugte er
sich elegant gespannt, wie ein elastisches Winkemännchen, über
Namensuchmanns Schreibblock.
„Hm,
gefällt mir. Ich würde aber noch etwas an der Charakterbildung
arbeiten.“
Namensuchmann
hob seinen Blick nicht zum Ober, sondern beugte sich nach vorne und
trommelte mit dem Bleistiftradiergummi auf den Block.
„Eigentlich
ist er fertig.“
„Er?“,
fragte der Ober.
„Ja“,
sagte Namensuchmann verwundert, „der Roman. Er.“
„Achso“,
rief der Ober, „ich mag Romane lieber, wenn sie etwas länger
sind.“
Nun
schaute Namensuchmann doch noch zu ihm auf. Neben seinem unbequemen Bistrostuhl, immer noch das
kleine Tablett mit der leeren Tasse in der einen Hand, die andere
lässig auf der Stuhllehne geparkt, stand Zombie. Und oben, auf
seiner Schulter, saß sein Engel und besorgte das Reden in
Obersprache. Namensuchmann bemerkte leicht indigniert, dass der Engel
knapp davor war, loszuprusten. Glücklicherweise war der Zombie von
oben bis unten recht stramm in Frischhaltefolie eingewickelt, was ihn
fast wie eine Mumie erscheinen ließ. Das machte der Engel immer,
wenn sie unter Leute gingen, wegen des Gestanks.
Dienstag, 12. März 2019
Dienstag, 5. März 2019
Wind, Sand und ein Glas Bier
Mein
Haus mein Haus
hat
schräge alte Mauern
doch
sie stehen stark und dick
aus
alter Zeit
Heere
zogen in den Krieg
durch
mein Haus
durch
mein Haus
Die
Mauern hielten und schwiegen
und
schwankten nie während
ich
schlief und ruhte
und
träumte in den Mauern
Namensuchmann
fühlte den vom vergangenen Tag noch warmen Sand unter seinem nackten
Hintern. Die Nacht war sternenklar und mild.
Oben
trieb der Engel rücklings schwebend durch die Stratosphäre. Mit
seinem guten Fernglas konnte Namensuchmann sehen, dass der Engel ein
großes Glas Bier auf seiner Brust balancierte. Wo war die Flasche
dazu? Oder der Zapfhahn? Und wieso konnte Namensuchmann von unten auf
die Engelsbrust sehen? War der Engel in Wahrheit ein Neutronenstern,
dessen gesamte Oberfläche aufgrund der Raumkrümmung fast komplett
zu sehen ist, auch wenn man sich nicht um ihn herumbewegt? Das hielt
Namensuchmann für einigermaßen unwahrscheinlich, dafür war er
schon zu oft nur auf Armeslänge von dem Engel entfernt gewesen ohne
von dessen Schwerkraft eingesaugt zu werden. Es musste eine andere
Erklärung geben.
Derweil
Zombie oben in der Umlaufbahn seine Runden drehte, immer noch sanft
von der längst untergegangenen Sonne angestrahlt. Sein marsrotes
Glühen stand dabei in schönem Kontrast zur weißblau strahlenden
ISS, die ihm immer noch um einige Bogengrad vorausflog. Aber er holte
auf.
Nein
Nein Nein. Eine knusprige Schale aus degeneriertem Elektronengas?
Fuck off, bloody creepy Neutronensterne, man kann alles übertreiben!
Mein
Haus mein Haus
mit
seinen schrägen alten Mauern
steht
wie ein fauler Zahn
auf
dem Berg Bingotzdameh.
Ich
verstecke mich im Gebälk,
derweil
unten riesige Heere
durchziehen
in den Krieg.
Das
Haus vibriert fast unmerklich
im
Wutdunst und der Panik
der
Soldaten.
Angst,
zu fallen zu fallen zu fallen
Mein
Haus mein Haus
mit
dicken schiefen Mauern
auf
Fundamenten die einst
ganze
Himmel trugen
Die
Himmel sind vergangen
die
Mauern geblieben
ich
zog ein und zimmerte
ein
Dach aus Holz und Licht
Droben
schweb ich nun im Stillen
während
unten die Heere durchziehen
in
ferne Kriege durch mein Haus
durch
mein Haus
Lanzen
und Gewehre
Bogen
und Raketen
ein
Rasseln wie ein krankes Herz
durch
mein Haus
Durch
mein Haus
weht
Sternenlicht wie Sumpfnebel
ich
knüpfe und nähe mein Segel
aus
Staubfahnen und Träumen
Mein
Haus mein Haus
mit
Mauern dick wie Zyklopenbeine
Namensuchmann
platzte der Kragen:
„ICH
SCHEISSE AUF DEINE HÜTTE EINEN RIESENHAUFEN, WENN DU JETZT NICHT MAL
FÜR FÜNF MINUTEN DIE KLAPPE HÄLTST!“
Stille.
Der Nachtwind wehte kleine Sanddünen um Namensuchmanns nackten
Hintern. Die Marschlieder, das monotone Dröhnen der Kampfstiefel und
das Klappern der Rüstungen waren verklungen. Er sank nach hinten und
legte sich lang in den Sand. Oben trieben seine Freunde.
Freitag, 1. März 2019
Donnerstag, 28. Februar 2019
Das gute Bier
Das Frühlingslicht gleisst wie losgelassen über den Bahnsteig, eisig-pastellfarben, hellblau-karmesin, die letzte Ameise sterilisierend. Liegt wie ein umgestürzter Grabstein quer, fast unbeweglich. Klebt die Füße fest, ertränkt sie in Beton. Frühlingsluft, frisch und kühl, stürzt in Spalten und Gullies.
In unpersönlichen Straßenbuden, eine wie die andere, werden Sinne angeboten. Lebenssinne. Gründe, um zu leben. Davor lange Kundenschlangen bis auf die Fahrbahnen. Autos und Busse krachen durch Knochen und Fleisch.
Ein seltsamer Anblick, und eine seltsame Geräuschkulisse. Namensuchmann lehnt sich etwas weiter über die Brüstung um besser sehen zu können, dabei fällt ihm die halbvolle Bierflasche vom Handlauf, auf dem er sie abgestellt hatte. Unten knallt sie auf einen Gully und ist fast augenblicklich verschwunden, nur eine kleine Gischtwolke aus Bierdunst sorgt noch kurz für einen kleinen Regenbogen. Einen kleinen Bierbogen.
Und über allem ein dumpfer Brummton wie von einem altertümlichen Steam Punk Transformator. Schwerer, massiver Eisenkern, mit eigener Schwerkraft. Namensuchmann vergießt eine kleine, einsame Träne. Schade um das gute Bier.
In unpersönlichen Straßenbuden, eine wie die andere, werden Sinne angeboten. Lebenssinne. Gründe, um zu leben. Davor lange Kundenschlangen bis auf die Fahrbahnen. Autos und Busse krachen durch Knochen und Fleisch.
Ein seltsamer Anblick, und eine seltsame Geräuschkulisse. Namensuchmann lehnt sich etwas weiter über die Brüstung um besser sehen zu können, dabei fällt ihm die halbvolle Bierflasche vom Handlauf, auf dem er sie abgestellt hatte. Unten knallt sie auf einen Gully und ist fast augenblicklich verschwunden, nur eine kleine Gischtwolke aus Bierdunst sorgt noch kurz für einen kleinen Regenbogen. Einen kleinen Bierbogen.
Und über allem ein dumpfer Brummton wie von einem altertümlichen Steam Punk Transformator. Schwerer, massiver Eisenkern, mit eigener Schwerkraft. Namensuchmann vergießt eine kleine, einsame Träne. Schade um das gute Bier.
Montag, 4. Februar 2019
Namensuchmann liest sein Lieblingsbuch
Federico. Im Hauptberuf Pater der katholischen Kirche, nebenbei Raumschiffkapitän auf der Jagd nach einem kleinen Mädchen, das den Untergang einer korrupten, zu einer brutalen Verbrecherorganisation degenerierten Kirche bedeuten könnte. Hässliche, warzige Raumschiffe, die Kojen als leicht zu reinigende stählerne Wannen ausgebildet, weil den mörderischen Beschleunigungen kein lebender Organismus gewachsen ist. Die Besatzungen sind kurz nach dem Start tot, zu Brei zerquetscht. Glücklicherweise verfügt die Kirche über das heilige Sakrament der Auferstehung, drei Tage nach der Ankunft ist man wieder fit. Meistens. *
Federico. Italien. Rom. Pinien. Pinien zwischen alten Tempeln. Hohe Stämme, fächerförmige, ausladende Kronen. Warmes, mildes Licht auf uralten Ruinen. Blaue Himmel. Gnädige Tode altersschwacher Tage. Endlich ist die gleissende Helligkeit des Tages überstanden, Namensuchmann entsteigt seinem zehn Meter tiefen Bunker. Uraltes Eisen ächzt, schreit fast, oder jammert, klagt, würgt am Schmerz seiner Geburt vor Milliarden von Jahren in lodernden Sternexplosionen.
Das falsche Licht ist vergangen. Falsch in seiner strahlenden Reinheit, seiner erstickenden Vollkommenheit, seiner lichten Verheißung. Namensuchmann wirft seine Motorsäge an, drückt den Gasgriff wieder und wieder, in wachsender Ekstase. In der sich manifestierenden Lärmblase verschwimmen die letzten Konturen des Tages, Abendrot wird zu Nacht, Wärme zu fröstelndem Klirren.
Der Tiber! Darüber Kolosskalmar und Pottwal. Pottwal schnappt, Kolosskalmar fängelt mit seinen Armen. Namensuchmann zweifelt an seiner Entscheidung, ausgerechnet die beiden Erzfeinde als Gewichte für seine Balancierstange ausgesucht zu haben. Wie sollte er so jemals den Abgrund zwischen der Erde und Epsilon Eridani überwinden? Und wie sollte er gleichzeitig die Balancierstange und die Motorsäge halten?
Im Wasser des Flusses kommt die Säge blubbernd zum Stehen. Namensuchmann lässt sie los, sofort entschwindet sie in morastige Tiefen. Der Dezember der Dinge. Der Januar der Fragen.
"Möchtest Du den Platz tauschen, lieber Kolosskalmar? Schweb´ doch mal rüber und sag mir Bescheid, damit ich planen kann."
Namensuchmanns Tage in Rom. Und er kann fast gehen. Er erinnert sich an eine Zeit vor den Tagen.
Fischworte. Löwenworte. Wurmworte. Mit Wurmworten gesprochen: oben trommeln die Regentropfen, es treibt einen hinauf. Hinauf!
Das Leben auf einer schrägen Ebene, man bekommt´s im Rücken, spätestens irgendwann, denn Zeit ist immer. Wenn nicht früher. Aus den Lautsprechern ein Schlager aus einer vergangenen Zeit, er juckt im Gehirn, nahe der Stelle, wo der Hörnerv durch die hohle Gasse dringt, in die Region hinein, wo die Zukunftsängste produziert und wieder verarbeitet werden. Wie Polarlichter mäandern sie über die steinigen Wüsten der Zuversicht, sieht im Zeitraffer sehr beeindruckend aus.
"Aaaargh", würgende Laute aus einer vertrockneten Kehle. Namensuchmann dreht den Hahn auf, ganz auf, bis zum Anschlag, das Bier strömt wie entfesselt durch den dreckigen Stall, schwemmt die Tierleichen ins Freie. Augias hätte seine wahre Freude an dem schäumenden Schauspiel. Namensuchmann gegenüber, auf dem steinernen Futtertrog, hat sich ein fremder Mann in Sicherheit gebracht, starrt mit ungläubigen Augen in die schäumende Flut. Namensuchmann entsichert seinen Colt und legt an. Peng... der Mann greift sich mit weitaufgerissenen Augen an die Brust. Langsam kippt er vornüber, er scheint noch immer nicht begriffen zu haben, was geschehen ist. Platsch.... er verschwindet im Bier und geht unter. Namensuchmann ist wieder alleine auf der Welt.
*: Dan Simmons, Hyperion
Federico. Italien. Rom. Pinien. Pinien zwischen alten Tempeln. Hohe Stämme, fächerförmige, ausladende Kronen. Warmes, mildes Licht auf uralten Ruinen. Blaue Himmel. Gnädige Tode altersschwacher Tage. Endlich ist die gleissende Helligkeit des Tages überstanden, Namensuchmann entsteigt seinem zehn Meter tiefen Bunker. Uraltes Eisen ächzt, schreit fast, oder jammert, klagt, würgt am Schmerz seiner Geburt vor Milliarden von Jahren in lodernden Sternexplosionen.
Das falsche Licht ist vergangen. Falsch in seiner strahlenden Reinheit, seiner erstickenden Vollkommenheit, seiner lichten Verheißung. Namensuchmann wirft seine Motorsäge an, drückt den Gasgriff wieder und wieder, in wachsender Ekstase. In der sich manifestierenden Lärmblase verschwimmen die letzten Konturen des Tages, Abendrot wird zu Nacht, Wärme zu fröstelndem Klirren.
Der Tiber! Darüber Kolosskalmar und Pottwal. Pottwal schnappt, Kolosskalmar fängelt mit seinen Armen. Namensuchmann zweifelt an seiner Entscheidung, ausgerechnet die beiden Erzfeinde als Gewichte für seine Balancierstange ausgesucht zu haben. Wie sollte er so jemals den Abgrund zwischen der Erde und Epsilon Eridani überwinden? Und wie sollte er gleichzeitig die Balancierstange und die Motorsäge halten?
Im Wasser des Flusses kommt die Säge blubbernd zum Stehen. Namensuchmann lässt sie los, sofort entschwindet sie in morastige Tiefen. Der Dezember der Dinge. Der Januar der Fragen.
"Möchtest Du den Platz tauschen, lieber Kolosskalmar? Schweb´ doch mal rüber und sag mir Bescheid, damit ich planen kann."
Namensuchmanns Tage in Rom. Und er kann fast gehen. Er erinnert sich an eine Zeit vor den Tagen.
Fischworte. Löwenworte. Wurmworte. Mit Wurmworten gesprochen: oben trommeln die Regentropfen, es treibt einen hinauf. Hinauf!
Das Leben auf einer schrägen Ebene, man bekommt´s im Rücken, spätestens irgendwann, denn Zeit ist immer. Wenn nicht früher. Aus den Lautsprechern ein Schlager aus einer vergangenen Zeit, er juckt im Gehirn, nahe der Stelle, wo der Hörnerv durch die hohle Gasse dringt, in die Region hinein, wo die Zukunftsängste produziert und wieder verarbeitet werden. Wie Polarlichter mäandern sie über die steinigen Wüsten der Zuversicht, sieht im Zeitraffer sehr beeindruckend aus.
"Aaaargh", würgende Laute aus einer vertrockneten Kehle. Namensuchmann dreht den Hahn auf, ganz auf, bis zum Anschlag, das Bier strömt wie entfesselt durch den dreckigen Stall, schwemmt die Tierleichen ins Freie. Augias hätte seine wahre Freude an dem schäumenden Schauspiel. Namensuchmann gegenüber, auf dem steinernen Futtertrog, hat sich ein fremder Mann in Sicherheit gebracht, starrt mit ungläubigen Augen in die schäumende Flut. Namensuchmann entsichert seinen Colt und legt an. Peng... der Mann greift sich mit weitaufgerissenen Augen an die Brust. Langsam kippt er vornüber, er scheint noch immer nicht begriffen zu haben, was geschehen ist. Platsch.... er verschwindet im Bier und geht unter. Namensuchmann ist wieder alleine auf der Welt.
*: Dan Simmons, Hyperion
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